Der E.ON-RWE-Deal auf dem Prüfstand: ein politisches oder rechtliches Thema?

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In einer rein politischen Welt müsste jeder Interessenkonflikt immer politisch entschieden werden, wäre also immer eine Frage von aktuellen Meinungsbildern und Machtverhältnissen. Je nach politischem System würden Konflikte mal so und mal so gelöst. Dies zu vermeiden und damit zugleich für Stabilität, Ordnung und Vorhersehbarkeit zu sorgen, ist Aufgabe des Rechts. Recht als Idee wirkt also entlastend und stabilisierend. Dabei kann jeder sein Leben in der Erwartung führen, dass sich die anderen auch an die Rechtsregeln halten. Für die Prüfung der richtigen Anwendung des Rechts bzw. bei Streitigkeiten darüber stehen wiederum Gerichte bereit. Das gilt für das Eigentum genauso wie für Verkehrsregeln oder Lebensmittelsicherheit – oder aber für das Wettbewerbsrecht, das einen freien und unverfälschten Wettbewerb zwischen Unternehmen gewährleisten soll.

Wenn nun die beiden größten deutschen Energiekonzerne einen Deal miteinander schließen, dann ist das demnach zunächst ein wettbewerbsrechtliches Thema. Denn der Deal wird besiegeln, dass E.ON sich endgültig aus der Erzeugung zurückzieht und RWE ihre Vertriebs- und Netzaktivitäten abgibt. Faktisch teilen beide Konzerne die energiewirtschaftliche Wertschöpfungskette zwischen sich auf und beenden die Konkurrenz untereinander.

Die Europäische Kommission und das deutsche Bundeskartellamt (BKartA) haben die verschiedenen Transaktionselemente nach europäischem bzw. deutschem Fusionskontrollrecht geprüft und das Vorhaben letztlich freigegeben (wir berichteten). Diese Entscheidungen können gerichtlich angegriffen werden. Und genau das ist auch passiert. Beim Europäischen Gericht sind diverse Klagen von Wettbewerbern gegen die Freigabe anhängig, mit der RWE gestattet wurde, das Erzeugungsgeschäft bei sich zu bündeln.

Dieser – zunächst rechtliche – Vorgang wurde jüngst aber um ein politisches Element angereichert.  Das Handelsblatt hat am 24.9.2020 berichtet, dass die Bundesrepublik Deutschland einen Antrag auf Zulassung zur Streithilfe gestellt hat. Die Bundesregierung möchte also in dem europäischen Gerichtsverfahren, in dem die Anwendung von europäischem Wettbewerbsrecht durch die Europäische Kommission geprüft wird, eine aktive Rolle einnehmen und an der Seite der Europäischen Kommission die umfassende Marktaufteilung von RWE und E.ON verteidigen.

Dies wirkt wie (und als) eine politische Maßnahme. Denn wenn sich Mitgliedstaaten bei Großfusionen stark machen, geht es häufig um mehr als nur um die nüchterne Anwendung von Wettbewerbsrecht beim Zusammengehen von Unternehmen. So geschehen und gesehen im Zusammenhang mit Toll Collect oder aber in dem prominenten Fall von E.ON Ruhrgas, in dem sich der damalige Bundeswirtschaftsminister – per Ministererlaubnis – für die Großfusion stark machte.

Entsprechend hat der aktuelle Vorstoß der Bundesregierung auch politische Reaktionen ausgelöst, zum Beispiel durch eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 19/23376) vom 14.10.2020. Und auch die Kläger (zusammen mit dem VKU) reagieren durch einen offenen Brief, der heute in der FAZ, der Süddeutschen und dem Tagesspiegel erschien.

Wie der Fall zeigt, lassen sich Recht und Politik also nicht immer sauber trennen. Es lohnt daher in jedem Falle, dieses Lehrstück eines gleichermaßen rechtlich wie politisch interessanten Vorgangs weiterhin mit Spannung zu verfolgen.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Dr. Christian Dessau

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