Das Geologiedatengesetz im Bundesrat – Länder melden noch Kritik an

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Am 23.4.2020 wurde wie erwartet vom Bundestag, gegen die Stimmen von Grünen und AfD, das neue Geologiedatengesetz (GeolDG) verabschiedet. Dieses Gesetz verpflichtet diejenigen, die Geologiedaten über den Untergrund gewinnen, diese in weitem Umfang zu dokumentieren und zu veröffentlichen, um vor allem die Suche nach einem Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle möglichst transparent für die Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen (wir berichteten). Dabei traf der Gesetzentwurf bereits nach dem ersten Durchgang im Bundesrat auf einigen Gegenwind und musste besonders im Hinblick auf die Folgen für betroffene Inhaber von Geologiedaten, die beispielsweise dem Geschäftsgeheimnis unterlagen, entschärft werden (wir berichteten). Zwischenzeitlich schien alles glatt zu laufen. Doch dann formierte sich im Bundesrat erneut „grüner Widerstand“. Am morgigen Freitag müsste die Länderkammer entscheiden, ob sie dem Gesetz ebenfalls zustimmt.

Zur Erinnerung: Bei Geologiedaten, die nicht öffentlich gemacht werden, gibt es hinsichtlich der Endlagersuche stets ein Spannungsverhältnis zwischen dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits, insbesondere betroffener Menschen vor Ort, und den Rechten desjenigen an diesen Daten, der sie erhoben hat, andererseits. In der nun vom Bundestag beschlossenen Fassung des GeolDG ist daher in Fällen, in denen der Dateninhaber rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichungsfreigabe seiner jeweiligen Landesbehörde einlegt und diese deshalb (vorerst) nicht jedermann zugänglich gemacht werden können, vorgesehen, dass die Daten nur mit sehr beschränktem Zugriff in einem Datenraum bereitgestellt werden. Zugang hätten hierzu nur Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums (NBG) und fünf von diesem bestellte Experten, die sich praktisch als Vertreter der Öffentlichkeit ein Bild darüber machen, ob die Daten insbesondere rein wissenschaftlich, immer vollständig und in Gänze für die Entscheidung eines möglichen Endlagerstandortes vom Vorhabenträger, der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE), herangezogen und ausgewertet wurden.

Öffentlichkeit durch das GeolDG nicht ausreichend beteiligt

Doch diese Art der Bereitstellung von Geologiedaten via Datenraum und NBG steht nun im Zentrum der grünen Länderkritik: Aus Sicht der Grünen würden die Daten der Industrie zum Nachteil der Bürger geschützt. So bewerten die grünen Minister in der Landesregierung von Baden-Württemberg die Regelungen im verabschiedeten GeolDG im Hinblick auf die Transparenz-Vorgaben des Standortauswahlgesetzes (StandAG) als unzureichend, da diese für eine zu akzeptierende Entscheidung für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle der ,,kategorische Imperativ‘‘ sei – so der grüne Landesumweltminister Franz Untersteller. Alle im Verfahren herangezogenen Daten und nicht nur die daraus abgeleiteten Ergebnisse und Entscheidungen sollen von Bürgern eingesehen werden können. Die eingefügte Vermutungsregelung für 3D-Modelle und die dazu herangezogenen Schichtenverzeichnisse in Verbindung mit der Konstruktion eines Datenraums, zu dem nur das NBG und seine Sachverständigen einen exklusiven Zugang haben sollen, könne einen unabhängigen Zugriff auf geologische Primärdaten nicht ersetzen. Denn ohne eigenen Zugang zu den Daten können sich die Bürger kein ausreichendes Bild darüber machen, warum ein Standort für das Endlager ausgesucht worden ist. Ohnehin schreibt das StandAG Transparenz und Bürgerbeteiligung vor: Die Bürger wollen schließlich vertrauensvoll wissen, was die Köche im Einzelnen in die Suppe getan haben, die sie nachher auslöffeln sollen.

Im Bundesrat wird in der Regel die Mehrheit der 69 Länderstimmen, also 35, benötigt. Da die Grünen in 11 der 16 Bundesländer mit in der Regierung sitzen, hat ihr Wort durchaus Gewicht, sodass das Gesetz samt seinen letzten Änderungen die nötige Mehrheit im Bundesrat möglicherweise also nicht zusammenbekommt. Die Spatzen zwitschern es bereits von allen Dächern, dass sich der zuständige Fachausschuss Umwelt mit großer Mehrheit für die Einsetzung eines Vermittlungsausschusses (VA) ausgesprochen hat.

Der VA – vielleicht noch vom Ringen um das Klimapaket Ende letzten Jahres her bekannt – ist nach Art. 77 Abs. 2 GG ein gemeinsamer Ausschuss des Bundestags und des Bundesrats, in dem miteinander umstrittene Gesetzesvorhaben beraten werden. Im günstigsten Falle steht am Ende ein Kompromiss zwischen Bund (genau genommen Bundestag) und Ländern, der dann erneut vom Bundestag beschlossen werden muss. Das alles ist natürlich auch zeitaufwendig und daher wegen des straffen Zeitplans durchaus problematisch: Schließlich will die zuständige BGE ja bereits im Herbst solche Regionen bekanntgeben, die sich für einen Endlagerstandort nicht eignen – und muss dies wegen des StandAG zur Transparenz und erhoffter Akzeptanz mit stichhaltigen Daten unterlegen. Kurzum: Eine Begründung für Regionen die nach dem Herbst nicht rausfallen und dann auch weiter untersucht werden sollen ohne öffentliche Darlegung aller Daten, weil das GeolDG noch nicht im Bundesgesetzblatt steht, ist eigentlich so nicht vorgesehen und nicht akzeptabel.

Jetzt aber steht noch ein kleines Hindernis dem Schlussspurt im Bundesrat im Weg. Es ist eine schlichte Rechenaufgabe: Für die Einberufung des VA bedarf es einer  Mehrheit der Länderstimmen. Die Länder, in denen ein Koalitionspartner mitregiert, der den VA vielleicht nicht will, müssten sich im Bundesrat enthalten und die Ja-Stimmen für die Anrufung des VA kämen nicht zusammen. Doch es geht noch weiter: Als nächstes würde das Bundesratspräsidium fragen, wer dem Gesetz zustimmt. Wieder käme bei genügend Enthaltungen keine Mehrheit zustande. Ist das Gesetz dann gescheitert? Keine vertrauensvolle, transparente Endlagersuche? Alles im Eimer? Nicht ganz. Sicherlich würde dann die Bundesregierung ihrerseits verlangen, den VA einzuberufen. Oder der Bundestag selbst.

Endlagersuche steht vor weiteren Problemen

Weil es anscheinend mit der Endlagersuche noch nicht kompliziert und dringend genug ist, zeichnet sich bereits das nächste Problem ab: Die bayerische Landesregierung hält bayerisches Granitgestein für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfall für 1 Mio. Jahre nicht für geeignet. Der bayerische Ministerpräsident a.D. und heutige Bundesinnenminister Horst Seehofer hat genau dies auch am Bundeskabinettstisch so vertreten, auch wenn die Eignung des Granits vom zuständigen Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und zugleich von der Bundesumweltministerin Svenja Schulze völlig anders bewertet wird. Schließlich stehen auch noch zwei notwendige Verordnungen des Bundes ins Haus, die möglichst bis Herbst auch noch erledigt werden müssen (siehe StandAG, Verordnungen nach § 26 Sicherheitsanforderungen und nach § 27 Vorläufige Sicherheitsuntersuchungen). Mal abwarten, wie oder ob überhaupt der „Bayerische Granit“ hier in den Verordnungen gewürdigt wird. Seehofer hat es schon als Kabinettsache beantragt und wird dann die Gestaltung der Verordnungen, die im Bundesumweltministerium zu Papier gebracht wurden, am Kabinettstisch sicherlich seinen Kolleginnen und Kollegen sowie der Frau Bundeskanzlerin nochmals erklären müssen. Die Länder werden übrigens zu diesen wichtigen Verordnungen nicht gefragt.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke

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