Abwasserwärme als wichtiger Baustein für die Wärmewende
Nicht nur Erdwärme aus der Geothermie ist eine wichtige Energiequelle: Nach demselben Prinzip kann auch die im Abwasser enthaltenen Restwärme als Energiequelle genutzt werden und bietet daher viel Potenzial für die Wärmewende. Auf diese Weise lassen sich Gebäude, Gebäudekomplexe, ganze Quartiere oder Wärmenetze umweltfreundlich mit Wärme versorgen. Wärme aus Abwasser kann zugleich einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung leisten.
Abwasserwärme ist erneuerbare Wärme
Nachdem bereits die Stromerzeugung im Zusammenhang mit der Energiewende umfassend aus- und umgebaut wurde, rückt nun zunehmend die Dekarbonisierung im Wärmesektor in den Fokus von Politik und Gesellschaft (sog. Wärmewende). Mit der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sowie des Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG) wurde die Umsetzung der Wärmewende durch den Gesetzgeber vorangetrieben.
Die Länder – und mittelbar die Kommunen – sind nach dem WPG verpflichtet, Wärmepläne aufzustellen. Für die Bestandsanalyse sollen dabei insbesondere auch Daten zu Kläranlagen erhoben werden, die für die Abwasserwärmenutzung relevant sind, sowie Informationen zu Abwassernetzen mit einer Mindestnennweite von DN 800. Die Daten aus der Bestandsanalyse nach § 15 WPG sollen im nächsten Schritt in die Potenzialanalyse nach § 16 WPG einfließen. Das WPG hebt die Abwasserwärme explizit als erneuerbare Wärmequelle hervor.
Dieses Wärmepotenzial bleibt heute zumeist noch ungenutzt. Dabei könnte die Abwasserwärme – und zwar ganzjährig – einen erheblichen Beitrag zur Wärmewende leisten.
Ganzjähriges Wärmepotenzial
Auch und gerade in den Wintermonaten bietet Abwasserwärme ein erhebliches Potenzial – gut sichtbar am Beispiel der Gullideckel, die auch bei starkem Schneefall aufgrund der Wärme des Abwassers in der Regel nicht zuschneien oder vereisen. Abwasser weist – je nach Messlokation – ganzjährig Temperaturen zwischen 10 und 24 °C auf. Während das Abwasser in der Immobilie noch eine relativ hohe Temperatur hat, nimmt die durchschnittliche Temperatur über das Kanalnetz bis hin zur Kläranlage in der Tendenz ab. Aber selbst am Ablauf der Kläranlage – dann bereits in gereinigtem Zustand – hat das Abwasser noch ausreichend Wärme, die durch einen Wärmetauscher genutzt werden können.
Wärme aus der Immobilie, der Kanalisation oder der Kläranlage
Abwasserwärmekonzepte können daher für alle Stufen des Wasserkreislaufs eingesetzt werden: in der Immobilie selbst, im Kanalnetz, in Quartierslösungen oder in der Kläranlage. Damit die Wärme auch effektiv genutzt werden kann, braucht es stets eine gewisse Mindestmenge. Zu den technischen Anforderungen veröffentlicht die DWA eine Arbeitshilfe mit dem Merkblatt DWA M-114. Der Schwerpunkt wird darin auf die Wärmegewinnung aus Abwasserleitungen und -kanälen gelegt.
Finanzielle Förderung für die Abwasserwärmenutzung
Die Investition in Wärmetauscher, Wärmepumpe und ggf. die Anbindung an ein Wärmenetz ist kapitalintensiv. Eine Wärmepumpe ist notwendig, um die Wärme aus dem Abwasser auf das technisch notwendige Wärmeniveau eines Wärmenetzes oder aber für die Gebäudeversorgung zu heben. Die Wärmepumpe kann deutlich effizienter arbeiten, wenn die Abwasserwärme eingebunden wird.
Für die Investitionskosten bestehen verschiedene Fördermöglichkeiten, die sich nach Bundesland, Kommune oder Landkreis stark unterscheiden. Auf Bundesebene ist hier die „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze“ (BEW) zu nennen. Diese sieht für Wärmepumpen nicht nur eine Investitionskostenförderung, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Betriebskostenförderung vor. Für die Betriebskosten sind insbesondere die Strombezugskosten für die Wärmepumpe und sonstige elektronischen Komponenten von Bedeutung. Hier sollte eine finanzielle Förderung über die Stromsteuer (durch eine Stromsteuerbefreiung nach § 9 StromStG oder eine Stromsteuerentlastung wie z. B. nach § 9b StromStG) geprüft werden. Das Energiefinanzierungsgesetz sieht in § 22 bereits eine Befreiung von der KWKG- und der Offshore-Netzumlage für Wärmepumpen vor (die allerdings immer noch unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Genehmigung steht). Über eine direkte Anbindung einer Stromerzeugungsanlage (ohne Netznutzung) können zudem alle netzseitigen Belastungen wie Netzentgelte und Umlagen eingespart werden.
Eine alternative Förderung ist möglich, wenn die Abwasserwärme mit einer Kraft-Wärme-Kopplung ergänzt und dadurch zu einem sog. „innovativen KWK-System“ (iKWK-System) wird. Die gesetzliche Definition des iKWK-Systems in § 2 Nr. 9a KWKG greift die Nutzung von Wärme aus dem gereinigten Wasser von Kläranlagen explizit auf. Je nach elektrischer Leistung der KWK-Anlage ist entweder eine Förderung des iKWK-Systems als solches im Wege der Ausschreibung oder eine Förderung der KWK-Anlage mit einem zusätzlichen Bonus für innovative erneuerbare Wärme (sog. iKWK-Bonus) möglich.
Abwasserwärmenutzung rechtlich absichern
Wie das Potenzial der Abwasserwärme genau genutzt werden kann, sollte vertragsrechtlich und satzungsrechtlich abgesichert werden. Bei der vertraglichen Ausgestaltung bestehen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten, je nachdem, ob der (Ab-)Wasserverband oder der Immobilieneigentümer selbst die Abwasserwärme als Wärmequelle nutzen will („insourcing“), oder aber ob sie dafür einen externen Partner hinzuziehen („outsourcing“). Die Wärme kann entweder verkauft oder aber dezentral am Ort der Wärmerzeugung genutzt werden. In der Outsourcing-Lösung kann auch die Verpachtung ein attraktives Gestaltungsmodell sein. In sämtlichen Fällen sollten die wechselseitigen Rechte und Pflichten vertragsrechtlich klar definiert sein.
Setzt der kommunale Verband das Abwasserwärmekonzept um, muss er einige rechtlichen Anforderungen beachten; etwa ob die Tätigkeit im Bereich der Abwasserwärmenutzung nach dem jeweiligen Satzungsrecht zulässig ist. Ferner ist zu bewerten, ob und in welchem Maße Kosten (oder entsprechende Erträge) eine Auswirkung auf die wasserrechtliche Gebührenkalkulation haben. Viele landesrechtlichen Gebührenvorschriften sehen hier nur rudimentäre Regelungen vor, die im Einzelfall auszulegen sind.
Schließlich kann die Abwasserwärmenutzung ertrag- und umsatzsteuerliche Folgen haben, die man unbedingt im Blick behalten sollte. Wird die gehobene Wärme an Dritte verkauft, müssen Verantwortliche nach § 2b UStG prüfen, ob die Abwasserwärmenutzung ein bloß hoheitliches Hilfsgeschäft oder aber eine unternehmerische Tätigkeit darstellt. Dabei ist die gewählte Gestaltung im Einzelfall zu bewerten
Ansprechpartner:innen Wasserwirtschaft: Daniel Schiebold/Martin Dell/Carolin Mießen
Ansprechpartner:innen Wärmewirtschaft: Ulf Jacobshagen/Dr. Heiner Faßbender/Johanna Riggert
PS: In diesem Zusammenhang könnte Sie auch unser Webinar „Abwärme – Rechtliche Pflicht und Chance für einen nachhaltigen Energieeinsatz“ am 20.11.2024 um 9 Uhr interessieren.