Die neue Messsystemverordnung: Umbrüche im Mess- und Zählerwesen

Bei Verbrauchern und Einspeisern von Strom müssen ab bestimmten Schwellenwerten „intelligente Messsysteme“ eingebaut werden. Welche technischen Anforderungen diese Systeme mindestens leisten sollen, wird eine Verordnung festlegen, die derzeit im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) entworfen wird. Diese „Verordnung über technische Mindestanforderungen an den Einsatz intelligenter Messsysteme“ (Messsystemverordnung – MsysV) wird erhebliche Auswirkungen auf die bestehenden Marktrollen und deren Zuständigkeiten im Bereich des Mess- und Zählerwesens haben und soll noch vor der Bundestagswahl am 22.9.2013 in Kraft treten.

§ 21c Abs. 1 EnWG sieht vor, dass bei Neubauten und größere Renovierungen Letztverbraucher mit einem Jahresverbrauch größer 6.000 kWh und EEG-/KWK-Neuanlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 7 kW intelligente Messsysteme einbauen müssen – sofern der Einbau „technischen möglich“ ist. Das ist er dann, „wenn Messsysteme, die den gesetzlichen Anforderungen genügen, am Markt verfügbar sind“ (vgl. § 21c Abs. 2 EnWG).

Die Messsysteme müssen bestimmte Anforderungen an Datenschutz, Datensicherheit und Interoperabilität erfüllen (§ 21e EnWG). Diese Anforderungen wiederum wurden vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Auftrag des BMWi in Form von Schutzprofilen und technischen Richtlinien entwickelt. Im Fokus steht hierbei die Kommunikationseinheit des Messsystems, das Smart Meter Gateway (SMG), das die Verbindung zwischen Messeinrichtung und Kommunikationsnetz herstellt.

Der Smart Meter Gateway Administrator – Messstellenbetreiber erhalten eine Vielzahl neuer Aufgaben

Die MsysV wird dem jeweils zuständigen Messstellenbetreiber eine neue Aufgabe zuweisen: Derzeit ist geplant, dass der Messstellenbetreiber (sei es der Netzbetreiber in seiner Grundzuständigkeit oder ein Dritter) als Smart Meter Gateway Administrator (SMGA) für den technischen Betrieb des Messsystems verantwortlich ist. Die Anforderungen an den SMGA werden voraussichtlich sehr hoch sein: Sie müssen

  • ein Information Secure Management System nach ISO 27001 einrichten, betreiben und dokumentieren,
  • eine IT-Sicherheitskonzeption erarbeiten und umsetzen, die regelmäßig durch das BSI auditiert wird,
  • und sich als SMGA zum Nachweis der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen durch das BSI zusätzlich zertifizieren lassen.

Sich auf diese neuen Aufgaben vorzubereiten wird mit erheblichen Kosten verbunden sein.

Mindestanforderungen an Messsysteme

Die MsysV wird technische Mindestanforderungen an Messsysteme festlegen. Sie sollen unter anderem in der Lage sein,

  • eine Zählerstandsgangmessung zu ermöglichen,
  • bei Anlagen im Sinne von § 14a EnWG (unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen in Niederspannung) und EEG- und KWKG-Erzeugungsanlagen, eine zuverlässige Administration und Fernsteuerbarkeit zu gewährleisten,
  • die jeweilige Ist-Einspeisung von Erzeugungsanlagen nach dem EEG und KWKG abzurufen sowie
  • Netzzustandsdaten zu erfassen und übertragen .

Auch werden Mindestanforderungen an die Visualisierung des Verbrauchsverhaltens und die sichere Verbindung in das Kommunikationsnetz festgelegt werden.

Für das SMG als Kernstück des Messsystems wird es separat geregelte, detaillierte Mindestanforderungen geben. Nach aktuellem Stand ist vorgesehen, dass die Einhaltung dieser Mindestanforderungen gesetzlich vermutet werden, wenn die Schutzprofile und technischen Richtlinien des BSI in ihrer jeweils geltenden Fassung eingehalten werden. Hierfür sollen diese Dokumente in Form von Anlagen zur MsysV ebenfalls „verrechtlicht“ werden.

Zum Nachweis der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an das SMG soll es zudem ein Zertifizierungsverfahren geben. Verantwortlich hierfür wird voraussichtlich das BSI sein.

Und was ist mit den Kosten?

Es ist bereits jetzt absehbar, dass Einrichtung und Betrieb von Messsystemen, insbesondere die neue Marktrolle des SMGA mit erheblichen Kosten verbunden sein werden. Da der Netzbetreiber in seiner Grundzuständigkeit als Messstellenbetreiber (§ 21b Abs. 1 EnWG) auch SMGA sein wird (oder hierfür einen Dritten beauftragt) und sich dieser Aufgabenwahrnehmung nicht entziehen kann, soll es zwar eine volle Kostenanerkennung geben – aber nur im Rahmen eines effizienten Netzbetriebs. Das heißt, dass der billigste Anbieter Maßstab der Kostenanerkennung sein wird. Damit sind, da es um sehr hohe Anlauf- und Fixkosten geht, große Anbieter im Vorteil (da sich bei ihnen die Kosten auf mehr Entnahmestellen verteilen).

Auch Letztverbraucher müssen sich auf Kostensteigerungen einstellen. Ob es Kostenbegrenzungen für betroffene Verbraucher oder eine Solidarisierung (über eine etwaige Umlage) geben wird, ist derzeit noch offen. Maßgeblich hierfür wird die Kosten-Nutzen-Analyse im Auftrag des BMWi sein. Sie soll bewerten, inwieweit Einbauverpflichtungen auch über § 21c Abs. 1 lit. a bis c EnWG hinaus  (Neubauten und größere Renovierungen, Letztverbraucher > 6.000 kWh/a und EEG/KWK Neuanlagen Größe 7 kW) wirtschaftlich vertretbar sind. Die Ergebnisse der Kosten-Nutzen-Analyse werden nach unserem Kenntnisstand für Mai/Juni 2013 erwartet.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Jan-Hendrik vom Wege/Dr. Michael Weise

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