LAG Düsseldorf: Nach Alter gestaffelter Urlaub ist diskriminierend

Kaum eine Regelung, die Beschäftigte je nach ihrem Alter unterschiedlich behandelt, ist vor dem Antidiskriminierungsrecht noch sicher – ob einzelvertraglich, gesetzlich, tariflich oder per Betriebsvereinbarung. Jetzt hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf die tarifvertragliche Altersstaffelung von Urlaubsansprüchen als diskriminierend gekippt (Urteil vom 18.01.2011, Az. 8 Sa 1274/10): Die Festlegung, dass die Zahl der Urlaubstage mit der der Lebensjahre staffelweise steigt, ist eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters und lässt sich nach Ansicht der Düsseldorfer Richter auch nicht nach § 10 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) rechtfertigen.

In dem entschiedenen Fall ging es um eine 23-jährige Frau, der nach dem Tarifvertrag 34 Urlaubstage zustanden. Ab dem 30. Geburtstag hatte man dagegen Anspruch auf 36 Tage Urlaub. Die Frau klagte und bekam Recht: Jetzt muss sie mit ihren älteren Kolleginnen und Kollegen gleichbehandelt werden und kann sich über zwei zusätzliche Urlaubstage freuen.

Der Düsseldorfer Richterspruch liegt ganz auf der Linie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH): Dieser hatte im Januar 2010 bekanntlich die deutsche Regelung, bei der Bemessung der Kündigungsfrist Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahrs unberücksichtigt zu lassen, wegen Altersdiskriminierung gekippt. (Rs. C-555/07)

Auch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Ingrid Schmidt hat erst vor wenigen Wochen öffentlich deutlich gemacht, dass sie angesichts der steigenden Bedeutung des Antidiskriminierungsrechts eine besondere Aufgabe des BAG darin sieht, alle arbeitsrechtlichen Regelungen auf eine Benachteiligung wegen Alters zu überprüfen.

Das bedeutet: Es reicht nicht länger, die eigenen Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen auf mögliche Verstöße gegen das Antidiskriminierungsrecht hin abzuklopfen. Auch auf die vermeintlich „wasserdichten“ gesetzlichen und tariflichen Regelungen mit Diskriminierungspotenzial ist kein Verlass mehr. Hier müssen Gesetzgeber und Tarifpartner tätig werden, wollen sie nicht weitere solche Überraschungen wie die vor dem LAG Düsseldorf erleben.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Bernd Günter

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