Neue Leitlinien des Bundeskartellamts: Mehr Klarheit für Kartellbeteiligte
Am 11.10.2021 hat das Bundeskartellamt (BKartA) neue Leitlinien für das Kronzeugenprogramm und für die Bußgeldzumessung in Kartellverfahren veröffentlicht. Für die Praxis der Kartellverfolgung sind die Leitlinien wichtig, auch wenn das BKartA für mehr Rechtssicherheit bei der Schadensermittlung (wir berichteten) hätte sorgen können.
Neues Bußgeldrecht, neue Leitlinien
Das BKartA kann Kartelle, die häufig erst durch Kronzeugen aufgedeckt werden, mit einem Bußgeld ahnden. Vor der Pandemie verhängte das BKartA allein im Jahr 2019 die Rekordsumme von rund 646 Mio. Euro an Strafzahlungen.
Mit der 10. GWB-Novelle (wir berichteten) hat der Gesetzgeber für das kartellrechtliche Bußgeldrecht einige Neuerungen eingeführt. Unter anderem werden nun Compliance-Maßnahmen bei der Bußgeldzumessung mildernd berücksichtigt. Außerdem hat er das Kronzeugenprogramm, das bislang auf allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen beruhte (sog. Bonusregelung), erstmalig im Gesetz verankert.
Nun hat das Amt Leitlinien einerseits zum Kronzeugenprogramm und andererseits zur Bußgeldzumessung veröffentlicht, um die geltende Gesetzeslage zu erläutern und die Verfahren zu konkretisieren (vgl. auch das Merkblatt zum Kronzeugenprogramm). Das zeigt einerseits, welch hohen Stellenwert das BKartA der Prävention von Kartellen zumisst und andererseits, wie sehr es auf das Kronzeugenprogramm angewiesen ist, um Kartelle zu verfolgen.
Es bleibt bei Schadenstypisierungen
Auf den ersten Blick mögen Privilegierungen im Rahmen der Bußgeldzumessung den Strafzwecken zuwiderlaufen. Letztlich kommt es aber auch Kartellgeschädigten zugute, wenn Kartelltäter sich über die Folgen ihres kartellrechtswidrigen Verhaltens im Klaren sind und Anreize haben, sich legal zu verhalten bzw. ihr illegales Verhalten aufzudecken. Kartellschadensersatzansprüche ohne ein kartellbehördliches Verfahren (sog. Stand-alone-Klage versus Follow-on-Klage) geltend zu machen, ist ohnehin mit großen Nachweisproblemen verbunden.
Wünschenswert wäre allerdings gewesen, wenn das BKartA bei der Bußgeldzumessung noch weitgehender den verursachten Schaden berücksichtigen und hierzu gerichtlich interpretierbare Feststellungen treffen würde. Sowohl für Kartellbeteiligte als auch Kartellopfer ergäbe sich mehr Rechtssicherheit. Das BKartA geht dagegen von einem typisierten Gewinn- und Schadenspotential in Höhe von 10 Prozent des Umsatzes aus, der während der Dauer des Kartellverstoßes tatbezogen erzielt wurde.
Im Ergebnis sind die neuen Leitlinien aber zu begrüßen. Die Neuerungen lassen nach Aussage des BKartA keine wesentliche Veränderung des Bußgeldniveaus erwarten.
Ansprechpartner*innen: Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch/Dr. Anna Lesinska-Adamson
PS: Sie interessieren sich für aktuelle kartellrechtliche Entwicklungen, dann schauen Sie hier.