Ein vertaner Gipfel – Das Klima mag jemand anderes schützen

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Während sich Meldungen zu Temperaturrekorden in dieser Woche kurz vor der Sommerpause in ganz Europa überschlagen, gewinnt man nach den Ergebnissen des letzten EU-Gipfels am vergangenen Donnerstag, den 20. Juni, den Eindruck, dass die Klimapolitik schon vor Einbruch der Hitzewelle zum Erliegen gekommen ist.

Ziel des Treffens der Staats- und Regierungschefs in Brüssel war es, die „strategische Agenda“ bis 2024 zu beraten. Dabei stand auch das Thema „Klimawandel“ auf der Tagesordnung. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte im Vorfeld des Gipfels angekündigt, das Ziel bis 2050 Klimaneutralität in der EU zu erreichen, nunmehr zu unterstützen, nachdem sie noch im Mai die Zustimmung zu einer solchen Zielsetzung ablehnte. Insofern könnte es zunächst als Teilerfolg für die Klimapolitik gewertet werden, dass die Zahl der Mitgliedstaaten, die Klimaneutralität in der EU bis 2050 fordern, nach diesem Gipfel von acht auf fünfundzwanzig angestiegen ist.

Und trotzdem stellen die vom Europäischen Rat auf der Tagung vom 20. Juni 2019 angenommenen Schlussfolgerungen erneut eine verpasste Chance dar. Es ist dem Europäischen Rat nicht gelungen, sich in seiner strategischen Ausrichtung für die nächsten fünf Jahre dazu zu bekennen, Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Auch sonst lässt der Text keine Vision erkennen, wie die Vorgaben des Übereinkommens von Paris umgesetzt werden sollen. Vielmehr wird unter anderem das Recht der Mitgliedstaaten hervorgehoben, ihren Energiemix selbst zu bestimmen.

Inzwischen ist klar, dass die EU ihre Klimaziele für 2020 deutlich verfehlen wird. Die Ziele für 2030 sind ebenfalls gefährdet und die Emissionen in der EU steigen weiter. Wie aus dem Klimaschutzbericht 2018 der Bundesregierung hervorgeht, wird Deutschland im Jahr 2020 voraussichtlich rund 32 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990 – das verbindliche Ziel aber ist eine Verminderung von 40 Prozent.

Gleichzeitig wächst nach den letzten IPCC-Berichten und mit Bewegungen wie „Fridays for Future“ der Druck auf die Politik, endlich Handlungsfähigkeit zu beweisen. Trotz alldem war es den Staats- und Regierungschefs am 20.6. nicht einmal möglich, ein politisches Bekenntnis zu Papier zu bringen, geschweige denn eine effektive Strategie zu formulieren, obwohl Frankreich und Deutschland endlich zumindest wieder an einem Strang gezogen haben.

Klar ist, dass die Energieversorgung aufgrund der Veränderungen und Herausforderungen des Klimawandels vor gewaltigen Umwandlungen steht. Die Veränderungen betreffen die Energieversorger, Verbraucher und die Industrie, deren wirtschaftlicher Erfolg maßgeblich von wettbewerbsfähigen Energiepreisen abhängt. Solange jedoch kein Pfad bestimmt ist, der einen Zeitrahmen für klare Ziele vorgibt, ist der Rahmen für die erforderliche Investitionssicherheit für niemanden  gegeben. Es fehlt der Anreiz, Innovationen in dem Maße zu fördern und praxistauglich zu machen, wie es zu nichts geringerem als der Rettung des Klimas notwendig wäre. Je länger mit Investitionen und Innovationen abgewartet wird, desto teurer wird es für alle Beteiligte.

Aufgrund des gemeinsamen Markts und Wettbewerbs ist es zwingend, einheitliche Rahmenbedingungen in der EU festzulegen und gemeinsam tätig zu werden. Insofern kann man nur hoffen, dass der Europäische Rat bis zum nächsten Gipfel im kommenden Oktober 2019 mehr Entschlossenheit demonstrieren kann, um auch der nächsten EU-Kommission eine klare Handlungsanweisung auf den Weg zu geben.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet

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