BMF schränkt Stromsteuerbefreiung für dezentrale EEG-Anlagen massiv ein

Das Bundesfinanzministerium (BMF) will der Stromsteuerbefreiung für dezentrale EEG-Anlagen den Garaus bereiten – das ist (leider) kein Aprilscherz. In kurzer Folge veröffentlichte das BMF in der vergangenen Woche zwei Schreiben (vom 23.3.2015, Az. III B 6 – V 4250/05/10003 und vom 25.3.2015, Az. III B 6 – V 4250/05/10003 :004), welche die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG in der Praxis massiv einschränken. Faktisch ist das Ergebnis dieser beiden Schreiben, dass in einer Vielzahl von Fällen für Strom aus EEG-Anlagen keine Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG mehr geltend gemacht werden kann – jedenfalls nach Auffassung des BMF!

Was ist passiert?

Ausgangspunkt sind die beiden letzten Änderungen der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV):

  • Seit dem 1.8.2013 gilt die Regelung in § 12b Abs. 4 StromStV, wodurch die Leistungsbeziehungen bei § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG restriktiv gefasst wurden. Diese Regelung ist Gegenstand des ersten BMF-Schreibens vom 23.3.2015. Insbesondere stellt das BMF seine Auffassung zu den – seit anderthalb Jahren – offenen Fragen dar, ob bzw. wann bei dezentralen Erzeugungsanlagen die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 b StromStG neben den Fördermöglichkeiten nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) bzw. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geltend gemacht werden kann (wir berichteten).
  • Bereits am 30.9.2011 ist die Regelung in § 12b Abs. 2 StromStV in Kraft getreten, wonach verschiedene Stromerzeugungseinheiten an unterschiedlichen Standorten als eine Anlage gelten (Verklammerung), wenn sie zum Zweck der Stromerzeugung zentral gesteuert werden und der erzeugte Strom zumindest teilweise in das Versorgungsnetz eingespeist werden soll. Diese Regelung und die Einordnung von Fernsteuereinrichtungen nach §§ 35, 36 EEG sind Gegenstand des zweiten BMF-Schreibens vom 25.3.2015.

Die Befreiung von der Stromsteuer wird grundsätzlich gewährt, wenn Strom aus einer Anlage mit einer elektrischen Nennleistung bis 2 MW im räumlichen Zusammenhang zum Selbstverbrauch oder durch einen unmittelbar belieferten Letztverbraucher entnommen wird. Beide Regelungen in § 12b StromStV können aber zu einer Einschränkung der Stromsteuerbefreiung führen.

Welche Auffassung vertritt das BMF zu den Leistungsbeziehungen?

Insbesondere wenn der Strom nach dem EEG veräußert wird, folgt bereits aus dem ersten BMF-Schreiben eine Einschränkung der Steuerbefreiung. Im Einzelnen:

  • Für KWKG-geförderte Anlagen kann die Stromsteuerbefreiung im Regelfall geltend gemacht werden; entweder weil nur der KWK-Zuschlag beansprucht und der Strom nicht an den Netzbetreiber verkauft oder weil der Strom vom Netzbetreiber zurückgekauft wird (§ 4 KWKG). Dies ist bereits seit dem BMF-Erlass vom 31.5.2010 (Az. III B 6 – V 4250/05/10003) anerkannt und wurde erneut klargestellt.
  • Wer EEG-Strom im Markprämienmodell selbst an Kunden im räumlichen Zusammenhang direkt vermarktet (regionale Direktvermarktung), erfüllt grundsätzlich ebenfalls die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. Allerdings lauert hier ein anderer Fallstrick: die durch das EEG 2014 vorgeschriebene Fernsteuerbarkeit von direktvermarkteten EEG-Anlagen führt nach dem zweiten BMF-Schreiben womöglich dazu, dass die Anlagen zusammengenommen den Schwellenwert von 2 MW überschreiten (hierzu sogleich).
  • Sofern der EEG-Anlagenbetreiber die Direktvermarktung (vollständig) auf einen Direktvermarkter (Dritten) übertragen hat, ist eine weitere Person in die Leistungsbeziehung eingebunden und die Stromsteuerbefreiung damit nicht mehr möglich. Dass die Neuregelung in § 12b Abs. 4 Satz 1 StromStV dies zur Folge haben könnte, war bereits abzusehen; dies wurde nun ausdrücklich vom BMF bestätigt.
  • Offen war bislang, ob Betreiber von Anlagen, welche die EEG-Einspeisevergütung in Anspruch nehmen, ebenfalls die Stromsteuerbefreiung geltend machen können. Es sprach einiges dafür, dass die Neuregelung in § 12b Abs. 4 Satz 2 StromStV gerade dies bestätigt. Doch das sieht das BMF jetzt anders. Die Steuerbefreiung ist in diesem Fall nicht mehr möglich. Grund hierfür ist, dass der Strom an den Netzbetreiber ohne Rückkaufsmöglichkeit verkauft werden muss, weil der Netzbetreiber den Strom nach dem EEG-Ausgleichsmechanismus an den Übertragungsnetzbetreiber weiter veräußern muss. Damit läuft allerdings die Regelung in § 12b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StromStV ins Leere, da die Voraussetzungen niemand erfüllen kann. Vor allem dies ist die neue (und etwas überraschende) Aussage des BMF.

Das wesentliche Argument des BMF besteht darin, dass die Leistungsbeziehungen über den in der Anlage erzeugten Strom in einer geschlossenen Beteiligtenkette kaufmännisch-bilanziell nachvollziehbar sein müsse. Grundsätzlich dürften keine weiteren als die in § 9 Abs. 1 Nr. 3 b StromStG genannten Personen an dieser Leistungsbeziehung beteiligt sein. Wird (ausnahmsweise) der Strom an den Netzbetreiber verkauft, müsse er vom Netzbetreiber zurückgekauft werden.

Das BMF vertritt zudem die Auffassung, dass die vorgenannte Einordnung auch für die Vergangenheit gilt – und zwar nicht nur vor Veröffentlichung dieses Schreibens, sondern auch vor Inkrafttreten des § 12b Abs. 4 StromStV. Es handele sich bei der Neuregelung in § 12b Abs. 4 StromStV und dem vorliegenden BMF-Erlass (nur) um eine Klarstellung.

Und was meint das BMF zur Fernsteuerbarkeit und Verklammerung von Anlagen?

Hintergrund ist, dass das EEG 2014, das seit 1.8.2014 gilt (wir berichteten), erstmals eine Verpflichtung zur sog. Fernsteuerbarkeit von EEG-Anlagen normiert. Während die Fernsteuerbarkeit unter dem EEG 2012 optionale Bedingung für eine Erhöhung der Förderung in der Direktvermarktung war, können alle nach Inkrafttreten des EEG 2014 in Betrieb genommenen EEG-Anlagen die Marktprämie nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie mittels technischer Einrichtungen durch den Anlagenbetreiber, den Direktvermarkter (oder eine andere Person, an die der Strom veräußert wird), ferngesteuert werden können (§§ 35 Nr. 2, 36 Abs. 1 EEG 2014). Über die technischen Einrichtungen soll – wie für das Einspeisemanagement zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität – zum einen die jeweilige sog. „Ist-Einspeisung“ abgerufen und zum anderen die Einspeiseleistung ferngesteuert reduziert werden können. Dabei gilt die Übergangsvorschrift des § 100 Abs. 1 Nr. 5 EEG 2014: Diese Voraussetzungen gelten ab dem 1.4.2015 auch für alle direktvermarktenden Bestandsanlagen (wir berichteten), die vor Inkrafttreten des EEG 2014 in Betrieb gegangen sind.

Das BMF zitiert aus der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des EEG, wonach durch die Fernsteuerbarkeit sichergestellt werden soll, dass die direkt vermarkteten Anlagen entsprechend der jeweiligen Marktlage, insbesondere den Preisen am Spotmarkt der Strombörse, gefahren werden. Auf gerade eine solche zentrale Steuerung ziele § 12b Abs. 2 StromStV ab.

Wie sind die Aussagen des BMF zu bewerten?

Es bestehen teils erhebliche rechtliche Bedenken nicht nur gegen die neuen Aussagen des BMF, sondern bereits gegen die Neuregelungen in § 12b Abs. 2 StromStV und § 12b Abs. 4 StromStV. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Verordnungsgeber und das BMF hier Gesetzgeber spielen möchten und versuchen, die Stromsteuerbefreiung im Hinblick auf die mit der Energiewende verbundenen Entwicklungen im Erzeugungsbereich einzugrenzen. Dies dürfte aber unzulässig sein.

Schwer nachvollziehbar ist auch die Aussage, dass es sich bei den Schreiben – entgegen der ständigen Verwaltungspraxis jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung zum 1.8.2013 – nur um Klarstellungen handelt und damit auch die Vergangenheit betroffen ist. Man muss aber sehen, dass die aktuellen Schreiben zwar die Hauptzollämter binden, aber generell keine verbindliche Gesetzesauslegung sind, sondern nur die Auffassung des BMF wiedergeben.

Schließlich ist noch festzustellen, dass die BMF-Schreiben nicht alle offenen Fragen beantwortet. Da sich das erste Schreiben ausdrücklich nur auf die Belieferung von Letztverbrauchern im räumlichen Zusammenhang bezieht, stellt sich die Frage, wie die Regelungen für den begünstigten Eigenverbrauch anzuwenden sind. Im zweiten Schreiben spricht das BMF nur abstrakt davon, dass „die Fernsteuerbarkeit“ eine zentrale Steuerung sein soll. Unklar ist, ob auch der Betreiber (und/oder Eigentümer) der Anlage identisch sein muss und/oder derselbe Unternehmen die Befugnis zum Abruf der Einspeisung im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 2 EEG haben muss. Dies muss im Einzelfall geprüft werden.

Was bedeutet dies für die Praxis?

Da das EEG 2014 die geförderte Direktvermarktung in Form der Marktprämie als Regelfall vorsieht und eine Veräußerung im Wege der Einspeisevergütung nur noch für Kleinanlagen (§ 37 EEG 2014) bzw. unter erheblicher Absenkung der Vergütung (§ 38 EEG 2014) möglich ist, hat die Auffassung des BMF zur Fernsteuerbarkeit eine erhebliche praktische Relevanz. Auch im Fall der regionalen Direktvermarktung kann nach Auffassung des BMF keine Steuerbefreiung mehr geltend gemacht werden, wenn die Gesamtnennleistung der über die Fernsteuereinrichtungen verklammerten Anlagen die 2-MW-Grenze überschreitet.

Allen Anlagenbetreibern ist eine sorgfältige Prüfung zu raten, ob und in welchem Umfang sie Risiken durch die neue Rechtsentwicklung ausgesetzt sind – sowohl für die Vergangenheit als auch mit Blick auf die aktuellen Jahressteueranmeldungen. Auch eine Umstellung der Fördermodelle sollte unter Umständen überlegt werden. Nach wie vor bietet das Modell der regionalen Direktvermarktung denkbare Optionen zur Wahrung der Stromsteuerbefreiung.

Ansprechpartner BBH: Daniel Schiebold/Andreas Große/Niko Liebheit
Ansprechpartner BBHC: Marcel Malcher/Roland Monjau

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