Europäisches Parlament will den europäischen Emissionshandel brexitfest machen

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Am 13.9.2017 hat das Europäisches Parlament über Änderungsanträge zur Einbeziehung des Flugverkehrs in das Emissionshandelssystem (wir berichteten) abgestimmt. Unter diesen Anträgen befand sich allerdings auch ein Antrag, der nicht nur den Flugverkehr betreffen würde.

Die Vertreter der Europäischen Union (EU) und Großbritanniens sind mit ihren Verhandlungen über die Modalitäten des Ausscheidens der Briten aus der EU bekanntermaßen bis jetzt – wenn überhaupt – nur schleppend vorangekommen. Zu den nach wie vor nicht geklärten Fragen gehört nicht zuletzt, ob Anlagen in Großbritannien, die derzeit noch dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS) unterliegen, weiter an diesem teilnehmen sollen oder nicht. Sollten die Verhandlungen nun – was viele nicht mehr ausschließen – auf einen „harten Brexit“ zusteuern und Großbritannien auch das EU-ETS verlassen, wäre das auch für dieses nicht folgenlos. Die Befürchtung: Die an britische Unternehmen ausgegebenen CO2-Zertifikate könnten den vielfach beklagten Zertifikateüberschuss verstärken, da diese sie dann nicht mehr benötigen und am Markt veräußern würden. Der CO2-Preis, der zuletzt immerhin auf rd. 7 Euro angezogen hatte, würde wieder unter Druck geraten.

Diese Entwicklung hat das europäische Parlament am Mittwoch Nachmittag zum Anlass genommen, einem Änderungsantrag zuzustimmen, der an den Vorschlag der Kommission bezüglich der weiteren Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel anknüpft. Gestellt hatte den Antrag die EVP-Fraktion (Christdemokraten), und das Europäische Parlament hatte ihn noch verschärft: Der in das EU-ETS einbezogene Flugverkehr soll nach 2020 nur noch 50 Prozent der CO2-Zertifikate kostenlos erhalten.

Der durch den angenommenen Antrag neu eingefügte Art. 12 Abs. 3 a des Vorschlages zur Reform der Emissionshandelsrichtlinie (2003/87/EG) sieht vor, dass keinerlei Zertifikate mehr von Anlagenbetreibern genutzt werden dürfen, die nach dem 1.1.2018 von einem Mitgliedsstaat zugeteilt wurden, das nicht mehr den Verpflichtungen aus dem europäischen Emissionshandelssystem (EHS) unterliegt. Mit anderen Worten: Zertifikate, die von Großbritannien nach dem 1.1.2018 ausgegeben werden, verlieren nach dem Vorschlag ihre Wirksamkeit, sollte das Land aus dem EU-ETS ausscheiden.

Dr. Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der EVP Fraktion begründete den Änderungsantrag als Vorsichtsmaßnahme in Bezug auf den möglichen harten Brexit: „Ich hoffe nach wie vor, dass es zu einer Einigung kommt und Großbritannien auch in Zukunft im Emissionshandel bleibt, aber leider machen sich einige Regierungsvertreter in London Illusionen über ein zukünftiges Abkommen. Viele wollen immer noch Rosinen picken. Dies können wir aber unseren Bürgern und unserer Wirtschaft nicht zumuten. Daher müssen wir uns auf einen harten Brexit vorbereiten. In dem Fall darf es weder zum Schaden für die Umwelt, noch zum Schaden für europäische Unternehmen kommen.“

Sollte der Vorschlag des Europäische Parlaments auch die Zustimmung des Ministerrats erhalten, müssten nicht nur britische Anlagenbetreiber auf der Hut sein. Denn der Vorschlag schließt dem Wortlaut nur die Nutzung der betreffenden Zertifikate zur Erfüllung der Abgabepflicht, nicht aber den Handel mit diesen Zertifikaten aus. Von der Regelung wären also potentiell alle betroffen, die Zertifikate am Markt erwerben. Der Regelungsvorschlag gilt aber nicht für Zertifikate, die an britische Unternehmen in der Vergangenheit ausgegeben und von diesen noch nicht zur Erfüllung ihrer Abgabepflichten genutzt, also im Markt noch vorhanden sind.

Der Vorgang wirft eine Menge Fragen auf, die vermutlich zum Anlass genommen werden, die EG-Registerverordnung (EG-RegVo) anzupassen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen wird aber bereits jetzt so mancher Markteilnehmer einen nervösen Blick auf die Länderkennungen der Zertifikate auf seinem Konto werfen…

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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