Steuerlicher Querverbund als Beihilfe: Verfahren erledigt, Rechtsfragen ungeklärt

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Vergangenen Oktober hat der Bundesfinanzhof (BFH) dem EuGH den steuerlichen Querverbund zur Vorabentscheidung vorgelegt (Az. I R 18/19), der von großer Bedeutung für die Finanzierung von Teilen der Daseinsvorsorge ist. Nun haben die Parteien das konkrete Verfahren beim BFH, das für sehr viel Unruhe in der Stadtwerkebranche gesorgt hat, einvernehmlich beendet. Zwar hat sich damit auch die Vorlage des BFH an den EuGH (Az. C-797/19) erledigt, auf Dauer wird es sich aber nicht vermeiden lassen, die Frage der Beihilfenqualität der Querverbundregeln zu klären.

Das Grundproblem hat sich nämlich keinesfalls erledigt – vielleicht beginnt es jetzt sogar erst. Die Frage der beihilfenrechtlichen Einordnung der Querverbundregeln steht natürlich weiterhin im Raum – auch nach Rücknahme der Revision. Bei den Finanzgerichten ist eine Reihe von weiteren Verfahren zum steuerlichen Querverbund anhängig, ebenso beim BFH (z.B. das Verfahren Az. I R 55/17), in denen jedes Gericht für sich die Beihilfenkonformität zu klären hat. Es ist daher nicht auszuschließen, dass diese Grundfrage dem EuGH durch ein anderes Finanzgericht bzw. durch den BFH erneut vorgelegt wird. Vor allem aber kann die Europäische Kommission selbst jederzeit ein Beihilfenprüfverfahren einleiten, und das ist viel schwerer zu beherrschen als eine Vorlage zum EuGH. Grund hierfür ist allein, dass wir es dann mit einem sog. NN-Verfahren, einer nicht notifizierten, da nicht vorab angemeldeten Beihilfe zu tun haben, bei dem die Kommission an keinerlei Fristen zur Entscheidung gebunden ist – übrigens auch dann nicht, wenn sie eine Aussetzung der beihilfenverdächtigen Finanzierung über den Querverbund anordnet. Aus Erfahrung lässt sich sagen, dass dies Jahre dauern kann.

Gute Gründe für die Beihilfenkonformität

Der Gesetzgeber hat es während des Gesetzgebungsverfahrens im Jahr 2008 versäumt, die Querverbundregeln bei der Kommission zu notifizieren und damit beihilfenrechtlich abzusichern. Der steuerliche Querverbund ist aber von so außerordentlicher Bedeutung für die Finanzierung der gemeinwohlerheblichen, aber dauerdefizitären Einrichtungen wie dem ÖPNV und den Schwimmbädern, dass es an der Zeit ist, sich dieser Frage endlich aktiv zu stellen.

Eine offene Auseinandersetzung anzustoßen, wäre natürlich Unsinn, wenn die Erfolgschancen gering wären. Dem ist aber nicht so. Aus unserer Sicht gibt es sehr gute Argumente, die für Beihilfenkonformität des steuerlichen Querverbunds sprechen.

Die Prüfung der Beihilfenkonformität vollzieht sich stark vereinfacht in drei Schritten:

  1. Als erstes ist zu klären, ob überhaupt eine Beihilfe vorliegt. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV müsste es sich hierfür beim Querverbund um eine Maßnahme handeln, durch die ein Unternehmen einen wettbewerbsrelevanten, selektiv wirkenden Vorteil. Stellt sich die Frage, worin genau ein solcher Vorteil beim steuerlichen Querverbund denn eigentlich liegen soll? ÖPNV und kommunale Schwimmbäder sind und werden auch künftig dauerdefizitär sein, weil es im Interesse der Allgemeinheit liegt, den Zugang zu diesen Einrichtungen sozialverträglich zu bepreisen. ÖPNV und Schwimmbäder sind Teile der Daseinsvorsorge. Daseinsvorsorge kann nicht mit einem kommerziellen Preis versehen werden. Solche Unternehmen sollen im öffentlichen Interesse Verluste machen, und diese sollen auch aus öffentlichen Mitteln ausgeglichen werden können. Dafür gibt es besondere beihilfenrechtliche Legalisierungstatbestände. Beihilfenrechtlich macht es dabei überhaupt keinen Unterschied, ob diese – gerechtfertigten – Ausgleichsleistungen aus allgemeinen Haushaltsmitteln oder aus Steuermitteln kommen.
  2. Unternehmen, die querverbundsrelevante Tätigkeiten ausüben, können davon keinen Vorteil in einem kommerziellen Wettbewerbskontext haben. Die querverbundbegünstigten Unternehmen erfüllen die Aufgabe, wichtige Daseinsvorsorgeleistungen zu finanzieren, die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegen. Solche Dienstleistungen der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, ist eine durch Art. 14 AEUV gedeckte Verpflichtung der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten. Im Rahmen der Selektivitätsprüfung ist der Maßstab der notwendigen Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen in diesem Kontext nicht nur das isolierte Ziel von § 8 Abs. 3 S. 2 KStG, das auf „… alle Kapitalgesellschaften als Wirtschaftsteilnehmer …“ zutrifft. Vielmehr rechtfertigen auch der gesetzgeberische Zweck hinter § 8 Abs. 7 KStG und die Gesamtheit der Rechtsnormen spezifisch die öffentliche Finanzierung von Daseinsvorsorgeaufgaben.
  3. Der Querverbund verschafft den mit Daseinsvorsorgeaufgaben belasteten Unternehmen vor diesem Hintergrund nicht nur keinen Vorteil. Es fehlt vielmehr auch am Tatbestandsmerkmal der Selektivität. Es gibt nämlich keine im Wettbewerb aktiven Konkurrenten, die solche Aufgaben ausführen. Jeder GmbH-Geschäftsführer, der solche Leistungen in seine unternehmerischen Tätigkeiten aufnimmt, würde gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsmannes verstoßen (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG).
  4. Selbst wenn man unterstellt, dass es sich um eine Beihilfe handelt, wäre sie gerechtfertigt. Vorteile sind nicht selten für bestimmte Gruppen von Vergünstigungen oder Wirtschaftssektoren vom Beihilfenverbot freigestellt oder gerechtfertigt. Eine solche allgemeine Rechtfertigung bestimmter Beihilfen enthält insbesondere die Verordnung (EG) 1370 /2007 für den Sektor des öffentlichen Personennahverkehrs. Hieraus können Regeln entnommen und einer Beihilfeprüfung des Querverbundes unterstellt werden. Bei Schwimmbädern hat die Kommission in der Vergangenheit bei rein lokalen Projekten verneint, dass eine Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt und damit bereits eine Beihilfe vorliegt. In Projekten mit grenzüberschreitender Wettbewerbsverzerrung hat sie die Zulässigkeit mit Verweis auf die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung bejaht.
  5. Und erst, wenn sich eine Beihilfe nicht rechtfertigen ließe, wäre zu prüfen, ob ggf. eine sogenannte „Altbeihilfe“ vorliegt, die bereits vor Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur EG im Jahr 1958 bestand und daher legitimiert. Diese letztere Konstruktion erscheint uns diejenige zu sein, die auf tönernen Füßen steht.

Dass der steuerliche Querverbund eine Beihilfe darstellt, ist also keinesfalls ausgemacht. Der Beihilfentatbestand setzt mehr voraus als nur eine ertragsteuerliche Sonderbehandlung. Es ist an der Zeit, den Knoten zu durchschlagen.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Dr. Christian Jung/Meike Weichel

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