Es darf (wohl) weiter geschätzt werden

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Der Gesetzgeber plant im Rahmen der Novelle EEG 2021 – anders als zunächst aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) verlautbart – doch noch eine Verlängerung des allgemeinen Schätzrechts zur Abgrenzung von EEG- und netzumlagepflichtigen Strommengen. Die erneute Fristverlängerung sollten Sie als Chance begreifen.

Wie schon 2019 soll nun erneut die mit dem Energiesammelgesetz (wir berichteten) eingeführte Frist in § 104 Abs. 10 und Abs. 11 EEG um ein Jahr verlängert werden. Der 31.12.2020 war wegen der späten, flächendeckenden Einführung geeigneter Zähler durch die Messgerätehersteller, der immer wieder verschobenen Veröffentlichung des finalen Leitfadens Messen und Schätzen (wir berichteten) der Bundesnetzagentur (BNetzA) und nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie für viele Unternehmen nicht zu halten. Das Schätzrecht soll nunmehr bis zum 31.12.2021 gelten.

Ausblick: Schätzrecht bis Ende 2021 und Endabrechnungen 2020

Der Bundesrat befasst sich abschließend am kommenden Freitag mit der EEG-Novelle. Strommengen mit unterschiedlicher EEG- und Netzumlagebelastung dürfen nach Verabschiedung und Inkrafttreten der geplanten Änderung auch 2021 im Wege von Schätzungen erfasst und abgegrenzt werden. Ab dem 1.1.2022 gelten dann ausschließlich die Regeln nach §§ 62a, 62b EEG. Damit dürfen ab 2022 nur noch ausnahmsweise Strommengen im Wege von Schätzungen abgegrenzt werden (vgl. § 62b Abs. 2 Nr. 2 EEG).

Durch die Fristverlängerung ändert sich hinsichtlich der Meldungen zur Endabrechnung 2020 für die EEG-Umlage zum 28.2. bzw. 31.5.2021 und die Netzumlagen zum 31.3.2021 im Vergleich zu den Endabrechnungen 2019 erst einmal nichts. Die viel diskutierte Erklärung nach § 104 Abs. 10 Satz 2 EEG verschiebt sich um ein Jahr in die Zukunft. Im Rahmen der Endabrechnung 2021 kann der Netzbetreiber weiterhin eine Erklärung verlangen, wie seit dem 1.1.2022 die Vorgaben nach § 62b EEG eingehalten werden.

Nicht mehr warten – 2021 handeln!

Zögern Sie jetzt nicht und rüsten Sie Ihre Standorte entsprechend der Vorgaben nach §§ 62a, 62b EEG bis Ende 2021 um, soweit das noch nicht geschehen ist. So stellen Sie auf jeden Fall sicher, Ihre Umlageprivilegien in voller Höhe geltend machen zu können. Zudem hat die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, dass bei einer „gesetzeskonformen Schätzung“ teilweise eine erhebliche Überzahlung der EEG- und der Netzumlagen erfolgte. Der Einbau von geeichten Messeinrichtungen ist zwar mit einem erheblichen Aufwand verbunden, allerdings kann ein zeitnaher Einbau auch Kosten reduzieren.

Derzeit ist die Frage, was passiert, wenn die §§ 62a, 62b EEG nicht eingehalten werden, (leider) noch nicht abschließend geklärt. Handelt es sich bei § 62b EEG nur um einen besonders sicheren Weg – neben anderen denkbaren Wegen – eine Umlageprivilegierung nachzuweisen (so im Ergebnis die überzeugende Beweismethode) oder sind die Mess- und Schätzvorgaben selbst Voraussetzung für die Geltendmachung der Umlageprivilegierung (so im Ergebnis die sog. Kontaminationstheorie)? Kontamination deshalb, weil ein Verstoß gegen § 62b EEG zu einer Kontamination aller Strommengen (100 Prozent EEG-Umlage), auch der privilegierungsfähigen, bis zum nächsten Messpunkt führe. Der Gesetzgeber und die BNetzA haben sich nicht eindeutig für die Beweislösung ausgesprochen und die Frage offengelassen. Das führt zu großer Unsicherheit in der Praxis.

Gelebtes Messkonzept

Standorte, Stromerzeugung oder Stromverbräuche können sich ändern. Darauf müssen Sie stets reagieren. In einem Messkonzept sollten Sie Ihre aktuelle Messmethode und deren Anpassungsfähigkeit darlegen. Das Messkonzept ist nach innen und außen gerichtet. Mitarbeiter müssen wissen, was bei Änderungen zu beachten ist und Wirtschaftsprüfer und Netzbetreiber sollen sehen, wie Sie Ihre Umlageprivilegien und umlagepflichtigen Strommengen erfassen und abgrenzen.

Ansprechpartner: Dr. Martin Altrock/Dr. Markus Kachel/Andreas Große

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