Fernwärme: Preisänderungsklauseln im Wandel der (Vertrags)Laufzeit

(c) BBH
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Gas- und Stromversorger können ein Lied davon singen: Immer wieder gerät man in die Situation, dass die Vertragsklausel zur nachträglichen Anpassung der Preise von der Rechtsprechung für unwirksam erklärt wird. Selbst wenn der Bundesgerichtshof (BGH) zunächst eine Klausel sogar ausdrücklich für zulässig erachtet, kann sich das schnell ins Gegenteil verkehren (wir berichteten). Die Preisänderungsklausel ist dann nachträglich unwirksam und es drohen Rückforderungen der Kunden.

Für Fernwärmeversorgungsunternehmen gibt es jetzt eine Ausnahme. Wie der BGH kürzlich klargestellt hat (Urt. v. 25.6.2014, Az. VIII ZR 344/13), sind deren Preisänderungsklauseln unter Umständen erst mit Wirkung für die Zukunft nichtig. Das klingt vergleichsweise paradiesisch. Aber der Eindruck täuscht. Denn die Situation ist lediglich eine andere und nicht einfacher.

Besonderheiten im Fernwärmebereich

Im Wärmebereich gilt die Besonderheit, dass Preisänderungsklauseln die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme sowie die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen müssen (§ 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV). Die Klausel muss also die individuellen Kosten des Unternehmens abbilden. Schon diese Anforderung – die es im Strom- und Gasbereich nicht gibt – stellt die Versorger vor erhebliche Schwierigkeiten. Denn die Kostenstruktur ist meist komplex und eine verständliche Umsetzung in eine mathematischen Formel nicht leicht. Die einzelnen Kriterien, die dabei zu beachten sind, hat der BGH erst in den letzten Jahren konkretisiert (Urt. v. 6.4.2011, Az. VIII ZR 273/09), und dies längst noch nicht abschließend. Nur wenn die erste Hürde genommen ist und der Versorger eine kostenorientierte und verständliche Formel geschaffen hat, existiert eine wirksame Preisänderungsklausel, nach der die Wärmepreise während der Vertragslaufzeit angepasst werden dürfen.

Da die Erstlaufzeit der Wärmelieferverträge bis zu zehn Jahre reicht (§ 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV), kann es dazu kommen, dass sich die Situation nach Vertragsschluss ändert und die Klausel nicht länger die Erzeugungskosten abbildet. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Versorger die Wärme zunächst mit leichtem Heizöl (HEL) erzeugt und ein paar Jahre später z.B. auf regenerative Energieträger bei der Wärmeerzeugung umstellt.

Wie hat der BGH entschieden?

In einem solchen Fall wird das Urteil des BGH vom 25.6.2014 relevant. Danach ist die Wirksamkeit einer Wärmepreisklausel an den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu messen. Wenn bei Vertragsschluss die Kostenorientierung gewahrt ist, ist die Klausel zunächst wirksam. Erst wenn sich später die tatsächlichen Umstände erheblich verändern, kann die Klausel ab diesem Zeitpunkt nichtig werden (§ 134 BGB) und daher nicht mehr Grundlage von Preisänderungen sein.

Diese Rechtsprechung ist durchaus zwiespältig zu betrachten. Einerseits ist richtig, dass man von dem Versorger bei der Erstellung der Preisänderungsklausel sinnvollerweise nur erwarten kann, dass er die gegebenen Umstände beachtet. Veränderungen, die sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhersehen lassen, kann er nicht berücksichtigen. Auf der anderen Seite fordert dies den Wärmeversorger auf, fortlaufend die Gültigkeit seiner Preisklausel zu überprüfen und ggf. an Entwicklungen anzupassen – offen bleibt nur, wie.

Und noch eine Besonderheit folgt aus dieser Rechtsprechung. Anders als im Falle unwirksamer Gas- oder Strompreisklauseln ist die gelieferte Wärme nicht zum letzten unwidersprochenen Preis oder sogar zum vertraglichen Ausgangspreis abzurechnen (BGH, Urt. v. 14.3.2012). Stattdessen gilt der Wärmepreis, der zuletzt berechnet wurde, bevor die Klausel unwirksam wurde. Ist die Kostenorientierung also seit Januar 2014 nicht mehr gewahrt, würde jener Wärmepreis gelten, der für das letzte Quartal 2013 nach der – damals noch wirksamen – Preisänderungsklausel ermittelt wurde.

Fernwärmeversorger haben Gestaltungsmöglichkeiten!

Ob Fernwärmeversorger gegenüber Strom- und Gaslieferanten ein leichteres Los gezogen haben, soll dahingestellt bleiben. Fest steht aber, dass der Verordnungsgeber und der BGH konkrete Regeln aufgestellt haben, nach denen sich sinnvolle Preisänderungsklauseln konzipieren lassen.

Später ändert sich die Erzeugungssituation nicht überraschend von einem Tag auf den nächsten. Durch rechtzeitige Maßnahmen lassen sich die Folgen einer möglichen Nichtigkeit abfedern oder vermeiden. So kann man z.B. die Preisformel durch eine Nachtragsvereinbarung ändern oder nach § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV öffentlich bekannt geben (was der BGH inzident anzuerkennen scheint).

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/Ulf Jacobshagen

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