Das Ende der Preisparitätsklauseln?

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Die Digitalisierung und das Internet durchziehen rasant und unaufhaltsam alle Bereiche des Privatlebens und der Wirtschaft. Auch im Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Verbrauchern wird die Digitalisierung immer relevanter und stellt das Kartellrecht vor erhebliche systemische Herausforderungen. Das macht es unausweichlich, auf nationaler und europäischer Ebene über grundlegende Reformen nachzudenken (der BBH-Blog berichtete u.a. hier und hier). Aber auch im behördlichen Alltag der Kartellwächter stellen sich zahlreiche Fragen, die mit dem Vormarsch des Internets in die zum Teil noch analoge Welt des Wettbewerbs im Zusammenhang stehen – so zum Beispiel auch diese: Welche Auswirkungen hat das Best-Preis-Verbot auf den Wettbewerb zwischen den Hotelportalen? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein am 28.8.2020 veröffentlichter Beitrag des Bundeskartellamts (BKartA) in der Schriftenreihe „Wettbewerb und Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft“. Darin geht es um die Auswirkungen „enger“ Preisparitätsklauseln im Online-Vertrieb und die Ermittlungsergebnisse aus dem Booking-Verfahren des BKartA.

Was sind überhaupt Preisparitätsklauseln?

Preisparitätsklauseln sind von Intermediären genutzte Internetvertriebsbeschränkungen, die den Anbietern auferlegt werden und ihnen verbieten, ihre Leistungen auf anderen Vertriebskanälen günstiger anzubieten. Umfassende Verbote, die den Vertrieb auf sämtliche verfügbare Vertriebskanäle begrenzen, bezeichnet man als „weite“ Bestpreisklauseln. Bezieht sich die Beschränkung hingegen nur auf einen begrenzten Zugang, spricht man von „engen“ Bestpreisklauseln. Durch solche Abreden wollen Plattformen ihre Stellung als günstigste Anbieter sichern.

Was bisher geschah

In einem vom BKartA geführten Verfahren gegen Booking.com ging es um „enge“ Bestpreisklauseln. Damit verpflichteten sich die Anbieter der auf dem Buchungsportal gelisteten Unterkünfte, diese unter den Konditionen anzubieten, die sie selbst online gestellt haben (Raten und Bedingungsparität), und eine Mindestverfügbarkeit zu gewährleisten.

Das BKartA hielt die „engen“ Bestpreisklauseln für kartellrechtswidrig und untersagte Booking.com daher Ende 2015 diese Praxis. Dieser Ansicht folgte jedoch das OLG Düsseldorf in erster Instanz nicht und entschied Mitte letzten Jahres zugunsten des Hotelportals. Es sah die verwendeten Klauseln als „notwendige Nebenabreden“ in dem Vermittlungsvertrag zwischen dem Portal und den Hotels und erklärte sie für kartellrechtlich zulässig. Das OLG hob somit die Untersagungsentscheidung des BKartA auf. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde des BKartA gegen die Entscheidung des OLG zugelassen. Das Verfahren vor dem BGH dauert bis heute fort, so dass nicht abschließend gerichtlich geklärt ist, ob die „engen“ Bestpreisklauseln von Booking.com rechtswidrig sind.

Das Booking-Verfahren des BKartA

Während das letztinstanzliche Verfahren weiterhin andauert, nutzte das BKartA – veranlasst durch die Entscheidung des OLG Düsseldorf – die Gelegenheit, zu untersuchen, wie sich die Untersagung der Preisparitätsklauseln auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Hotelportalen, das Preissetzungsverhalten der Hotels und das Buchungsverhalten der Verbraucher auswirkt. Im Vordergrund stand die Frage, ob die enge Preisparitätsklausel tatsächlich eine „notwendige Nebenabrede“ darstellt, die erforderlich ist, um eine illoyale Ausnutzung der Vermittlungsleistung von Booking.com durch Partnerhotels zu verhindern.

Die Ermittlungen des BKartA im Zeitraum 2015 bis Sommer 2018 zeigten, dass Booking.com trotz der Beseitigung der „engen“ Preisparitätsklauseln seine Marktstellung mit enormen Zuwachsraten weiter ausbauen konnte. Der Erfolg basiere laut BKartA vor allem darauf, dass der (insgesamt zunehmende) Online-Vertrieb von Unterkünften größtenteils über die Hotelportale verlaufe, und das obwohl viele Hotels mittlerweile selbst die Möglichkeit anbieten, online in Echtzeit zu buchen. Den Ermittlungen zufolge liegt das vor allem daran, dass Nutzer ihre Suchanfragen hauptsächlich auf Hotelportalen starten und von einem weiteren Preisvergleich absehen. Dass bei Fehlen der Preisparitätsklausel sich Nutzer auf dem Hotelportal lediglich informieren, dann aber auf günstigere Preise oder bessere Vertragskonditionen der Hotelseite zurückgreifen („Trittbrettfahren“), ist dem BKartA zufolge quantitativ nicht relevant. Das bedeutet, dass die Verbraucher in aller Regel dort buchen, wo sie das erste Mal auf ein Angebot einer Unterkunft gestoßen sind. Der Verzicht des Nutzers auf einen weitergehenden Preisvergleich führt insgesamt dazu, dass Anbieter von einem Absatz über entsprechende Portale gerade nicht absehen. Dadurch wächst der Erfolg der Hotelportale auch ohne entsprechende Preisparitätsklauseln, die günstigere Angebote auf anderen Kanälen verbieten.

Im Ergebnis zeigen diese und weitere Erkenntnisse aus den Ermittlungen des BKartA, dass Hotelportale nicht zwingend auf „enge“ Preisparitätsklauseln angewiesen sind, um ihre Wettbewerbsstellung zu sichern. So erwartet das BKartA auch im Falle eines fortgesetzten Verzichts auf die enge Preisparitätsklausel keine relevanten Umsatzeinbußen von Booking.com. Somit gebe es nach Auffassung des BKartA keinen weiteren Grund, die Preisparitätsklauseln länger am Leben zu halten. Abzuwarten bleibt nun, inwieweit sich die Ermittlungsergebnisse des BKartA auf das laufende Rechtsbeschwerdeverfahren auswirken und ob die jetzt vorliegenden Erkenntnisse möglicherweise das kartellrechtliche Ende der „Preisparitätsklausel-Ära“ einläuten. Juristisch gesehen bleibt es in jedem Falle spannend. Wirtschaftlich hat die Hotelbranche angesichts der aktuellen Situation aber natürlich noch ganz andere Themen zu bewältigen.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch

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