Neukalkulation der Fernwärmepreise kann Ärger ersparen
Die aktuellen Untersuchungen der Fernwärmepreise durch die Wettbewerbsbehörden sorgen in der Wärmebranche für Aufsehen (wir berichteten). Derzeit überprüft das Bundeskartellamt (BKartA) zahlreiche Preismodelle auf ihre kartellrechtliche Zulässigkeit und untersucht, ob Hinweise auf ein missbräuchliches Verhalten der Fernwärmeunternehmen bestehen. Tatsächlich sind Preise oft nach ungeeigneten Methoden kalkuliert, was zu erheblichen Schwierigkeiten bei der sachlichen Rechtfertigung führen kann.
Im Idealfall sollte ein Preissystem immer die aktuelle Kostenlage reflektieren sowie transparent für den Kunden und für den Anbieter sein. Dies klingt zunächst selbstverständlich – ist es für viele Versorger jedoch nicht. Transparenz lässt sich besonders bei der Wärmeerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung nur schwer herstellen, denn die fixen und variablen Kosten müssen ursachengerecht auf die Produkte Strom und Wärme verteilt werden. Werden dabei keine oder ungeeignete Allokationsmodelle verwendet, kann es unter Umständen zu deutlichen Kostenverschiebungen kommen, was eine Preisformel letztlich juristisch angreifbar machen kann. Ein Preissystem sollte außerdem robust gegenüber der Marktvolatilität sein. Es sollte sich immer am Kunden orientieren, da es schließlich das Bindeglied zwischen ihm und dem Produkt bildet. Mit einer Analyse der Kundenstruktur und somit des Verbrauchsverhaltens lassen sich dabei wichtige Erkenntnisse zur Optimierung des ursprünglichen Preissystems gewinnen.
Um feststellen zu können, ob ein aktuelles Preissystem unbedenklich ist oder ob es zumindest teilweise neu kalkuliert werden sollte, ist zunächst die Erfassung der Kostenstruktur erforderlich. Ergibt die Kostenanalyse Hinweise auf Unstimmigkeiten zwischen Kosten und Einnahmen, kommt man nicht umhin, die Preise neu zu kalkulieren.
Mögliche Verfahren der Kartellbehörden sollten aber nicht der einzige Grund für eine Neukalkulation der Fernwärmepreise sein, denn ein kostenorientiertes Preissystem dient auch dazu, wirtschaftliche Unternehmensziele zu erreichen. Eine Preisneukalkulation leistet einen nachhaltigen Beitrag zu mehr Kostentransparenz, identifiziert unbeabsichtigte oder ungünstige Kostenverschiebungen zwischen Kostenträgern und bietet damit eine Grundlage für die Optimierung der Verrechnungspreise. Gleichzeitig kann der Kunde hierdurch die Preisentwicklung besser nachvollziehen. Eine Neukalkulation erweist sich aber nur dann als dauerhaft von Vorteil, wenn alle methodischen und vor allem rechtlichen Anforderungen berücksichtigt werden.
Die Neukalkulation des Preissystems muss aufgrund der hohen Komplexität strukturiert ablaufen. Zunächst müssen die Kosten aller relevanten Wertschöpfungsstufen – Übertragungsnetze, Beschaffung, Erzeugung und Vertrieb – identifiziert werden.
Die Erfassung der Wärmenetzkosten ist aufgrund der klaren Systemabgrenzung relativ unproblematisch. In diesem Zusammenhang stellt sich vielmehr die Frage, nach welcher Methode die Netzkosten und die kalkulatorischen Positionen bewertet werden sollen. Aufgrund fehlender regulatorischer Richtlinien sind hier verschiedene Ansätze denkbar.
Im Rahmen der Brennstoffbeschaffung ist die verfolgte Einkaufsstrategie eine ganz wesentliche Stellschraube, die die Brennstoffkosten erheblich beeinflusst. Hier muss der Fernwärmeversorger genau abwägen, mit welcher Strategie er die Kosten möglichst gering halten kann. Hinzu kommt, dass ab der dritten Handelsperiode (2013 bis 2020) die Fernwärme auch an den CO2-Kosten beteiligt ist. Im ersten Jahr werden noch 80 Prozent der Zertifikate kostenlos zugeteilt und fallen linear bis 2020 auf 30 Prozent. Dieser Umstand sollte bei der Kostenkalkulation und Preisanpassung berücksichtigt werden, da die CO2-Kosten zukünftig einen signifikanten Einfluss auf die Gesamtkosten haben können.
In Deutschland werden auf dem Privatkundenmarkt rund 80 Prozent der Fernwärme in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen erzeugt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Brennstoffkosten verursachungsgerecht auf die Produkte Wärme und Strom zu verteilen. Solch eine Zuschlüsselung erfolgt in der Regel anhand von Allokationsmodellen. Je nach Methodik werden durch Berücksichtigung wirtschaftlicher, technischer oder thermodynamischer Faktoren die Kosten möglichst sachgerecht auf die Produkte verteilt. Da es zahlreiche Varianten gibt, gestaltet sich die Auswahl des „richtigen“ Modells aber als sehr schwierig. Grund hierfür sind die sehr unterschiedlichen Bewertungsansätze für die Produkte Wärme und Strom. Außerdem müssen nicht nur die Kosten der Brennstoffe zugeschlüsselt werden. Das Kraftwerk und dessen Betrieb bzw. die Kapital- und Investitionskosten sowie die Betriebskosten müssen ebenfalls auf die Sparten Wärme und Strom aufgeteilt werden.
Grob lassen sich diese Modelle in die Kategorien technische Eigenschaften, thermodynamische Eigenschaften und wirtschaftliche Eigenschaften einteilen:
- Allokationsmodelle nach technischen Anlageneigenschaften basieren auf dem Wirkungsgrad des Kraftwerks und berücksichtigen seinen Auslegungszustand.
- Die auf die thermodynamischen Eigenschaften abstellenden Methoden berücksichtigen insbesondere die ungleiche energetische Güte der Produkte Wärme und Strom.
- Allokationsmodelle, die auf ökonomischen Gesichtspunkten basieren, hängen stark mit dem Strompreis und mit den Stromgestehungskosten zusammen.
Aufgrund der teilweise sehr andersgearteten Ansätze führen diese Modelle zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen. Grundsätzlich sollte bei der Auswahl des Modells daher vor allem die unternehmensinterne Erzeugungsstruktur sowie die strategische Ausrichtung des Produkts Wärme berücksichtigt werden.
Das letzte Puzzle-Teil eines jeden Preissystems ist die Preisanpassungsformel. Prinzipiell müssen Preisgleitklauseln mit den Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV vereinbar sein. Demnach müssen Preisanpassungen einerseits kostenabhängig erfolgen (Kostenelement), sich andererseits aber an den „Verhältnissen auf dem Wärmemarkt“ orientieren (Marktelement). Hier den im jeweiligen Einzelfall richtigen Weg zu finden, ist bisweilen knifflig.
Generell gilt: In einem Markt, der unter kartellrechtlicher Beobachtung steht, sollte ein Preissystem regelmäßigen internen Audits unterzogen werden. Rechtliche Unsicherheiten lassen sich dadurch schnell identifizieren und beheben. Bei einer standardisierten Vorgehensweise bleibt der erforderliche Aufwand dafür auch überschaubar.
Ansprechpartner: Marcel Malcher/Stefan Wollschläger