Bund-Länder-Energiegipfel zum EEG im Kanzleramt – „Sternstunde des Föderalismus?“

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Geht es nach einem der Teilnehmer des Bund-Länder-Energiegipfels, dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, erhält das Treffen am vergangenen Dienstagabend den Stempel eines „politischen Meisterwerks“ . In diese politische Lobeshymne stimmten neben weiteren Landesvätern und -müttern auch der Bundeswirtschaftsminister sowie – nicht zuletzt – unsere Bundeskanzlerin ein. Und so sind sich Bund und Länder einig: Das vorrangige Ziel der EEG-Novelle, den Anstieg der Stromkosten durch die EEG-Umlage zu begrenzen, kann mit dem jetzt verhandelten Stand des Referentenentwurfs erreicht werden. Befindet sich die EEG-Novelle nach dem Energiegipfel im Kanzleramt also auf Kurs (wir berichteten)? Die Industrie, Verfechter der Energiewende, Verbände, Stromkunden und weitere Betroffene werden dazu unterschiedlicher Meinung sein. Wir berichten zu den Ergebnissen.

Worum ging es?

Zur Erinnerung: Am Dienstagabend wurde eine Reihe von Punkten des EEG-Referentenentwurfes näher diskutiert. Im Fokus länderspezifischer Interessenlagen standen die neuen Zubaugrenzen für Biomasse- und Windenergieanlagen (On- wie Offshore), die Fördersätze für Windenergie (Offshore und Onshore für „schlechte“ Windstandorte), die Eigenerzeugung von Strom, die bislang von der Zahlung der EEG-Umlage befreit war (wir berichteten), die besondere Ausgleichsregelung für stromintensive Unternehmen (wir berichteten ebenso) sowie nicht zuletzt die Stichtagsregelung des EEG zum 22.1.2014.

Was kam heraus?

1.    Für die EE-Strom-Erzeuger?

Die Onshore-Windenergie profitiert auf den ersten Blick doppelt. Zum einen wurde der Zubaudeckel „aufgeweicht“. Ein Austausch bestehender Anlagen durch neue – das sog. Repowering – soll auf den jährlichen Ausbaupfad von 2,5 GW nicht mehr angerechnet werden. Aus einer „Brutto“- wurde somit eine „Netto“-Lösung. Betrachtet man zum Vergleich den gesamten Wind-Onshore-Zubauwert des vergangenen Jahres und zieht davon die Repowering-Fälle ab, würde sich dadurch ein kleiner Spielraum für weitere gänzlich neue Anlagen öffnen. Das Repowering dürfte aber erst mittelfristig richtig an Fahrt aufnehmen, wenn nämlich mehr und mehr der älteren Anlagen aus den späten 1990er Jahren ersetzt werden können. Dann greift aber möglicherweise auch schon das neue Ausschreibungsmodell, das – nicht ganz unbedrohlich – am Horizont aufzieht (wir hatten ebenfalls berichtet). Dessen Auswirkungen für Windenergieanlagen – insbesondere Zusatzkosten und investitionshemmende Zusatzrisiken – wurden hier offenbar ausgeblendet.

Zum anderen soll die Vergütungshöhe an „schlechten“ Onshore-Windstandorten steigen – der sog. Referenzertragswert wird entsprechend angepasst. Ein Zubau könnte sich damit also ggf. auch an „schlechteren“ Standorten im Binnenland rechnen. Spannend dürfte die Frage sein, wie sich das künftige Design der Onshore-Windenergieanlagen entwickeln wird, um die gesetzlichen Förderbedingungen optimal ausnutzen zu können – setzt man wieder mehr auf Masse („viel Strom bei viel Wind“) statt Klasse („Strom auch bei schwächerem Wind“) bei den Anlagen?

Die Offshore-Windenergie erhielt ebenfalls Zugeständnisse: Es bleibt grundsätzlich beim Ausbaukorridor von 6,5 GW bis 2020. Der Ausbauspielraum wurde jedoch durch eine „Überbuchungsoption“ von 1,2 GW (Puffer), deren Einzelheiten noch durch einen gesetzlichen Mechanismus geregelt werden sollen, auf insgesamt 7,7 GW erweitert. Die Vergütungshöhe soll weniger stark sinken als zunächst geplant, von derzeit 19 Ct/kWh auf nunmehr 18 Ct/kWh (statt den zuvor diskutierten 17 Ct/kWh).

Wenn die Windenergie die beschriebenen „Bonbons“ erhält, kann die Biomasse nicht völlig leer ausgehen. Zwar bleibt der jährliche Zubau auf 100 MW „gedeckelt“. Erweiterungen bestehender Anlagen – auch im Wege der Flexibilisierung – sollen auf diesen Wert aber nicht angerechnet werden. Über das, was Horst Seehofer für die bayerische Biomassebranche möglicherweise an weiteren Verbesserungen aushandeln konnte, ist bislang Folgendes bekannt:

  • Fest steht wohl, dass der bei Bestandsanlagen bestehende Formaldehydbonus aus Bestandsschutzgründen uneingeschränkt fortbestehen und nicht – wie der ursprüngliche EEG-Entwurf noch vorsah – nach fünf Jahren entfallen soll.
  • Weiter sickerte durch: Die Hälfte der kolportierten Kompromisskosten sollen allein auf die Biomasse-Zugeständnisse entfallen. Für die Zukunft der Stromerzeugung aus Biomasse haben sich die schlechten Vorzeichen aber trotz allem wohl nicht durchgreifend zum Guten geändert. Das Ausmaß des „angehobenen“ Deckels bzw. die Verbesserung bei den zulässigen Einsatzstoffen bleiben zu prüfen.
  • Um die Anreize für eine zielgerichtete Netzentlastung bei Biogasanlagen zu erhalten, werden der Vorschlag einer Teilstilllegung und die damit verbundene Vergütungskürzung nicht weiter verfolgt. Die bestehende Flexibilitätsprämie für Bestandsanlagen wird – wie in schon Meseberg beschlossen – beibehalten. Die EEG-Umlage soll aber hierdurch nicht um mehr als 0,07 Ct/kWh steigen.

Apropos Kosten: Insgesamt soll die EEG-Umlage nach den Kompromissen, die es in der Verhandlungsrunde gab, nach Aussage des Bundeswirtschaftsministers im Jahr 2020 um 0,2 Ct/kWh höher ausfallen als ohne Zugeständnisse. Bleibt zu hoffen, dass die Glaskugel nicht beschlagen war und der Wert von 0,2 Ct deutlich zu erkennen, als Herr Gabriel den Blick wagte! Oder ist doch mit einer größeren Steigerung zu rechnen?

2.    Für die Eigenversorger?

Wie man hört, ist das Grundanliegen weiterhin, sämtlichen existierenden Eigenversorgungsanlagen Bestandsschutz gegen die Belastung mit der vollen EEG-Umlage zu gewähren. Wenn dies so ist, ist allerdings fraglich, warum als Voraussetzung für eine Befreiung von Bestandsanlagen nunmehr kumulativ verlangt wird, dass ein räumlicher Zusammenhang zwischen Verbrauchsstelle und Stromerzeugungsanlage besteht und der Strom nicht durch ein Netz der allgemeinen Versorgung durchgeleitet wird (wir berichteten). Diesem Widerspruch will der Bund aber nun – so wird berichtet – nachgehen.

Bei den künftig stärker belasteten Neuanlagen zeigt man sich zufrieden, dass die Bagatellgrenze die Einfamilienhäuser ausnimmt. Ansonsten prüft das Justiz- und Verbraucherschutzministerium derzeit wohl noch, ob und wie stark die technologische Unterscheidung (Besserstellung der KWK und EE-Anlagen gegenüber konventionell betriebenen Anlagen) verfassungsrechtlich möglich oder gar nötig ist.

3.    Für die stromintensive Industrie?

Große Unsicherheit herrscht auch nach dem Bund-/Ländertreffen bei der besonderen Ausgleichsregelung. Grund dafür sind natürlich auch die aktuellen Verhandlungen mit der Europäischen Kommission (wir berichteten): Der Bundeswirtschaftsminister versucht sich – zuletzt am gestrigen Mittwoch vergeblich – hier weiter anzunähern, um dramatische Auswirkungen auf den Industriestandort Deutschland zu verhindern.

Wie geht es nun weiter?

Auch wenn sich die Teilnehmer des Bund/Länder-Gipfels in der Öffentlichkeit durchweg zufrieden mit den Ergebnissen des Treffens zeigten, blieben einige Streitpunkte ungeklärt. Neben den genannten Prüfaufträgen, die auf dem Gipfel identifiziert wurden, sei hier vor allem noch die Stichtagsregelung für die Anwendung des neuen Rechts auf nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) oder sonstigen Bundesrecht genehmigungs- oder zulassungsbedürftige Anlagen erwähnt (wir berichteten). An den Plänen, die neue Rechtslage schon dann zur Anwendung zu bringen, wenn die entsprechende Genehmigung nicht bis zum 22.1.2014 erteilt wurde, konnten die Länder bislang nicht erfolgreich rütteln.

Eigentlich will das Bundeskabinett am 8.4.2014 über den vorliegenden Entwurf abstimmen. Die Europäische Kommission legt allerdings möglicherweise erst am 9.4.2014 ihre neuen Beihilfeleitlinien (wir berichteten) vor. Nun werden deren Inhalte aber mit Spannung erwartet, denn sie dürften sich auch auf die Ausgestaltung der künftigen Befreiungsmöglichkeiten stromintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage auswirken. Ob der ohnehin ambitionierte Zeitplan für die EEG-Novelle dadurch ins Wanken gerät, bleibt abzuwarten. Immerhin haben die Länder fast einhellig angekündigt, auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses im Bundesratsverfahren zu verzichten.

Ansprechpartner: Dr. Martin Altrock/Prof. Dr. Ines Zenke/Jens Vollprecht/Dr. Dörte Fouquet

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