EU verklagt Deutschland wegen Missachtung von EU-Grenzwerten für Stickoxide

(c) BBH

In vielen deutschen Städten ist die Luft schlecht. Spitzenreiter hierbei ist München, gefolgt von Stuttgart und Köln. Aber auch in Städten wie Berlin oder Leipzig sieht es nicht viel besser aus. Grund dafür sind zu viel Feinstaub und zu viel Stickoxid. Das hat Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Und nicht nur das: Auch unser Ökosystem leidet darunter. Laut Umweltbundesamt (UBA) werden durch Stickoxide Pflanzen geschädigt und das Altern sowie der Kümmerwuchs gefördert. Zudem trägt Stickstoffdioxid zur Überdüngung und Versauerung von Böden bei.

Ganz nach dem Motto „Wer nicht hören will, muss fühlen“ hat die Europäische Kommission nun Klage vor dem EuGH gegen Deutschland und fünf weitere Länder der EU eingereicht, die gegen die EU-Grenzwerte der EU-Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa verstoßen. Die Grenzwerte zum Schutz der Gesundheit gelten seit dem 1.1.2005 europaweit. Bereits 2015 wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Doch die Grenzwerte werden immer noch verletzt.

Die Ursache für die hohen Feinstaub- und Stickoxidwerte liege – so heißt es – vor allem bei Dieselfahrzeugen. Die Anzahl der Dieselfahrzeuge ist im letzten Jahrzehnt extrem angestiegen, da Dieselmotoren bei gleicher Leistung gegenüber einem Benziner weniger Kraftstoff verbrauchen und diese obendrein billiger sind. Die Nachteile sind jedoch die hohen Stickoxid-Emissionen, so dass mittlerweile ca. 72 Prozent aller Stickoxide im Straßenverkehr von Dieselfahrzeugen stammen. Hinzu kam die Dieselaffäre, bei der durch die Einrichtung einer Abschaltfunktion der wirkliche Ausstoß an Schadstoffen deutlich höher war, als er gemessen werden konnte.

Deutschland war zwar nicht untätig. Beispielsweise wurde das „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ erlassen, das u.a. vorsieht, den städtischen Verkehr zu elektrisieren und Dieselbusse gezielt mit Techniken zur Abgasminderung nachzurüsten. Aber allen Bemühungen zum Trotz wollten die Maßnahmen nicht so richtig wirken. Auch die Anzahl an Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen blieb hinter den Erwartungen zurück. Das heißt: Kurzfristige Lösungen müssen her. Diskutiert wird bekanntlich über mögliche Fahrverbote und die technische Nachrüstung der Dieselfahrzeuge.

Der Druck auf Deutschland wird nun durch die Klage vor dem EuGH noch höher. Nicht zuletzt weil der EuGH bereits am 22.2.2018 (C-336/16) festgestellt hat, dass Polen gegen die EU-Richtlinie 2008/50/EG verstößt. Aus Sicht des EuGH reicht ein rückläufiger Trend in Richtung Einhaltung der EU-Grenzwerte nicht aus, sondern er betonte nochmals deutlich, dass die in den Luftqualitätsplänen festgelegten Maßnahmen auch die Einhaltung der Grenzwerte ermöglichen müssen.

Aber hier tut man sich schwer, was die Streitigkeiten um die Luftreinhaltpläne der Städte nach § 47 Abs. 1 BImSchG – insbesondere Düsseldorf und Stuttgart – zeigen (wir berichteten). Diese waren Gegenstand von Klagen durch den Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH), weil sie kein Konzept zur Reduzierung von Luftschadstoffen beinhalten und sich beispielsweise nicht einmal mit der Frage von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge auseinandersetzen.

Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 27.2.2018 entschieden (Az. 7 C 26.16 und 7 C 30.17), dass streckenbezogene Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge zwar nach Bundesrecht rechtswidrig sind, da hierfür „Plakettenregelungen“ vorhanden sind, die an das Emissionsverhalten von Kraftfahrzeugen anknüpfen (wir berichteten). Jedoch ist das Bundesrecht aufgrund des Anwendungsvorranges des EU-Rechtes dann nicht anwendbar, wenn sich ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge – unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – als die einzig geeignete Maßnahme erweist, um die EU-Grenzwerte insgesamt einzuhalten. Im Falle Düsseldorfs und Stuttgarts müssen die Beklagten die Auseinandersetzung mit Fahrverboten in den Luftreinhalteplänen jetzt nachholen.

Für den Fall, dass Deutschland vor dem EuGH unterliegt, könnte die EU-Kommission in einem weiteren Verfahren hohe Zwangsgelder – möglicherweise in Millionenhöhe – durchsetzen. Wie Deutschland letztlich für saubere Luft sorgen wird, bleibt abzuwarten.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Dörte Fouquet/Dr. Roman Ringwald/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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