Regelung individueller Netzentgelte soll angepasst werden

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Am 19.8.2020 hat das Bundeskabinett die Verordnung zur Umsetzung pandemiebedingter und weiterer Anpassungen in Rechtsverordnungen auf Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes beschlossen. Die Verordnung bedarf damit nur noch der Zustimmung des Bundesrates. Der Kabinettsbeschluss beinhaltet die drei wichtigen Neuerungen, die bereits im Referentenentwurf zur Änderung der StromNEV zu Transiten und Sonderentgelten sowie zur Änderung der NAV/NDAV enthalten waren:

  • Das Sonderentgelt für intensive Netznutzer kann in 2020 auch dann beansprucht werden, wenn noch in 2019 die Voraussetzungen erfüllt wurden, in 2020 hingegen nicht.
  • Im Falle von Transiten können beim Pooling entnommene und rückgespeiste Strommengen ausnahmsweise, auch netzknotenübergreifend, saldiert werden.
  • Bei Netzanschluss und Anschlussnutzung in Niederspannung und Niederdruck in Netzen der allgemeinen Versorgung wird an verschiedenen Stellen auf die Schriftform verzichtet. Damit wird insbesondere ein elektronischer Vertragsschluss per E-Mail ermöglicht.

Sonderentgelt für intensive Netznutzer

Die Übergangsbestimmungen in § 32 StromNEV werden um einen neuen Abs. 10 ergänzt. Danach soll für den Netznutzer bzw. Bandlastverbraucher im Jahr 2020 ein Anspruch auf Erhalt des vereinbarten individuellen Netzentgelts bestehen, wenn er in 2019 die Voraussetzungen erreicht hat. Diese Regelung soll Abhilfe bei coronabedingten Umsatzeinbrüchen und entsprechend geringerem Strombedarf schaffen.

Der Beschluss hilft nur Unternehmen, die bereits 2019 am Markt waren. Wer in 2020 erstmals Strom verbraucht und nach prognostiziertem Verbrauch die Voraussetzungen in 2020 erfüllt hätte, hat nach der Regelung keine Möglichkeit, das besondere Netzentgelt zu beanspruchen. Ein entsprechendes Problem stellt sich für die Unternehmen, die zwar in 2019 bereits Strom verbrauchten, wegen etwaiger Sondereffekte – wie beispielsweise einer Großrevision – jedoch in 2019 ausnahmsweise die Voraussetzungen nicht erfüllten.

Aus Netzbetreibersicht hilft die absehbare Neuregelung dann weiter, wenn bei einzelnen intensiven Netznutzern unterjährig das reduzierte Netzentgelt abgerechnet wurde und sich bereits jetzt abzeichnete, dass die Voraussetzungen für das Jahr nicht erfüllt werden können. Hier stellte sich bislang für den Netzbetreiber die Frage, ob er gezwungen ist, unterjährig auf die Abrechnung der allgemeinen Netzentgelte umzustellen, um eigene insolvenzbedingte Zahlungsausfälle bei einer späteren Nachforderung von den Kunden auszuschließen.

Der Forderung aus der Industrie, unter bestimmten Voraussetzungen auch auf den Verbrauch 2018 abstellen zu dürfen, ist der Verordnungsgeber dagegen nicht nachgekommen.

Ansonsten finden sich im Kabinettsbeschluss einzelne Neuerungen im Detail:

Weitere (selbstverständliche) Voraussetzung ist, dass die in 2019 angezeigte Vereinbarung rechtmäßig war, um sie auch in 2020 weiter anzuwenden. Neu ist zudem, dass die Neuregelung unter einem beihilferechtlichen Genehmigungsvorbehalt steht. Schließlich ist aus der Verordnungsbegründung neu ableitbar, dass es nur bei der Ermittlung der Voraussetzungen – Jahresbenutzungsdauer und Mindestverbrauch – auf 2019 ankommt. Es gilt nicht das bisherige individuelle Entgelt weiter, sondern die Höhe des 2020 zu zahlenden Netzentgeltes soll sich „unter Zugrundelegung der allgemeinen Netzentgelte des Jahres 2020“ bestimmen.

Weitere Fragen zum Referentenentwurf sind auch im Kabinettsbeschluss offen geblieben. So ist beispielsweise weiterhin unklar, wem gegenüber der Anspruch auf Weitergeltung der Vereinbarung individueller Entgelte bis wann auszuüben ist, also ob und wann die Zugrundelegung der Verbrauchswerte aus 2019 gefordert werden muss.

Saldierung von Transiten

Bislang war nach der Poolingregelung des § 17 Abs. 2a StromNEV umstritten, wie Transite zwischen vorgelagerten und nachgelagerten Netzbetreibern abzurechnen sind. Einzelne vorgelagerte Netzbetreiber vertraten die Auffassung, dass Transitflüsse nicht saldiert werden dürfen, die entnommenen Mengen vollständig mit den normalen Netzentgelten abzurechnen und für die rückgespeisten Mengen lediglich vermiedene Netznutzungsentgelte auszuzahlen seien.

Hierzu enthält die Verordnung eine erfreuliche, ausdrücklich als „Klarstellung“ bezeichnete Ergänzung des § 17 Abs. 2a StromNEV, wonach eine Saldierung von Transitflüssen zulässig ist. Eine Übergangsregelung ist nicht vorgesehen, die Neufassung gilt also grundsätzlich ab Inkrafttreten.

In der Verordnungsbegründung findet sich dagegen der Hinweis, dass die Neuregelung ab 2021 angewendet werden soll. Wie sich dies mit dem vorgesehenen unterjährigen Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung verträgt, ist offen. Offen ist ebenfalls, wie sich die Anwendung ab 2021 zu dem Hinweis verhält, dass es sich um eine bloß klarstellende Regelung handeln soll, eine Saldierung also eigentlich schon immer möglich war.

Der Beschluss wirft zudem einzelne Detailfragen auf: Nach dem Verordnungstext könnte es problematisch sein, wie rückgespeiste Transitmengen von Rückspeisungen aufgrund dezentraler Einspeisung abzugrenzen sind. Bei der Saldierung von Transitflüssen hält der Kabinettsbeschluss am Referentenentwurf fest.

Änderung der Anschlussverordnungen

Schließlich werden die Niederspannungs– und Niederdruckanschlussverordnung (NAV und NDAV) dahingehend geändert, dass bei Vertragsschluss, Anschlussauftrag und Überlassung der Allgemeinen Bedingungen auf die Papierform verzichtet werden kann. Die Neufassung soll der Digitalisierung des Geschäftsverkehrs und der Entbürokratisierung dienen.

Im Einzelnen wird in der NAV und der NDAV das Schriftformerfordernis für den Netzanschlussvertrag in § 2 Abs. 2 N(D)AV gestrichen und auf den schriftlichen Auftrag zur Herstellung des Netzanschlusses in § 6 Abs. 1 N(D)AV sowie auf die Aushändigung der Allgemeinen Bedingungen nach § 4 Abs. 2 N(D)AV in Papierform verzichtet. Letzteres ist nur noch auf ausdrückliches Verlangen des Kunden vorgesehen.

Auch bei den Änderungen der Anschlussverordnungen gibt es keine Abweichungen des Kabinettsbeschlusses vom Referentenentwurf. Es bleibt bei der erfreulichen Vereinfachung des Anschlussprozesses.

Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Stefan Missling/Dr. Thies Christian Hartmann

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