Ergebnisorientierte Produkt- und Geschäftsmodellentwicklung in sechs Phasen

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Neue Geschäftsmodelle sind bei Stadtwerken zwar in aller Munde. Doch wie man organisiert, dass innovative Ideen entstehen und umgesetzt werden können, darüber sind sich viele Entscheidungsträger unklar. Umso mehr sollten sie sich frühzeitig mit einer passenden Innovationsstrategie beschäftigen, denn was einem selbst nicht oder zu spät einfällt, das machen dann andere.

So haben viele Stadtwerke oft zu langsam auf die Dynamik der Erneuerbaren Energien reagiert und erst spät auf den Ausbau dieser Technologie gesetzt. Die Anlagen, die Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugen, gehören hauptsächlich Privatpersonen, Landwirten und Gewerbebetrieben.  Die  Anteile der großen vier Player (5 Prozent) und anderer Energieversorger (7 Prozent) an der installierten Erneuerbaren-Energien-Leistung liegt weit hinter den anderen Eigentümergruppen. Durch die steigenden Endkundenstrompreise und die reduzierten Einspeisevergütungen für Erneuerbaren Energien amortisieren sich Investitionen in Erneuerbaren-Energien-Anlagen heutzutage wesentlich schneller über den eigenverbrauchten als über den eingespeisten Strom. Die Befreiung von Umlagen durch Stromerzeugung im räumlich nahen Bezug sowie der Eigenverbrauch geben dem Anlagenbetreiber den nötigen Spielraum, die Anlagen wirtschaftlich zu betreiben.

Momentan diskutiert die große Koalition darüber, in Zukunft die Eigenstromversorgung mit der EEG-Umlage stärker zu belasten. Es ist jedoch eine Bagatellgrenze von 10kW vorgesehen, so dass besonders Privathaushalte von der zusätzlichen Belastung befreit sind. Wenn die erneuerbaren Energietechnologien in Zukunft noch preisgünstiger werden und sich Stromerzeugung und -verbrauch beim Endkunden weiter so dezentralisieren wie bisher, wird das Absatzpotenzial für Stromlieferungen zukünftig erheblich reduziert. Für die etablierten Stadtwerke ändern sich dadurch die Geschäftsmodelle und auch ihr Innovationsbedarf. Eine weitere zentrale Rolle werden zukünftig innovative Technologien im Bereich Energieeffizienz und Speichertechnologien sowie die Einbindung der Informations- und Kommunikationstechnologie spielen.

(c) BBHC Herausforderungen für den Energievertrieb
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Herausforderungen für den Energievertrieb

Einige Marktteilnehmer wie zum Beispiel die Unternehmen Trianel, Lichtblick und die Berliner Energie Agentur, haben bereits ihre Angebots- und Dienstleistungsportfolios durch Vermarktungskonzepte dezentraler Photovoltaik- und Blockheizkraftwerk-Anlagen neu ausgerichtet. Das Geschäftsmodell soll dabei sowohl für die Energieversorger als auch für den Kundenstamm vorteilhaft sein. Die Energieversorger freuen sich über höhere Vertriebsmargen, die durch eine reduzierte Abgaben- und Netzentgeltlast erzielt werden. Zudem sollen derartige Geschäftsmodelle die Kunden binden, damit sie nicht den Lieferanten wechseln. Damit das bestehende Geschäft weiter erfolgreich sein kann, muss fortlaufend geprüft werden, welche aktuell angebotenen Produkte und Dienstleistungen auch für den zukünftigen Markt Bestand haben können bzw. wo Innovationsbedarf entsteht.

In einem so dynamischen Markt muss man fragen, mit welcher Methodik die Qualität der Ideensuche sowie die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der späteren Implementierung neuer Geschäftsmodelle verbessert werden kann. Aus der Praxiserfahrung hat sich ein 6-teiliger Prozess bewährt, der es ermöglicht, gleichzeitig die Innovationsfähigkeit zu steigern und die Kosten zu senken.

(c) BBHC Vorgehensweise im Innovationsmanagement
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Vorgehensweise im Innovationsmanagement

In der ersten Phase dieser Vorgehensweise ist es für das Management sinnvoll, ein Suchfeld auszuwählen, um den Fokus auf eine bestimmte Zielgruppe zu lenken. Hierbei werden durch eine Ist-Analyse derzeitige Kundenbedürfnisse definiert und untersucht. Zum Beispiel könnte ein solches Suchfeld durch neue Dienstleistungen für Gewerbekunden eines Stadtwerks dargestellt werden. Anschließend werden durch ein nationales und internationales Marktscreening Ideen für Dienstleistungen und neue Geschäftsmodelle für Gewerbekunden gesammelt.

In dem Marktscreening sollten möglichst viele Ideen erfasst werden, da die meisten der fixierten Erstideen später verworfen werden. Für die Durchführung der Phasen 2 bis 4 bieten sich Kreativworkshops mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Abteilungen an. In unserem Beispiel mit dem Suchfeld  neue Dienstleistungen für Gewerbekunden werden hierbei Mitarbeiter aus den Bereichen Beschaffung, Vertrieb, Recht, Produktmanagement und Erneuerbare Energien eingeladen. Verschiedene Dienstleistungen können dadurch mit unterschiedlichen Sichtweisen analysiert und bewertet werden. In der zweiten Phase werden den Workshop-Teilnehmern die Ergebnisse aus der Phase 1 (Marktscreening) bewertungsneutral vorgestellt. Diese werden dabei visualisiert und in verschiedene Kategorien (aus unserem Beispiel für Gewerbekunden: Beschaffungsstrategie, dezentrale Eigenversorgung, Lastmanagement, Energieeffizienz)  eingeordnet. Während der Ideenvorstellung werden neue Ideen der Teilnehmer in Geschäftsmodelle integriert und alternative Projektideen vorgeschlagen (Phase 2).

Die so gewonnenen Ideen werden mit Hilfe verschiedener Bewertungskriterien priorisiert, so dass ungeeignete Dienstleistungen ausgefiltert werden und sich jene Ideen mit den größten Potenzialen herauskristallisieren (Phase 3). Wichtig ist, dass die Bewertungskriterien von den Mitarbeitern ausgewählt und unterschiedlich gewichtet werden. Beispiele für diese Kriterien können zum Beispiel Alleinstellungsmerkmal, technische Umsetzbarkeit, strategisches Potenzial und Margenpotenzial sein.

In der vierten Phase werden für die ausgewählten neuen Geschäftsmodelle Projektsteckbriefe erstellt, welche einen Zeitplan und Maßnahmenpakete für die Ausarbeitung eines Grobkonzeptes beinhalten. Dazu werden Projektverantwortliche und -partner ausgesucht. Auf Basis der Grobkonzepte  priorisiert das Management die Ideen für neue Geschäftsmodelle und entscheidet, welche und wie viele Projekte in die nächste Phase übernommen werden. In der fünften Phase werden die ausgewählten Projektideen in einem Detailkonzept weiter ausgearbeitet. Der Business Case wird konzipiert, und die notwendigen Ressourcen werden eingeplant. Zudem wird als Vorbereitung zum Markttest ein Marketing- und Implementierungsplan ausgearbeitet. Vor dem Übergang zur nächsten Phase wird das Detailkonzept noch einmal durch das Management kontrolliert und abgesegnet.  Mit der abschließenden sechsten Phase gehen der letztlichen Implementierung eine Konzep-validierung und Markttests voraus. Durch eine Erfolgskontrolle werden das Feedback der Kunden, Verkaufszahlen und Reklamationen analysiert. Die Ergebnisse der Erfolgskontrolle sind die Grundlage für letzte Anpassungen vor dem Markteintritt.

Zentraler Erfolgsfaktor für die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle im Vertrieb wird sein, die Kunden von den Vorteilen neuer Produkte und Dienstleistungen zu überzeugen. Letztendlich ist nicht die Technik entscheidend, sondern ob sie für den Kunden nützlich ist. Energieversorger sollten rechtzeitig damit beginnen, Trends zu erkennen und neue Geschäftsfelder zu besetzen, um sich für die Zukunft sicher aufzustellen. Für den späteren Erfolg neuer Geschäftsmodelle ist jedoch ein zeitnaher Aufbau von Know-how erforderlich.

Ansprechpartner BBHC: Marcel Malcher

Ansprechpartner BBH: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht

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