„FIT FOR 55“ – TEIL 5: Novelle der Energiesteuerrichtlinie

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Im Rahmen des European Green Deal möchte die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Ein Instrument, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Energiesteuerrichtlinie. In Teil 5 unserer Blogserie zum Paket „Fit for 55“ stellen wir Ihnen die Neufassung der Richtlinie vor.

Hintergrund der Aktualisierung

Die bestehende Energiesteuerrichtlinie (RL 2003/96/EG) stammt – bis heute unverändert – aus 2003. Sie ist Grundlage für eine Mindestharmonisierung bei der Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom und war eines der Instrumente der Kommission, um die Ziele des Kyoto-Protokolls zu erreichen. Die Vorgaben beziehen sich auf Mindeststeuersätze und Eckpunkte für Steuerbefreiungen, die teils verpflichtend, teils optional sind. Schon in 2011 hatte die Kommission den Vorstoß zu einer Novelle der Richtlinie unternommen (wir berichteten), mit der u.a. ein CO2-Steuersatz eingeführt werden sollte. Nach Widerstand einiger Mitgliedstaaten nahm sie den Vorschlag jedoch zurück.

Die Richtlinie soll an die „moderne“ Energiewelt angepasst werden (Restructuring the Union framework for the taxation of energy products and electricity (recast)). Das betrifft unter anderem die Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie die Nutzung von (grünem) Strom und anderen alternativen umweltfreundlichen Kraftstoffen. Die Neuerungen sollen den Binnenmarkt stärken, den ökologischen Wandel vorantreiben und die entsprechenden ökonomischen Anreize setzen. Zudem sollen bestimmte Befreiungen abgeschafft werden, um die Folgen des Energiesteuerwettbewerbs zu minimieren.

Entscheidende Änderungen

Im Vorschlag der EU-Kommission stehen insbesondere zwei Themenbereiche im Fokus.

Zum einen soll die Struktur der Steuersätze grundlegend überarbeitet werden. Statt der Bemessung der Steuersätze nach dem Volumen soll in Zukunft der tatsächliche Energiegehalt entscheidend sein. Daraus folgt eine Bewertung in Gigajoule des jeweiligen Energieerzeugnisses. Die Höhe der Sätze hängt dann wiederum von der Umweltverträglichkeit des jeweiligen Energieerzeugnisses bzw. des Stroms ab. Gegenüber dem Status quo werden die Mindeststeuersätze für fossile Brennstoffe heraufgesetzt und für nachhaltige Erzeugnisse eine Differenzierung bzw. mögliche Befreiung vorgesehen. Die Unternehmen und Verbraucher sollen dadurch klare Vorgaben für ihr Nutzungsverhalten bekommen. Die höchste Besteuerung trifft somit diejenigen Energieerzeugnisse, die am umweltschädlichsten sind.

Zum anderen soll der Bereich der Besteuerung von Energieerzeugnissen erweitert werden und z.B. auf mineralogische Verfahren ausgeweitet werden. Die entsprechenden nationalen Befreiungen und Ermäßigungen sollen wegfallen, um den Binnenmarkt zu vereinheitlichen und zu fördern.

Weitere Änderungspunkte

Es gibt eine Vielzahl weiterer Änderungsvorschläge, von denen hier einige zu nennen sind:

Die Anpassungen der Steuersätze sollen jährlich in Abhängigkeit von der Inflation vorgenommen werden. Bei den Mindeststeuerbeträgen für Kraftstoffe, Heizstoffe und Elektrizität soll stärker differenziert werden und Strom soll unter den am geringsten besteuerten Energiequellen sein. Dies gilt insbesondere für den Transportsektor, wo die Elektromobilität weiter gefördert werden soll. Bei der Besteuerung von Diesel soll die Unterscheidung zwischen gewerblichem und nicht-gewerblichem Verbrauch als Kraftstoff sowie für Heizung und Elektrizität entfallen. Neben weiteren Änderungen für die Luftfahrt soll (mit Ausnahme von reinen Frachtflügen) die Kerosinsteuerbefreiung im innereuropäischen Flugverkehr schrittweise über einen Zehn-Jahres-Zeitraum entfallen und die Rahmenvorgaben für die (optionalen) Ermäßigungen für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sollen restriktiver gefasst werden.

Auswirkungen für Unternehmen und Verbraucher

Die Steuersätze für Energieerzeugnisse und Strom in Deutschland liegen in weiten Teilen bereits jetzt deutlich über dem Niveau der europäischen Mindeststeuersätze. Aus diesem Grund ergeben sich nicht in allen von der Kommission angesprochenen Bereichen auch unmittelbare Auswirkungen auf Unternehmen und Verbraucher in Deutschland. Allerdings dürften die strukturellen Unterschiede, insbesondere bei der Besteuerung von fossilen und nachhaltigen Biokraft- bzw. Biobrennstoffen, die aktuelle nationale Steuersystematik verändern. Positive Auswirkungen erhofft sich die Kommission bei der Umstellung auf nachhaltige Energieerzeugnisse bzw. Strom.

Deutliche (restriktive) Auswirkungen haben die Vorschläge dort, wo bestehende Steuerbefreiungen und Steuerermäßigung gestrichen oder eingeschränkt werden. Dies betrifft u.a. die Luftfahrt und die Unternehmen des Produzierenden Gewerbes. Aufgrund der beihilfenrechtlichen Beschränkung für den sog. Spitzenausgleich für die Unternehmen des Produzierenden Gewerbes wird in Deutschland zum 1.1.2023 ohnehin eine Neuregelung erforderlich. Die neuen europäischen Vorgaben könnten – womöglich sogar bereits vor einer europäischen Einigung – im nationalen Gesetzgebungsverfahren nächstes Jahr eine Rolle spielen.

Ausblick

Da es um Steuern geht, müssen die Mitgliedstaaten die Novelle einstimmig beschließen. Als Teil des „großen“ Pakets ist es dennoch nicht unwahrscheinlich, dass ein Kompromiss zustande kommt. Für betroffene Unternehmen gilt daher wie so oft, sich frühzeitig in die Diskussionen einzubringen. Die Richtlinie wird zwar noch in nationales Recht umzusetzen sein und damit erst in einigen Jahren in Deutschland „ankommen“, aber dann besteht für den nationalen Gesetzgeber kaum noch Spielraum.

Ansprechpartner*innen: Niko Liebheit/Andreas Große/Rebecca Mes

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