Die EnWG-Reform, Teil 5: Wenn es zum Streit kommt

Das Energiewirtschaftsgesetz wird novelliert. Wir zeigen, was der Gesetzgeber plant und was von der Reform zu halten ist. Teil 5 der Serie: Wo der Haken bei den geplanten Vorschriften zur Streitschlichtungsstelle und zum Lieferantenwechsel liegt.

Die EnWG-Reform will die Rechte des Verbrauchers stärken. Neben den Vorschriften zum Rechnungsinhalt sind dabei vor allem die Beschleunigung beim Wechsel des Strom- und Gaslieferanten sowie die Einführung eines zweistufigen Verfahrens zur Streitbeilegung zentral. Beide Punkte sind nicht unproblematisch.

Lieferantenwechsel

Der Wechsel des Strom- oder Gaslieferanten darf nicht mehr als drei Wochen dauern. Das geben die EU-Richtlinien vor, und die EnWG-Reform setzt diese Vorgabe in § 20a EnWG-E um. Die Frist beginnt, wenn die Netznutzungsanmeldung des neuen Lieferanten beim Netzbetreiber eingeht.

Schwierig wird es, wenn wie geplant ergänzend (durch eine Anpassung der GPKE bzw. GeLi Gas) festgelegt wird, dass für den Lieferantenwechsel die Abmeldung des Altlieferanten nicht mehr nötig ist. Das könnte per saldo den Kunden mehr Schwierigkeiten als Nutzen bescheren.

Die Kunden haben mit ihren Lieferanten Verträge abgeschlossen und sind an sie gebunden. Die Verträge sehen Laufzeiten und Kündigungsfristen vor. Das ist den Kunden vielleicht gar nicht so bewusst. Ihren Lieferanten aber schon.

Die Lieferanten sind somit eine Art Kontrollinstanz: Wenn ein Kunde den Lieferanten wechselt, ohne auf seine vertraglichen Pflichten zu achten, kann er sich schadensersatzpflichtig machen. Deshalb sollte es dabei bleiben, dass der Altlieferant den Kunden selbst abmelden muss – sonst zahlt der Kunde am Ende doppelt für seinen Energieverbrauch.

Streitschlichtung

Wenn es Streit gibt zwischen einem Verbraucher und seinem Vertragspartner, soll es künftig nach § 111a ff. EnWG-E ein zweistufiges Verfahren geben, um den Streit aus der Welt zu schaffen: Zunächst hat der Vertragsparter vier Wochen Zeit, der Beschwerde des Verbrauchers abzuhelfen. Wenn sich der Vertragspartner nicht rührt oder das Ergebnis den Verbraucher nicht zufrieden stellt, kann dieser eine außergerichtliche Streitschlichtungsstelle anrufen und bekommt dort binnen dreier Monate Bescheid.

Übersehen wird allerdings, dass diese Schlichtungsstelle, soweit sie – wie vom Gesetzgeber ausdrücklich gewünscht – z.B. als Verein privatrechtlich organisiert ist, von den Beiträgen ihrer Mitglieder lebt. Künftig muss sie auch Streitfälle mit Unternehmen schlichten, die nicht Mitglieder sind und sich somit die Kosten und den Aufwand der Mitgliedschaft sparen. Der Gesetzentwurf sollte daher Anreize für die Unternehmen setzen, Mitglied zu werden. Nur so bleiben die Kosten des Verfahrens gerecht verteilt. Zum Vergleich: das Vorbild des Gesetzgebers, die Streitschlichtungsstelle in Versicherungsfragen Versicherungsombudsmann e.V. kostete im Jahr 2009 mehr als drei Millionen Euro.

Außerdem sollte der Gesetzentwurf auch die Verbraucher an den Kosten beteiligen. Bisher ist das nur bei „offensichtlich missbräuchlichen Beschwerden“ vorgesehen. Wann das der Fall ist, bleibt aber unklar. Die EU-Vorgaben fordern nur ein für den Verbraucher „kostengünstiges“ Verfahren, daher wäre eine moderate Verfahrensgebühr EU-rechtlich zulässig.

Nicht sinnvoll sind darüber hinaus die Pläne, den normalen Rechtsweg erst nach der Streitschlichtung zuzulassen und laufende Mahnverfahren für die Dauer der Streitschlichtung ruhend zu stellen. Die gerichtlichen Verfahrensdauern sind ohnehin schon lang genug – trotz Streitschlichtung sollte auf eine endgültige Entscheidung nicht noch länger gewartet werden müssen.

Ihre Ansprechpartner:
zum Stand der EnWG-Novelle u.a.: Prof. Christian Held
zum Lieferantenwechsel/zur Streitschlichtung: Dr. Jost Eder/Dr. Erik Ahnis/Jan-Hendrik vom Wege

Vertiefende Literatur finden Sie z.B. hier und hier.

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