„Fit for 55“ – Teil 7: Energieeffizienzrichtlinie und die Erneuerbare-Energien-Richtlinie

Im Rahmen der Blog-Reihe zum Fit-for-55-Paket der Europäischen Kommission stellen wir nun die Vorschläge der Kommission zur Reform der Energieeffizienz-Richtlinie (EED) und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) mit Bezug auf die Industrie vor.

Neue Ziele für Erneuerbare Energie in der Industrie

Die RED II ist der zentrale Rechtsakt für den Ausbau Erneuerbarer Energien in der EU. Der Bereich der Industrie wurde bisher in erster Linie über den Emissionshandel adressiert, doch nun formuliert die Kommission erstmals Ziele und Maßnahmen für Erneuerbare Energien in der Industrie.

Der Vorschlag für einen neuen Art. 22a RED II sieht vor, dass Mitgliedstaaten sich bemühen, den Anteil erneuerbarer Ressourcen an den Energieträgern, die für Endenergie und nichtenergetische Zwecke in der Industrie verwendet werden, jährlich um mindestens 1,1 Prozent bis 2030 zu steigern. Es handelt sich dabei um einen unverbindlichen Richtwert, wobei sich die Höhe dabei mit der Mindestvorgabe im Wärme- und Kältesektor nach Art. 23 RED II deckt. Zur „Industrie“ gehören nach dem Vorschlag der Kommission alle Unternehmen und Produkte, die unter die Abschnitte B, C, F und J (Abteilung 63) der Statistische Systematik der Wirtschaftszweige (NACE) fallen. Das betrifft also Bergbau und die Gewinnung von Steinen und Erden, verarbeitendes Gewerbe und die Herstellung von Waren, Baugewerbe und Informationsdienstleistungen.

Der Vorschlag enthält aber auch ein verbindliches Ziel: Bis 2030 sollen 50 Prozent des Wasserstoffs, der in der Industrie als Energieträger oder Rohstoff eingesetzt wird, aus erneuerbaren Brennstoffen nicht-biologischen Ursprungs stammen. Die Kommission schlägt vor, die bestehende Definition für erneuerbare Kraftstoffe für den Verkehr (Art. 2 Nr. 36 RED II) zu ändern und auf alle Sektoren anzuwenden. Erneuerbare Brennstoffe nicht-biologischen Ursprungs sind dementsprechend flüssige oder gasförmige Brennstoffe, deren Energiegehalt aus erneuerbaren Energiequellen mit Ausnahme von Biomasse stammt.

Zuletzt schlägt die Kommission im Rahmen des Art. 22a RED II vor, eine EU-weite gemeinsame Methodik für die Kennzeichnung von umweltfreundlichen Industrieprodukten einzuführen. Aus ihr soll sich ergeben, zu welchem Prozentsatz erneuerbare Energien verwendet wurden.

Kraft-Wärme-Kopplung

Die Kommission hat außerdem einen Vorschlag zur Neufassung der EED vorgelegt. Die EED stammt aus dem Jahr 2012 und wurde seitdem schon mehrfach geändert. Nun steht eine komplette Überarbeitung des Regelwerks an. Wie auch bisher sollen in der Richtlinie die Kriterien für die hocheffiziente KWK in einem Anhang festgelegt werden. Neu ist dabei, dass erstmals ein CO2-Benchmark für hocheffiziente KWK eingeführt wird, der bei 270 g CO2 pro kWh liegen soll.

Zusammen mit den Vorschlägen der Kommission, einen Dekarbonisierungspfad für die energieeffiziente Fernwärme und Fernkälte in Art. 24 EED-Entwurf zu definieren (wir berichteten), dürfte dieser CO2-Benchmark für die KWK einen weiteren Schritt auf dem Weg zum vollständigen Kohleausstieg bedeuten. Die Nutzung von Wärme aus Kohle-KWK würde dann ab 2026 nicht mehr als Beitrag zur Erfüllung der Effizienzkriterien für Wärme- und Kältenetze zählen.

Energieaudit

Der Vorschlag für die Neufassung der EED entwickelt außerdem die Vorgaben für Energiemanagementsysteme (EMAS) und Energieaudits weiter.

Das Energieaudit beschreibt ein Verfahren, mit dem Informationen über das Energieverbrauchsprofil unter anderem eines Betriebsablaufs oder einer Anlage in der Industrie erlangt werden, um Möglichkeiten für kostenwirksame Energieeinsparungen zu ermitteln und quantifizieren. Demgegenüber setzt ein EMAS ein Energieeffizienzziel fest und entwickelt eine Strategie, um diese Ziele zu erreichen. Das EMAS ist damit aufwändiger und stärker auf die Umsetzung der potenziellen Maßnahmen ausgerichtet.

Nach den Vorschlägen der Kommission soll zunächst die Definition des Energieaudits angepasst werden, um ausdrücklich auch das Potenzial für die kosteneffiziente Erzeugung oder Nutzung Erneuerbarer Energien zu identifizieren. So sollen also nicht nur Energieeffizienz, sondern auch die Dekarbonisierung in der Industrie stärker gefördert werden.

Art. 11 des EED-Entwurfs sieht vor, dass alle Unternehmen, die über die letzten drei Jahre einen durchschnittlichen jährlichen Energieverbrauch von mehr als 100 TJ hatten, verpflichtet werden, ein EMAS einzurichten. Unternehmen mit einem durchschnittlichen jährlichen Energieverbrauch von mehr als 10 TJ über die letzten drei Jahre müssen regelmäßig ein Energieaudit durchführen. Bisher gibt es keine Pflicht zur Einrichtung eines EMAS und die Energieauditpflicht gilt nur für große Unternehmen, also keine KMU. Künftig soll die Pflicht nicht mehr an die Größe des Unternehmens, sondern den Energieverbrauch anknüpfen. Der Entwurf schlägt außerdem vor, dass die Ergebnisse des Energieaudits und die Handlungsempfehlungen, die sich daraus ergeben, im Jahresbericht des Unternehmens veröffentlicht werden müssen. Ausnahmen von dieser Pflicht sollen für Unternehmen gelten, die einen Energieliefervertrag abschließen, der die Anforderungen nach Anhang XIV des EED-Entwurfs erfüllt, der im Wesentlichen dem jetzigen Anhang XIII EED entspricht.

Abwärme

Aus den Entwürfen der Kommission geht außerdem hervor, dass die Nutzung von Abwärme gestärkt werden soll. Hierfür soll insbesondere die Verfügbarkeit von Informationen über Abwärme verbessert werden.

Bereits jetzt sieht Art. 14 Abs. 5 EED vor, dass Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen bei der Planung oder Modernisierung einer Anlage eine Kosten-Nutzen-Analyse durchführen müssen. Ziel ist es insbesondere zu prüfen, ob eine gekoppelte statt einer ungekoppelten Energieerzeugung möglich ist oder die Abwärme nahegelegener Industrieanlagen für die Fernwärme genutzt werden kann. Bisher galt diese Pflicht grundsätzlich ab einer Anlagengröße von 20 MW. Nun soll die Schwelle auf 5 MW abgesenkt und teilweise neu eingeführt werden für Anlagen zur thermischen Stromerzeugung, für Industrieanlagen und Serviceeinrichtungen. Statt der Kosten-Nutzen-Analyse kann auch ein Energieaudit durchgeführt werden.

Eigentümer und Betreiber von Rechenzentren sollen nach den Vorschlägen der Kommission bestimmte Informationen öffentlich zugänglich machen. Das betrifft etwa Angaben über die Grundfläche des Rechenzentrums, die installierte Leistung, den jährlichen Datenverkehr und die Leistung des Rechenzentrums im letzten vollen Kalenderjahr u.a. nach den Leistungsindikatoren Energieverbrauch, Stromverbrauch, Temperatursollwerte, Abwärmenutzung, Wasserverbrauch und Nutzung Erneuerbarer Energien. Außerdem müssen Rechenzentren ab einer Gesamt-Nennenergiezufuhr von 1 MW eine Kosten-Nutzen-Analyse durchführen, ob Abwärme genutzt werden kann beziehungsweise die Anbindung an ein effizientes Fernwärme- oder Fernkältesystem möglich ist. Die Analyse muss nicht durchgeführt werden, wenn die Abwärme des Rechenzentrums bereits für die Fernwärmeversorgung oder die Wärme- und Warmwasserversorgung von nahegelegenen Gebäuden genutzt wird.

Die Mitgliedstaaten sollen nach den Entwürfen Informationen aus den Kosten-Nutzen-Analysen über Wärmemengen, Wärmeparameter, Anzahl der geplanten Betriebsstunden im Jahr und die geographische Lage der Standorte sammeln und veröffentlichen. Dadurch soll unter anderem die Wärmeplanung unterstützt werden (wir berichteten).

Wie geht es weiter?

Mit den neuen Vorschlägen adressiert die Kommission erstmals ausdrücklich die Industrie. Im Rahmen der Diskussionen um die Vorschläge wird auch zu klären sein, in welchem Verhältnis die Maßnahmen zum Emissionshandel stehen, der bisher das zentrale Instrument zur Dekarbonisierung in diesem Sektor ist. Bis zum 21.9.2021 ist es noch möglich eine Stellungnahme zu den Entwürfen auf der Homepage der Kommission abzugeben.

Ansprechpartner*innen: Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel/Dr. Heiner Faßbender

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