Auf dem Weg zum freien Handel mit Amerika? Und was geht das China an?

Schon seit langem lag es in der Luft und nun macht man sich offenbar auf den Weg: Am Mittwoch den 13.2.2013 kündigten US-Präsident Barack Obama und der Präsident des Europäischen Rates Herman van Rompuy und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso an, dass sie nun tatsächlich die Gespräche für ein transatlantisches Freihandelsabkommen aufnehmen würden. Gerade die EU hatte ein Abkommen zur Regelung der bilateralen Handelsbeziehungen schon lange gefordert. Zwar sind USA und EU als Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) ohnehin zu niedrigen Zöllen verpflichtet, gerade für Industriegüter. Beispielsweise für die Einfuhr von Chemieprodukten in die USA werden 2,5 Prozent Zoll fällig – allerdings haben eben diese 2,5 Prozent der US-Staatskasse 2010 rund 700 Mio. Euro eingebracht. Nicht verwunderlich also, dass die Industrie die Eröffnung der Verhandlungen ausdrücklich begrüßt hat.

Noch mehr Schwierigkeiten als die Zölle machen europäischen Unternehmen aber, dass die Standards in den USA unterschiedlich sind und dass sie nur begrenzt Zugang zu öffentlichen Aufträgen haben. Letzteres  geht auf die  Zeiten der Weltwirtschaftskrise in 1933 zurück, als Präsident Herbert Hoover den „Buy American Act“ unterzeichnete, nach dem die Regierung in den USA hergestellte Produkte als Grundsatz bevorzugen muss. Ähnliche Gesetze gibt es auch auf Ebene der Bundesstaaten. Das kostet europäische  Unternehmen lukrative Aufträge. Nur über bestimmte bilaterale Abkommen wie das US-Israel Free Trade Agreement oder das US-Canada Free Trade Agreement gab es hier Öffnungen. Auf globaler Ebene, im Agreement on Government Procurement (GPA) von 1996 der WTO, ist der Buy American Act ausdrücklich ausgeschlossen.

EU-Handelskommissar Karel de Gucht will entsprechend in den Verhandlungen erreichen, dass künftig in allen Ebenen des öffentlichen Auftragswesens mit gleichem Maß gemessen wird.

Das Problem der uneinheitlichen Standards dahingegen verursacht je nach Industriebranche bis zu 20 Prozent Extrakosten, laut Angaben der Kommission. Daher will man hier in der Zukunft schon von Anfang an bei der Regulierung Probleme vermeiden. Dies ist gerade im Zusammenhang mit der Elektromobilität ein Thema. Hier wollen die EU und die USA gemeinsam noch mit Japan einheitliche Technikstandards vorantreiben, um den Handel zu erleichtern.

Ein inoffizieller, aber dennoch viel genannter Grund für ein solches Handelsabkommen ist die permanent erstarkende Marktposition Chinas. EU-Kommissar De Gucht erklärte zwar, der Start der Verhandlungen habe nichts mit dem chinesischen Wachstum zu tun, und man wolle dieses nicht stoppen. Ökonomen spekulieren dennoch, dass die Entwicklungen in China und anderen Schwellenländern, wie Indien und Brasilien, eine Rolle spielten in der Entscheidung. Sowohl in den USA als auch in Europa sind in letzter Zeit bekanntlich vermehrt Beschwerden über Dumping-Produkte gerade aus China aufgekommen. So würden etwa chinesische Solarmodule zu Preisen  unterhalb der Produktionskosten vermarktet.

Dumping ist jedoch  auch in anderen Bereichen ein heikles Thema, und zwar auch was US-Produkte in Europa betrifft. Die EU hat im vergangenen Jahr die Einfuhrzölle für Bioethanol aus den USA angehoben, die zum Ausgleich bestehender Subventionen angewandt wurden. Der zuständige  EU-Antidumping-Ausschuss, in dem die Mitgliedsstaaten vertreten sind und dem die Kommission vorsitzt, hat kürzlich beschlossen, die „Antidumpingzölle“ aufrecht zu erhalten und so Bioethanol aus den Vereinigten Staaten für die nächsten fünf Jahre mit 9,6 Prozent zu besteuern. Andersherum ist jedoch die Europäische Landwirtschaft stark subventioniert, was den oft wettbewerbsfähigeren Produkten aus den USA den Marktzugang erschwert.

Auch herrscht schon seit Jahren ein wahrer Handelsstreit um die unterschiedlichen Standards, gerade im Lebensmittelbereich. Die EU weigert sich,  hormonbehandeltes Rindfleisch aus den USA zu importieren, was durch ein Schiedsgericht der WTO als Protektionismus verurteilt wurde und den USA nun erlaubt, Strafzölle auf Schokolade zu erheben. Umgekehrt wollen die USA partout keinen französischen Rohmilchkäse importieren, wegen der möglicherweise darin enthaltenen Keime.  Der EU-Handelskommissar appellierte diesbezüglich an beide Seiten, sich kompromissbereit zu zeigen. Zwar würde man in manchen empfindlichen Sektoren schwierigere Verhandlungen führen müssen, doch es sollte kein Sektor prinzipiell ausgeschlossen bleiben. Und er erinnerte ausdrücklich daran, dass ein Scheitern der Verhandlungen keine Option sei.

Deutschland ist bei den Verhandlungen um ein Abkommen mit den USA besonders aufmerksam und vorsichtig, da es kein Interesse hat, seine Handelsbeziehungen mit Asien und insbesondere China zu gefährden. China selbst setzt auf Freihandelsabkommen und hat entsprechende Vereinbarungen etwa mit der ASEAN, Chile, Pakistan, Neuseeland, Singapur und Peru.

Vielleicht empfiehlt es sich zu erkunden, warum die Schweiz 2006 die Verhandlungen mit den USA um ein Freihandelsabkommen offiziell abgebrochen hatte und stattdessen derzeit weit voranschreitet mit einem Abkommen mit der Volksrepublik China. Gescheitert waren  die Verhandlungen der Schweiz  damals eben genau an den Forderungen der USA, den Agrarsektor mit ihrem besonderen Interessenanspruch in das Abkommen miteinzuschließen. In der Schweiz gab es aber heftigen Widerstand gegen einen Abbau des „Grenzschutzes“ für die Landwirtschaft. Dies wird auch in Europa kaum anders sein.  Vielleicht sollte man auf die Leitung  der Amerikanischen Handelskammer (AmCham) in Deutschland hören, die  riet, den Agrarsektor ganz vom Freihandelsvertrag auszunehmen.

Insgesamt erhofft man sich von dem Deal auf EU-Seite jährlich rund 0,5 Prozent Wirtschaftswachstum bis 2027, das heißt umgerechnet in etwa 86 Mrd. Euro; die USA rechnen für sich mit 0,4 Prozent. In diesen schwierigen Zeiten für die Wirtschaft, wo alle Welt von Währungskriegen raunt, Grund genug, das Projekt mit einem strammen Zeitplan anzugehen.

Die Europäische Kommission will den Mitgliedsstaaten bereits in der zweiten Märzhälfte einen Verhandlungstext vorlegen, auf dessen Basis dann schnellstmöglich die eigentlichen Verhandlungen losgehen sollen.  In den USA steht noch die Zustimmung des Kongresses aus.  Insgesamt scheint Karel de Gucht trotz der Tatsache, dass es sich wohl um das weltweit größte Abkommen dieser Art handeln wird und die Verhandlungen sicherlich nicht einfach werden, zuversichtlich, noch vor Ablauf der Amtszeit der derzeitigen Kommission im Herbst 2014, die Gespräche abschließen zu können. Die Mitgliedsstaaten hatten auf der letzten Versammlung der Staats- und Regierungschefs bereits zugesagt, die ambitionierten Pläne zu unterstützen.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet

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