„Mit Tempo in die Tiefe (Teil 2)“: Ausbautempo, Trinkwasserschutz und andere Baustellen

Das Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) will mit dem im Sommer vorgestellten „Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Geothermieanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeichern sowie weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen (GeoWG-E)“ den Ausbau von Geothermieanlagen erheblich beschleunigen. Neben dem neuen Stammgesetz, dem GeoWG-E, sind Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG), dem Bundesberggesetz (BBergG) und der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geplant.

In der Sache ging es seither voran: Der Bundesrat hat zum Gesetzesentwurf – nunmehr der offizielle Gesetzesentwurf der Regierung – Stellung genommen, der Bundestag wiederum hat sich dazu geäußert. Auch die Sachverständigenanhörung fand kürzlich (am 04.11.2024) statt. Es ist allerdings offen, ob der Entwurf des GeoWG noch vor der zu erwartenden Auflösung des Bundestags beschlossen wird.

RÜCKBLICK: WESENTLICHE INHALTE DES GESETZENTWURFS

Die wichtigsten Vorschläge des Gesetzentwurfs sind – in aller Kürze – die folgenden Punkte: Die Errichtung und der Betrieb einer Anlage im Sinne des GeoWG-E soll – zumindest bis die Netto-Treibhausgasneutralität 2045 erreicht wird – im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegen (§ 4 GeoWG-E). Als „Anlagen“ erfasst der GeoWG-E Anlagen zur Nutzung tiefer und oberflächennaher Geothermie, Wärmepumpen und Wärmespeicher (§ 2 GeoWG-E). Zudem wird bestimmt, dass eine (privatrechtlich abwehrfähige) wesentliche Beeinträchtigung eines Nachbargrundstücks vorliegt, wenn durch eine Veränderung der Untergrundtemperatur von mehr als 6 Kelvin die bestehende oder konkret geplante Nutzung des Nachbargrundstücks unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird (§ 7 GeoWG-E).

Im Übrigen erleichtert das kürzlich beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz IV schon die Nutzung von Geothermie: Erdwärme aus Teufen von weniger als 400 m ist kein (bergfreier) Bodenschatz im Sinne des BBergG, sodass oberflächennahe Geothermie ohne Bergbauberechtigung (und ohne Betriebsplan) aufgesucht und gewonnen werden kann.

STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES

Der Bundesrat hat am 18.10.2024 Stellung genommen. Er begrüßt grundsätzlich das Ziel der Bundesregierung, die Genehmigungsverfahren für Geothermieanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeicher zu beschleunigen, befürchtet jedoch Beeinträchtigungen insbesondere des Grundwasserschutzes als einer für die Versorgungssicherheit elementaren Trinkwasserressource.

Deshalb fordert der Bundesrat, dass die Festlegung des überragenden öffentlichen Interesses nicht zu einer Abwägung zu Lasten des Trinkwasserschutzes führen dürfe. Ebenso kritisiert er mit Hinweis auf die regionalen Unterschiede im Grundwasserflurabstand die pauschale Vermutungsregelung der geplanten Ergänzung von § 49 Abs. 1 WHG. Danach sollen die Errichtung, der Betrieb und die Modernisierung von Erdwärmekollektoren außerhalb von Wasserschutzgebieten bis zu einer Tiefe von vier Metern keine nachteiligen Auswirkungen auf die Grundwasserbeschaffenheit haben, so dass Kollektoren auch bei einem Grundwasserflurabstand von weniger als vier Metern erlaubnisfrei wären.

Bundesrat sieht Klarstellungsbedarf

Außerdem sieht der Bundesrat Klarstellungsbedarf hinsichtlich der Regelung des § 7 GeoWG-E. Sowohl der Ort, an dem die Temperaturbeeinflussung zu messen sei, als auch die Konstellationen, für welche die Grenze von sechs Kelvin gelte, solle präzisiert werden. Auch Sachverständige in der Anhörung haben diese Regelung aus unterschiedlichen Gründen kritisiert und ihre Streichung gefordert.

Der Bundesrat schlägt weiter vor, Wärmepumpen, die Oberflächengewässer nutzen, anders als grundwassergespeiste (Groß-)Wärmepumpen, ganz aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes auszuschließen. Veränderungen in der Gewässertemperatur könnten potenziell schädlich sein und müssten daher je nach Wasserkörper sorgfältig bewertet werden. Im BBergG solle in § 4 Abs. 9 S. 2 klargestellt werden, dass auch wasserbasierte Wärmespeicher ab einer Teufe von 400 m einen Untergrundspeicher darstellten und somit – anders als nach geltender Rechtslage – vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst seien. Für Aquifer-Wärmespeicher (ATES) verlangt der Bundesrat eine Klarstellung, dass auch diese als Untergrundspeicher im Sinne von § 4 Abs. 9 BBergG einzuordnen seien, um bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.

Außerdem schlägt der Bundesrat in seiner Stellungnahme (allerdings unkonkrete) Anpassungen der TA Lärm und AVV Baulärm vor, um die Durchführung von seismischen Untersuchungen – insbesondere für mitteltiefe und tiefe Geothermie – immissionsschutzrechtlich zu erleichtern.

Schließlich will der Bundesrat den § 21 Standortauswahlgesetz (StandAG) dahingehend ändern, dass die Einvernehmenserklärung des BASE erst ab einer Teufe von 200 m notwendig sein solle. Dadurch könne vermieden werden, dass Antragsteller lediglich Bohrungen bis 100 m durchführten, um dieses Erfordernis zu umgehen. Dadurch bleibe bisher ein erhebliches geothermisches Potenzial ungenutzt.

GEGENÄUSSERUNG DER BUNDESREGIERUNG

In ihrer Stellungnahme Ende Oktober stimmt die Bundesregierung dem Bundesrat in mehreren Punkten nicht zu. Insbesondere teilt sie die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich des Trinkwasser- und Nachbarschutzes nicht.

Die Festlegung des überragenden öffentlichen Interesses für die Errichtung und den Betrieb von Geothermieanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeicher würde nicht den Trinkwasserschutz gefährden, da dieser bereits durch das von § 12 Abs. 1 WHG vorgegebene Prüfprogramm hinreichend gewährleistet sei. Eine Gefährdung sei auch durch die geplante Ergänzung des § 49 Abs. 1 WHG nicht zu befürchten, da das von einem Erdwärmekollektor in dieser (geringen) Tiefe ausgehende Risiko für den Wasserhaushalt insgesamt gering sei.

Ebenso sieht die Bundesregierung kein Bedürfnis, die Regelung des § 7 GeoWG-E zu präzisieren. Die Regelung lege klar fest, dass die 6-Kelvin-Regel sich auf den Bereich anderer Grundstücke insgesamt beziehe.

Überdies sieht die Bundesregierung kein Erfordernis, das StandAG anzupassen. Zum einen stehe der Vorschlag des Bundesrats nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem geplanten Gesetz, zum anderen erarbeite die Entsorgungskommission aktuell eine Stellungnahme zu möglichen Änderungen in der Standortsicherung mit dem Ziel, das Standortauswahlverfahren und die Nutzung des geologischen Untergrundes zu harmonisieren.

Den Vorschlag des Bunderats, Wärmespeicher in § 4 BBergG aufzunehmen, begrüßt die Bundesregierung hingegen. Auch die Fristenregelung in dem neu gefassten § 127 Abs. 2 BBergG, die der Bundesrat für zu widersprüchlich hielt, will die Bundesregierung noch einmal prüfen.

AUSBLICK

Es wird spannend, wie der Gesetzgeber die Kontroversen um den Trinkwasser- und Nachbarschutz lösen wird. Die verschiedenen Ansichten von Bundesrat und Bundesregierung spiegeln jedenfalls die Diskussion wider, die auch in Fachkreisen geführt wird. Klar ist allerdings auch: Sollten die Verfahrenshürden nicht abgebaut werden, wird die Erdwärmenutzung nicht in dem notwendigen Tempo ausgebaut werden können.

Ansprechpartner:innen: Andreas Große/Dr. Heiner Faßbender/ Sina Jakob/ Samira Hentschel

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