Auswirkungen der Corona-Krise auf die Preisentwicklung am Energiemarkt – ein Gespräch mit Torge Wendt von Nordgröön

© Nordgröön

In unserem Blog haben wir zum einen über die internationalen Auswirkungen der Corona-Pandemie in Italien, Großbritannien und Spanien berichtet. Zum anderen haben uns Vertreter der Kommunalwirtschaft (hier und hier) eindrucksvoll geschildert, wie sie auf die aktuellen Herausforderungen in der Daseinsvorsorge reagieren. Auch die Auswirkungen auf einzelne Rechtsgebiete und Branchen haben wir genau verfolgt. Heute möchten wir uns mit dem Thema Preisentwicklung am Energiemarkt beschäftigen und sprechen darüber mit Torge Wendt, dem Geschäftsführer des Erneuerbare-Energien-Dienstleisters und virtuellen Kombikraftwerkbetreibers Nordgröön.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Wendt, der Börsenpreis für Strom ist infolge der Corona-Pandemie gesunken. Der Kommentar der Verbraucher: Prima, billiger Strom ist doch was Gutes?

Wendt: In einer Welt ohne Umlagen und Preisbesicherungen ist diese Aussage aus Verbrauchersicht richtig. Wenn dieser Vorteil aufgrund von Fix-Preisen und langfristigen Handelsgeschäften nicht weitergegeben werden kann, kommt das allerdings beim Kunden leider nicht an. Hinzu kommt, dass das EEG-Umlagekonto wegen des niedrigen Preises nicht ausreichend gefüllt werden kann. Als Resultat wird die Rechnung für den Verbraucher nicht günstiger, sondern sogar teurer.

BBH-Blog: Welche Auswirkungen hat die Preisentwicklung auf die Erzeuger und Versorger?

Wendt:  EE-Erzeuger haben das Problem, dass ihre Kraftwerke bei solch niedrigen Preisen keinen Strom mehr produzieren können. Damit wird es z.B. schwieriger, Anlagen weiterzubetreiben, die zum Jahresende aus dem EEG fallen. Noch ein anderer Fokus ist das Geschäft von Energieversorgern. Solange die Preisentwicklung nicht, wie im Corona-Fall, mit Verbrauchsrückgängen einhergeht, ist dies zunächst unproblematisch. Der Verbraucher zahlt den vereinbarten Preis an den Lieferanten und die Rechnung geht auf. Im aktuellen Corona-Szenario gab bzw. gibt es eine Reihe von Firmen, die ihre Produktion eingestellt haben und dementsprechend keine Mengen mehr abnehmen. Die Folge ist, dass die langfristig beschaffte Energie nun am Kurzfristmarkt zu „Spot(t)-Preisen“ abverkauft werden muss. Die Verluste können dabei in die Millionen gehen. Man kann also sagen: Das, was auf den ersten Blick gut aussieht, ist nicht gut für den Markt.

BBH-Blog: Die Bundesregierung hat mit dem Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen, dass die EEG-Umlage zum 1. Januar 2021 für die Verbraucher reduziert werden soll. Ist dieses Vorhaben überhaupt noch realisierbar aufgrund der aktuellen Entwicklung?

Wendt: Das ist aus meiner Sicht zwingend notwendig. Anderenfalls erwartet den Letztverbraucher im kommenden Jahr eine ordentliche Umlagenerhöhung. Die erwartete Höhe liegt je nach Analyse zwischen 8 und 12 ct. Damit wird das EEG wieder Gegenstand einer Grundsatzdiskussion werden.

BBH-Blog: Kann eine weitere Erhöhung der EEG-Umlage überhaupt noch verhindert werden – und wenn ja: wie?

Wendt: Es gibt ja politische Vorstöße, die EEG-Umlage bspw. auf 2 ct zu deckeln und die Restsummen über den Haushalt zu finanzieren. Diese Idee findet grundsätzlich meine Zustimmung, wobei ich eine vollständige Streichung der Umlage und die Finanzierung über den Staatshaushalt noch mehr begrüßen würde. CO2-Einnahmen gegen die EEG-Umlage laufen zu lassen, wäre ein weiteres interessantes Instrument nach dem Motto „CO2 zahlt für EEG“. Man könnte auch Altanlagen, die von einer hohen Förderung profitierten, aus der EEG-Umlage herausrechnen und diese über den Haushalt finanzieren.

BBH-Blog: Auch für die Flexibilisierung des Strommarktes etwa durch Demand-Response-Maßnahmen spielt die Höhe der Umlagen auf den Strompreis eine Rolle. Wie dramatisch ist die Situation hier?

Wendt: Eine mögliche Flexibilisierung des Abnahmeverhaltens steht immer im Zusammenhang mit einem optimierten Strombezugspreis. Wenn der Strompreis sehr niedrig ist, können wirtschaftliche Potentiale aufgrund der Umlagen nicht gehoben werden. Die Beispiele sind vielschichtig und reichen von Pumpspeichern, über Batterien bis hin zu Power2Gas, Power2Heat, Power2X. Aber auch Entscheidungen im Lastverhalten von Letzverbrauchern sind direkt betroffen. Wären die Umlagen umgekehrt niedrig oder gar bei Null, entstünde direkt eine Fülle neuer Geschäftsmodelle.

BBH-Blog: Können Sie uns ein Beispiel geben, wie sich eine höhere Umlage auf die Flexibilisierung auswirkt?

Wendt: Liegt der Energiepreis durch Flexibilisierung bei 1 bis 2 ct,  also 2 bis 3 ct niedriger als im normalen Mittel, so frisst die erwartete erhöhte Umlage dies mehrfach auf. Selbst wenn dies bspw. staatlich kompensiert würde, entspricht die Ersparnis von 2 bis 3 ct bei einem Gesamtpreis inklusive Umlagen von 32 ct/kWh gerade mal um die 4 Prozent der Gesamtkosten. Ohne Umlagen wäre die Ersparnis übrigens um die 50 Prozent.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Wendt, herzlichen Dank für das Gespräch.

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