Moorburg: Ein langer Streit mit plötzlichem Ende

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Am 1.9.2020 kam der vorläufig letzte von vielen Rückschlägen für eines der modernsten Kohlekraftwerke Deutschlands: Das Kraftwerk (KW) Moorburg darf, soweit nicht eine (höchstgerichtliche) Revision erfolgreich ist, kein Kühlwasser mehr aus der Elbe entnehmen. Es ist das Ende einer langen Geschichte – zumindest vorläufig.

Genehmigungen, Auflagen, Klagen

Die Verfahrenshistorie ist lang und verwinkelt – wir versuchen, sie etwas zu entwirren:

Moorburg wurde seit 2006 als hocheffizientes neues Steinkohlekraftwerk geplant, das Hamburg mit Strom und mit Warmwasser versorgen sollte. Von Anfang an bot das Genehmigungsverfahren Grund für Ärger: Die Betreiber des KW Moorburg hatten nämlich ursprünglich angedacht, das Kraftwerk vornehmlich mit Wasser aus der Elbe zu kühlen. Eine solche Kühlung birgt aber die Gefahr, Wassertemperatur und -sauerstoffgehalt erheblich zu verschlechtern und so den Naturhaushalt nachhaltig zu schädigen.

Aus diesem Grund tat sich die Stadt Hamburg schwer damit, den wasserrechtlichen Teil der Genehmigung erteilen. Es galt, die vielen und komplexen Umweltfaktoren gegeneinander abzuwägen. Auf den schnellen Betriebsbeginn des Werkes bedacht, strengte Vattenfall daraufhin eine Untätigkeitsklage beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg an. Die Verwaltungsentscheidung wurde Ende September 2008 (um der Chronistenpflicht Genüge zu tun: also vor ziemlich genau zwölf Jahren!) erteilt, knüpfte jedoch weitere Auflagen an den wasserrechtlichen Teil der Genehmigung.

Mit den umweltrechtlichen Auflagen unzufrieden, wandelte Vattenfall die bereits erhobene Untätigkeitsklage in eine Verpflichtungsklage um. Gleichzeitig strengte das Unternehmen ein Schiedsverfahren nach Internationalen Regelungen an, das 2010 mit einem Vergleich (wir berichteten) beendet wurde und eine neue, deutlich erleichterte Genehmigung vorsah.

Von Hamburg über Brüssel nach Luxemburg

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich auch der Umweltschutzverband BUND bereits im Rahmen der Anhörung negativ zum Vorhaben geäußert und ebenfalls Klage beim OVG Hamburg gegen die Genehmigung erhoben. Die auf dem Schiedsverfahren beruhende zweite Genehmigung vom Oktober 2010 ersetzte hierbei den ursprünglichen Klagegegenstand, umso mehr, weil die Umweltauflagen noch laxer gehalten waren als in der ursprünglichen Genehmigung. Gleichzeitig hatte der BUND auch Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht, da die Genehmigung ebenfalls gegen die Europäische Habitatrichtlinie (FFH-RL) verstoßen würde.

Ein erstes Urteil (Az. 5 E 11/08) des OVG Hamburg am 18.1.2013 hob den wasserrechtlichen Teil der Genehmigung auf, da er gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot verstoße. Sowohl die Stadt Hamburg als auch Vattenfall legten daraufhin eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ein. Eine schnelle Entscheidung konnte trotzdem nicht gefällt werden – das Verfahren beim BVerwG ruhte bis zum 26.4.2017. Einerseits weil das Gericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung des EU-Rechtes im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt hatte. Andererseits hatte die EU-Kommission ab 2014 auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, das erst 2017 durch Urteil v. (Rs. C‑142/16) des EuGH endete. Das BVerwG rügte im Angesicht der Entscheidungen des EuGH im Folgenden die wasserrechtlichen Ausführungen, die das OVG Hamburg fünf Jahre zuvor getroffen hatte. Die Rechtssache wurde zur erneuten Entscheidung an das OVG Hamburg zurück verwiesen.

Fortsetzung folgt?

Der Rest ist Geschichte – nach 12 Jahren Rechtsstreit ist nun klar: Die Kühlung des Kraftwerkes Moorburg durch Elbwasserentnahme verstößt gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot (OVG Hamburg, Urt. v. 1.9.2020, Az. 1 E 26/18). Vattenfall bleibt nun lediglich noch übrig, auf den deutlich teureren Kühlturm zurückzugreifen, dessen Einsatz die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerkes nicht gerade verbessert.

Sicherlich nicht nur deshalb will Vattenfall nun einen Schlussstrich ziehen und hat ein Angebot zur Stilllegung des Kraftwerks im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes (wir berichteten) abgegeben. Was das heißt, welches Signal es für die Kraftwerkslandschaft darstellt und welche Wechselwirkungen sich daraus eventuell noch ergeben, das sind Geschichten für einen anderen Tag.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Dr. Christian Dessau/Carsten Telschow

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