Der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz, oder: Wie man schlafende Riesen weckt (und wie nicht)

(c) BBH
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Mit Spannung war er erwartet worden. Jetzt liegt er zur Ressortabstimmung vor: der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE). In der Debatte um Energieeffizienz war kein Superlativ pathetisch genug („schlafender Riese der Energiewende!“). Bislang blieb dies jedoch nur ein Lippenbekenntnis. Der NAPE soll dies nun ändern. Künftig, so wird mit großer Geste angekündigt, sollen „Energieeffizienz und Energiesparen (…) mehr als nur Schlagworte“ sein (S. 3). Doch ob das auch so kommt?


Warum gerade jetzt?

Dringlich ist vor allem, dass die Pflicht, die Effizienz beim Endverbrauch von Energie um 1,5 Prozent im Jahr zu steigern, umgesetzt wird, wie es Art. 7 Richtlinie 2012/27/EG (EED) vorsieht. Das ginge entweder, indem man ein Effizienzverpflichtungssystem etabliert oder durch so genannte „alternative Maßnahmen“. Die Umsetzungsfrist für die EED lief bereits am 5.6.2014 ab. Ein Vertragsverletzungsverfahren wurde eingeleitet. Der NAPE sieht alternative Maßnahmen im Sinne von Art. 7 EED vor. Aber er soll nicht nur die Richtlinie umsetzen. Er ist ein umfassendes Dokument zur Energieeffizienz, das in alle Bereiche und Sektoren hineinreicht und dort jeweils den Stand, die Probleme, Chancen und Handlungsoptionen evaluiert und vorgibt. Der NAPE selbst ist wiederum Teil des Nationalen Klimaaktionsprogramms und soll den CO2-Ausstoß um 25 bis 30 Mio. t CO2 Äquivalent. vermindern. Dies entspricht einer Verringerung des Primärenergieverbrauchs von 390 bis 460 PJ bis 2020 (ohne Maßnahmen im Verkehrssektor).

Weckt NAPE den Riesen aus seinem Tiefschlaf?

„Energieeffizienz kann nicht verordnet werden“ (S. 3). Sie soll vielmehr zum natürlichen Impuls jedes Investors werden. Diese Maßgabe zieht sich durch den Plan. Die nach Ansicht des Wirtschaftsministeriums wichtigsten Handlungsfelder sind dabei zunächst: „Energieeffizienz im Gebäude“, „Energieeffizienz als Rendite- und Geschäftsmodell“ und „Eigenverantwortlichkeit für Energieeffizienz“ sowie „Verkehr“. In diesen Bereichen soll es Sofortmaßnahmen geben, deren Umsetzung beschrieben und deren Einsparpotenzial konkret benannt ist. Daneben sind jeweils weitergehende Arbeitsprozesse angelegt, also in die Zukunft gerichtete Maßnahmen, die fortlaufend mit den eigens gegründeten Plattformen „Energieeffizienz“ und „Gebäude“ erarbeitet werden sollen. Die Maßnahmen selbst sind an den Grundsätzen „Informieren-Fördern-Fordern“ (S. 23) orientiert. Alleine durch die Sofortmaßnahmen sollen Investitionen von rund 70 bis 80 Mrd. Euro angestoßen werden. Profitieren sollen davon Unternehmen und Haushalte, die dadurch bis 2020 18 Mrd. Euro an Energiekosten sparen können. Gerechnet auf die gesamte Lebensdauer der Effizienzmaßnahme sollen sogar Einsparungen bis zu 90 bis 100 Mrd. Euro erreichbar sein.

Der NAPE ist umfassend und benennt die richtigen Handlungsfelder. Und er stellt die Energieeffizienz damit in den großen Kontext. Denn Effizienz ist kein Selbstzweck. Sie muss ökonomisch Sinn machen und sie muss sich in den Dienst der Klimapolitik und der Energiewende stellen.Wie das brachliegende Effizienzpotenzial aber tatsächlich aktiviert werden soll, davon sprechen die 53 Seiten AKTIONSplan kaum. Vieles bleibt in der Sphäre der Absichtserklärung. So werden die Sofortmaßnahmen grundsätzlich zunächst beschrieben und sind dann mit einem Umsetzungsvorschlag versehen. Dieser reicht aber oft über das „Wann“ der Umsetzung nicht hinaus. Am Beispiel der steuerlichen Abschreibung im  Bereich „Gebäude“ lässt sich dies besonders gut illustrieren. Hier soll die Gebäudesanierung steuerlich mit 1 Mrd. Euro jährlich für den Zeitraum bis 2015 gefördert werden. Aber zunächst muss sie mit Zustimmung des Bundesrates gesetzlich verankert werden. Dies ist jedoch schon einmal gescheitert … Daneben sollen in dem Bereich „Gebäude“ die Gebäudesanierungsprogramme um insgesamt 200 Mio. auf künftig 2 Mrd. Euro jährlich ausgeweitet werden, davon 300 Mio. als Zuschüsse. Damit diese Mittel auch genutzt werden, soll die Beratung und Information für alle Zielgruppen ausgebaut werden. Brachliegendes Potenzial im Heizungsbereich soll durch einen Heizungscheck, der auf ein Heizungslabel aufbaut, aktiviert werden. Weiterführende Prozesse werden bis Ende 2015 in der Energieeffizienzstrategie für Gebäude festgelegt.

Im Bereich „Energiesparen als Rendite und Geschäftsmodell“ ist vor allem das Ausschreibungsmodell für Energieeffizienz als Sofortmaßnahme interessant.  Dieses Modell mit dem klangvollen Namen „STEP UP“ ist zunächst als Pilotvorhaben auf Stromeffizienz beschränkt und mit einem Volumen von 15 Mio. Euro in 2015, 50 Mio. in 2016 und 100 Mio. in 2017 ausgestattet. In diesem Modell werden einzusparende Kilowattstunden in Segmente unterteilt und ausgeschrieben. Derjenige Anbieter, der die eingesparte Kilowattstunde zum geringsten Preis mit der höchsten Qualität anbietet, erhält den Zuschlag. Daneben soll das Contracting durch umfangreichere Ausfallbürgschaften und längerfristig durch den Abbau rechtlicher Hemmnisse attraktiv gemacht werden.

Im dritten Bereich „Eigenverantwortlichkeit für Energiesparen“ ruhen die Hoffnungen auf der Sofortmaßnahme „Effizienznetzwerke“. Dabei sollen – unterstützt von Verbänden – 500 solcher Netzwerke gegründet werden. Die darin organisierten Unternehmen sollen sich wechselseitig anspornen und sich mit wechselseitigen Informationen helfen, selbstgesteckte Effizienzziele zu erreichen.  Art. 8 EED, der Energieaudits für große Unternehmen einführt, wird in einer Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes (EDL-G) in deutsches Recht umgesetzt.

Im Bereich „Verkehr“ schließlich, der noch ergänzt werden soll, ist bislang die Sonderabschreibung für Elektrofahrzeuge vorgesehen sowie eine Beschaffung von Elektroautos durch die Bundesregierung.

Der NAPE postuliert überwiegend ein strukturelles „Weiter So!“: Die einzig wirkliche Neuerung besteht im Ausschreibungsverfahren. Aber auch dies ist nur als Pilotprogramm ausgestaltet und auf Strom begrenzt, obwohl doch die großen Potenziale in der Wärmenutzung liegen. Im Bereich „Gebäude“ verlässt man sich auf Maßnahmen, die schon in der Vergangenheit wenig gebracht haben, und staffiert sie lediglich mit mehr Mitteln aus. Nachfrage soll durch Beratung entstehen, was schon bisher an vielen Stellen keinen durchschlagenden Erfolg gebracht hat.

Seltsam unentschlossen und mutlos kommt dieser NAPE also insgesamt daher. Der Riese wird wohl ungestört weiter schlafen.

Ansprechpartner: Prof. Christian Held/Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel

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