Antworten und neue Fragen: Der Entwurf des BMWi für Änderungen von EEG und EnWG

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Eine „Mini-EEG-Novelle“ soll Corona-bedingt einzelne Fristen im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) sowie die Übergangsregelung für die Geltung der Technischen Anschlussregeln (TAR) kurzfristig anpassen. Außerdem sollen zwei erwartete Änderungen im EEG und im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) erfolgen. Das Gesetz, dessen Entwurf das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) am Montag vorgelegt hat, soll heute im Kabinett beschlossen und anschließend im Schnelldurchlauf vom Bundestag verabschiedet werden. Was der Gesetzentwurf nicht umfasst, ist die Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels für Solaranlagen – die mindestens ebenso dringlich wäre, jedoch offensichtlich weiterhin an den Differenzen innerhalb der Koalition zu Abständen für Windenergieanlagen hängt.

Fristverlängerung für die Besondere Ausgleichsregelung

Der Antrag für die Reduzierung der EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen und Schienenbahnen beim Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA) ist an eine harte Frist gebunden: Bis zum 30.6. eines Jahres sind die Anträge einzureichen, und die Frist ist als „materielle Ausschlussfrist“ ausgestaltet. Das heißt, dass auch unverschuldete Fristversäumnisse nur unter sehr engen Voraussetzungen „geheilt“ werden können („Nachsichtgewährung wegen besonderer Umstände“). Das BAFA hatte zwar auf die Corona-bedingten Schwierigkeiten bereits kooperativ reagiert und eine solche „Nachsichtgewährung“ in Aussicht gestellt, wenn Antragsteller die Frist in diesem Jahr nicht einhalten können. Allerdings ist dies rechtlich nicht ganz wasserdicht, so dass vielfach eine gesetzliche Regelung gefordert wurde. Der Entwurf für eine solche Regelung liegt nunmehr vor. Danach soll es im Antragsverfahren 2020 möglich sein, insbesondere die ausschlussfristrelevanten Unterlagen, also die Wirtschaftsprüferbescheinigung und das Zertifikat zum Umwelt- oder Energiemanagementsystem (bzw. des alternativen Effizienzsystems) bis zum 30.11.2020 nachzureichen. Der Antrag selbst muss aber – wie bisher – innerhalb der Antragsfrist eingereicht werden.

Die vorgesehene gesetzliche Regelung erhöht die Rechtssicherheit für die antragstellenden Unternehmen – das ist gut. Der Vorschlag greift jedoch noch zu kurz: Er passt nur auf Unternehmen, die den Antrag „regulär“ stellen, nicht hingegen auf neu gegründete Unternehmen (oder bestimmte umgewandelte Unternehmen), die die Begrenzungsvoraussetzungen anhand eines Rumpfgeschäftsjahres nachweisen und den Antrag auf EEG-Umlage-Begrenzung bis zum 30.9. einreichen können. Offen bleibt auch, was gilt, wenn die Begrenzungsvoraussetzungen in diesem Jahr nicht eingehalten werden können. Diese Frage wird zwar erst im nächsten Antragsverfahren relevant; Rechtsklarheit können die betroffenen Unternehmen aber schon jetzt gebrauchen.

Fristverlängerung zur Realisierung von Ausschreibungsanlagen

Ein weiteres Fristenproblem im EEG betrifft die Realisierung von Anlagen, die in der Ausschreibung einen Zuschlag erhalten haben. Nach dem EEG muss die Realisierung der Anlagen innerhalb bestimmter Fristen erfolgen, andernfalls sind Strafzahlungen fällig oder der Zuschlag verfällt ganz. Bei der Realisierung der Anlagen stellen sich nun Corona-bedingt vielfältige Probleme: Anlagenteile werden nicht geliefert, Mitarbeiter dürfen nicht einreisen, Genehmigungen werden nicht erteilt oder Bebauungspläne nicht erlassen. Vor diesem Hintergrund sollen die Realisierungsfristen und die Fälligkeit von Strafzahlungen für Erneuerbare-Energien-Anlagen um sechs Monate verlängert werden. Die Regelung gilt aber nur für Anlagen, die vor dem 1.3.2020 einen Zuschlag erhalten haben. Eine Fristverlängerung für Ausschreibungsrunden ab dem 1.3.2020 sei derzeit nicht erforderlich, weil das Risiko von Realisierungsverzögerungen aufgrund der Corona-Krise für die neuen Ausschreibungsrunden durch die Verwaltungspraxis der Bundesnetzagentur (BNetzA) ausgeglichen werde. Wie die BNetzA in einer Mitteilung von Ende März entschieden hatte (wir berichteten), erhalten erfolgreiche Bieter nach Entscheidung über die Zuschläge nämlich zunächst nur eine schriftliche Zusicherung über den Zuschlag. Die fristauslösende Veröffentlichung der Zuschlagsentscheidung im Internet erfolgt jedoch erst, nachdem der Bundestag die Beendigung der Corona-Pandemie nach § 5 Abs. 1 IfSG festgestellt hat, und erst damit wird der Beginn der Realisierungsfristen ausgelöst. Ob über den bestehenden Vorschlag hinaus zukünftig eine weitere Verlängerung der Realisierungsfristen erforderlich ist und ob diese pauschal erfolgen muss oder behördlich erfolgen kann, soll zu einem späteren Zeitpunkt geprüft werden. Wenn sich Handlungsbedarf ergebe, könnte dieser laut BMWi im Rahmen der nächsten großen EEG-Novelle umgesetzt werden.

Auch die Regelung für die Fristverlängerung für Ausschreibungsanlagen ist sehr zu begrüßen, da sie über die Mitteilung der BNetzA hinaus für umfassende Rechtssicherheit sorgt. Allerdings wäre es sinnvoll gewesen, gleichzeitig eine Grundlage zu flexiblem behördlichem Handeln in der Zukunft zu schaffen, damit nicht später noch weitere aufwendige gesetzliche Änderungen erforderlich sind. Kritisch ist auch, dass die 18-Monatsfrist für Solaranlagen, ab der sich die Förderung um 0,3 Ct/kWh reduziert, nicht ebenfalls verlängert wurde.

Fristverlängerung für Geltung der TAR

Eine weitere Fristverlängerung betrifft die Geltung der neuen TAR. Nach der geltenden Übergangsbestimmung in § 118 Abs. 25 EnWG konnten Anlagen noch nach den alten Netzanschlussregeln ans Netz angeschlossen werden, wenn eine Genehmigung oder – für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen – ein Netzanschlussbegehren bis zum 27.4.2019 gestellt worden war und die Anlage bis zum 30.6.2020 in Betrieb genommen wurde. Diese Frist zur Inbetriebnahme wird nunmehr um sechs Monate bis zum 31.12.2020 verlängert. Das soll den Beteiligten einerseits ausreichend Zeit geben, um die Anlagen in Betrieb zu nehmen, und andererseits gewährleisten, dass der zeitliche Abstand zum Inkrafttreten der aktuell geltenden technischen Anschlussregeln nicht zu groß wird.

Bürgerenergiegesellschaften

Die Privilegien für Bürgerenergiegesellschaften bei Ausschreibungen für Wind an Land hatten in den ersten Ausschreibungsrunden für viel Unruhe gesorgt (wir berichteten hier). Hintergrund war die großflächige Ausnutzung der Privilegien durch Projektierer. Der Gesetzgeber hatte daraufhin eines der wesentlichen Privilegien, nämlich die Gebotsabgabe ohne immissionsschutzrechtliche Genehmigung, schnell wieder abgeschafft (wir berichteten), aber nur als befristete Übergangsregelung. Nach aktueller Rechtslage würde das Privileg der Bürgerenergiegesellschaften, ohne BImSchG-Genehmigung an den Ausschreibungen nach dem EEG teilnehmen zu dürfen, zum nächsten Gebotstermin am 1.7.2020 wieder aufleben. Nunmehr soll es dauerhaft gestrichen werden. Im Übrigen bleiben die anderen Privilegien der Bürgerenergie, insbesondere das Einheitspreisverfahren, im EEG 2017 unverändert.

Die Regelung kommt nicht überraschend, denn es war mittlerweile weitgehend Konsens, dass die Privilegierungen in der aktuellen Form nicht passend sind. Dies liegt aber weniger daran, dass Privilegierungen nicht notwendig wären, sondern an der ungeeigneten Definition einer Bürgerenergiegesellschaft. Kritisch ist deshalb, dass es zunächst keine Alternative zu den abgeschafften Regeln zur Förderung der Bürgerenergie geben wird. Denn die Errichtung von Windenergieanlagen durch Bürger vor Ort ist ein sinnvolles Instrument, um Akteursvielfalt zu schaffen und die Akzeptanz der Windenergie vor Ort zu steigern. Es bleibt zu hoffen, dass das Thema bei der nächsten EEG-Novelle nochmal angegangen wird.

Offshore

Schließlich regelt der Gesetzentwurf ein drittes energierechtliches Thema: Bevor eine Fläche für die Windenergienutzung auf See ausgeschrieben werden kann, muss die Eignung der Fläche für diese Nutzung durch Rechtsverordnung festgestellt werden. Die Kompetenz zum Erlass der Eignungsfeststellungsverordnung soll nunmehr dem sachnäheren Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) übertragen werden können.

Fazit

Insgesamt sind die Regelungen zu Fristen im EEG und Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sinnvoll und zu begrüßen. Zwar hatten die Behörden BNetzA und BAFA bereits außerordentlich flexibel auf die Corona-bedingten Herausforderungen reagiert. Wegen der teilweise klaren gesetzlichen Vorgaben zu den Fristen ist allerdings eine besondere gesetzliche Regelung notwendig gewesen, und diese könnte nunmehr für Rechtssicherheit sorgen. An einigen Stellen hätte man sich etwas klarere und weitgehendere Regelungen gewünscht, damit mit dem neuen Gesetz nicht gleich neue Fragen auftreten. Darüber hinaus bleibt zu hoffen, dass nun kurzfristig die mindestens ebenso wichtige Beseitigung des 52-Gigawatt-Solardeckels angegangen wird.

Ansprechpartner: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht/Andreas Große/Dr. Wieland Lehnert

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