Erleichterungen des Vergaberechts – beschleunigte Beschaffung in der Coronakrise

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Mit Rundschreiben vom 19.3.2020 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf neue und vor allem akute Beschaffungsnotwendigkeiten aufgrund der Coronakrise reagiert. Das Ministerium hat damit die Vorgaben für sog. Dringlichkeitsvergaben klargestellt, welche die Beschaffung von Gütern und Leistungen deutlich erleichtern.

Mitarbeiter gegen das Virus zusätzlich schützen

Mitarbeiter, die zwangsläufig im Kontakt mit Kunden oder Mitarbeitern anderer Firmen stehen, benötigen umgehend zusätzlichen Schutz gegen das Virus. Oft ist es nicht möglich, die Arbeit einzustellen, da Infrastrukturbetreiber notwendige technische Maßnahmen, insbesondere die Störungsbeseitigung nicht aussetzen können. Im Gegenteil: Die Gesellschaft ist mehr denn ja auf funktionierende Infrastrukturen angewiesen. Und auch die L-Gas-Umstellung erfordert weiterhin Kontakt mit Dritten. Kommunale Verwaltungen können nicht in jedem Fall schließen oder auf Online-Abläufe umstellen. Zum Teil existiert die technische Infrastruktur dafür noch nicht, zum Teil sind die Vorgänge nicht für die digitale Abwicklung geeignet. Das betrifft insbesondere die Arbeit der Ordnungsbehörden.

Atemmasken, Desinfektionsmittel und Einmalhandschuhe sind nur die wesentlichen Hygieneartikel, die umgehend in deutlich erhöhtem Maß benötigt werden. Weiter steigt der Bedarf an zusätzlicher technischer Infrastruktur wie Laptops für das Homeoffice, Mikrophone und Kameras für Online-Meetings, zusätzliche Software für die Verbesserung oder erste Umsetzung digitaler Prozesse rasant, will man die eigene Belegschaft schützen und persönliche Kontakte minimieren.

Konkreter Grund dennoch erforderlich

Das Rundschreiben trat mit Veröffentlichung in Kraft und ist somit bereits anwendbar. Das BMWi bezieht sich dabei auch auf die Mitteilung der Europäischen Kommission vom 9.9.2015 im Zusammenhang mit Auftragsvergaben im Rahmen der Flüchtlingskrise. Damals standen öffentliche Auftraggeber schon einmal vor einer unerwarteten Herausforderung, die bei Anwendung regulärer Vergabeverfahren kaum zu meistern gewesen wäre. Erneut handelt es sich in der aktuellen Situation um genau den Fall, der durch die Regelungen zur Dringlichkeitsvergabe im geltenden Recht klar geregelt ist. Das Rundschreiben gibt wertvolle Hinweise, wie das Vergaberecht in dieser Situation anzuwenden ist.

Die Beschaffung von Gütern und Leistungen, die erfolgen, um die Pandemie einzudämmen und den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten, werden deutlich erleichtert. Das Rundschreiben stellt klar, dass die aktuelle Situation der Ausbreitung des Coronavirus bei Oberschwellenvergaben für diese Fälle die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV bzw. § 13 Abs. 2 Nr. 4 SektVO, unterhalb der Schwellen ggf. § 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO) erlaubt. Fristen können extrem kurz gehalten werden. Die Verhandlung mit nur einem Bieter wird als zulässig angesehen. Dies gilt nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern auch für Vergaben von Sektorenauftraggebern (Netzbetreiber, Wasserversorger sowie Hafen- und Flughafenbetreiber) und bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte.

Zu beachten ist allerdings, dass im Falle solcher Dringlichkeitsvergaben der konkrete Grund für die Dringlichkeit im Vergabevermerk angegeben werden muss. Denn nur dann ist die Wahl der vom BMWi im Rundschreiben angegebenen Verfahrensweisen zulässig. Dabei reicht regelmäßig ein pauschaler Verweis auf die Coronakrise nicht aus. Es bedarf einer Begründung, warum die zu beschaffenden Güter oder Leistungen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Krise bzw. der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs dringlich zu beschaffen sind.

Ansprechpartner: Dr. Roman Ringwald/Dr. Sascha Michaels/Anne K. Rupf

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