BGH: Strom- und Gaslieferung nach Insolvenzeröffnung begründet keine Forderung gegen den bisherigen Kunden

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Wer zahlt, wenn der Kunde insolvent wird, aber immer noch Strom und Gas bezieht? Auf diese Frage suchen die Energieversorger seit langem eine Antwort. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun darüber zu entscheiden (Az. IX ZR 146/15), ob die Eigentümerin eines vermieteten Wohngebäudes dem örtlichen Versorgungsunternehmen weiterhin Entgelte für Strom und Gas schuldete, obwohl über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet war.

Der BGH stellt zunächst klar, dass es sich bei Entgeltforderungen für die Belieferung mit Strom oder Gas nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht um Insolvenzforderungen handelt, die man lediglich zur Insolvenztabelle anmelden kann. Wer haftet dann aber für die Versorgungsentgelte – die insolvente Kundin mit ihrem insolvenzfreien Vermögen, die Mieter oder der Insolvenzverwalter?

Natürlich können auch (Neu-)Gläubiger während des laufenden Insolvenzverfahrens Forderungen, die nach Verfahrenseröffnung entstehen, gegen den Schuldner unmittelbar geltend machen. Denn ein Schuldner ist, sofern er wie die Kundin des Versorgers eine natürliche Person ist, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gehindert, Verträge abzuschließen und damit neue vermögensrechtliche Verpflichtungen zu begründen. Dies spräche für eine Haftung der Kundin.

Das Versorgungsunternehmen hatte aber mit der Kundin keinen neuen Versorgungsvertrag geschlossen. Der BGH arbeitet in seinem Urteil vom 25.2.2016 heraus, dass das Versorgungsunternehmen seine Leistung nicht aufgrund einer neuen Vereinbarung mit der Kundin an diese, sondern aufgrund des vor Insolvenzeröffnung geschlossenen (alten) Versorgungsvertrages an die Insolvenzmasse erbracht hatte. Erbringt jemand bei einem beidseits nicht (vollständig) erfüllten Vertrag – in Kenntnis der Insolvenzeröffnung – vertragsgemäß seine Leistung an die Insolvenzmasse, ohne den Insolvenzverwalter aufzufordern, sein Wahlrecht nach § 103 InsO auszuüben, kann daraus eine auf diesem ursprünglichen Vertrag beruhende Neuverbindlichkeit gegen den Schuldner nicht entstehen, und zwar auch dann nicht, wenn der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung später ablehnt.

Wird Strom und Gas an ein zur Insolvenzmasse gehörendes, vollständig an Dritte vermietetes Grundstück geliefert, dann liegt darin nach Ansicht des BGH keine an den Schuldner gerichtete Realofferte des Versorgungsunternehmens zum Abschluss eines aus dem insolvenzfreien Vermögen zu erfüllenden Vertrages. Empfänger der Realofferte ist typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Dies muss nicht der Eigentümer selbst, sondern kann auch eine andere Person sein, etwa der Mieter oder Pächter des Grundstücks. Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont richtet sich insoweit die Realofferte nicht an den Schuldner persönlich, sondern entweder an den Insolvenzverwalter oder an die Mieter. Die Kundin war also haftungsrechtlich aus dem Schneider.

Die irrtümliche Vorstellung des Versorgers, seine Leistung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung nach den Regelungen über die Grund- oder Ersatzversorgung an die bisherige Kundin zu erbringen, kann an diesem Ergebnis nichts ändern. Vor diesem Hintergrund ist auch die Übersendung einer Vertragsbestätigung des Versorgers an die Kundin rechtlich irrelevant.

Versorgungsunternehmen sind mithin gut beraten, unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden den Insolvenzverwalter aufzufordern, von seinem Wahlrecht gemäß § 103 InsO Gebrauch zu machen. Der Verwalter hat sich dann unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung des noch nicht vollständig erfüllten Versorgungsvertrages verlangen will (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO). Unterlässt er dies, kann er auf Erfüllung des Vertrages nicht mehr bestehen (§ 103 Abs. 2 Satz 3 InsO). Entscheidet er sich für die Erfüllung, tritt er gleichsam in den mit dem Schuldner geschlossenen Vertrag ein. Der Anspruch auf Bezahlung der Entgelte für die Versorgung richtet sich infolgedessen gegen die Masse.

Wissen, wem gegenüber Ansprüche bestehen, ist die Basis dafür, seine Forderungen auch durchsetzen zu können. Dies ist dann die Sache des Forderungsmanagements. BBH übernimmt seit über 25 Jahren das Forderungsmanagement für ihre Mandanten. Um den Service in diesem Bereich weiter zu optimieren, hat BBH das Mandanteninformationssystem einem Relaunch unterzogen: Seit dem 2.5.2016 steht die Online-Auskunft unter www.bbh-foma.de zur Verfügung.

Ansprechpartner: Oliver Eifertinger/Markus Ladenburger/Steffen Lux

 

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