Fortentwicklung des Redispatch 2.0 – Erste Pflöcke werden eingerammt
Es gibt wieder Neues zum Redispatch 2.0, dieses Mal sogar von zwei Seiten: Zum einen hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) jüngst Eckpunkte zur Fortentwicklung des Redispatch 2.0 vorgestellt. Zum anderen adressiert der Regierungsentwurf zur EnWG-Novelle – neben vielen anderen Themen – auch das Thema des bilanziellen Ausgleichs bei Redispatch-Maßnahmen auf der Verteilernetzebene.
Was bislang geschah?
Doch zunächst ein kurzer Rückblick: Zum 01.10.2021 trat das Redispatch 2.0 – ein einheitliches Abregelungsregime im Fall von Netzengpässen – in Kraft (vgl. §§ 13 ff. EnWG). Ein Herzstück der Neuregelungen war, dass im Fall einer Redispatch-Maßnahme der Bilanzkreisverantwortliche der betroffenen Anlage einen Anspruch auf bilanziellen Ausgleich gegen den abregelnden Netzbetreiber haben sollte. Der bilanzielle Ausgleich funktioniert bis heute nicht und das, obwohl die Bundesnetzagentur mittlerweile fünf konkretisierende Festlegungen erlassen hat; vielmehr wird sich mit einer (rechtlich nicht abgesicherten) sog. Übergangslösung geholfen. Die Bundesnetzagentur nahm dies im letzten Jahr zum Anlass für eine Fehleranalyse und beauftragte dazu einen Sachverständigen. Die Behörde hat die Vorschläge des Sachverständigen nun in ein Konsultationspapier aufgenommen, zu dem bis Anfang November Stellung genommen werden konnte.
Wesentlicher Inhalt des Konsultationspapiers
Das Konsultationspapier schlägt im Wesentlichen Änderungen in drei Bereichen vor: Bilanzierungsmodelle, Kommunikationsprozesse und Netzbetreiberkoordination. Zu den Bilanzierungsmodellen schlägt die Bundesnetzagentur unter anderem vor, dass Anlagenbetreibern zukünftig kein Wahlrecht zwischen Prognose- und Planwertmodell mehr zustehen soll. Vielmehr sollen immer mehr Anlagen verpflichtend in das Planwertmodell überführt werden; den entsprechenden Fahrplan dafür sollen die Übertragungsnetzbetreiber vorgeben. Bemerkenswert ist außerdem, dass die Pauschalabrechnung für die Bestimmung der Höhe der Ausfallarbeit aufgehoben werden soll; stattdessen soll „mindestens“ das Spitzabrechnungsverfahren light zur Anwendung kommen.
Im Bereich der Kommunikationsprozesse ist hervorzuheben, dass die bisher auf zahlreiche Schultern verteilte Aufgaben beim sog. Einsatzverantwortlichen gebündelt werden sollen. Diese Rolle soll im Zweifel der Bilanzkreisverantwortliche übernehmen. Darüber hinaus sollen standardisierte Antwort- und Clearingprozesse eingeführt werden. Eine weitere bemerkenswerte von der BNetzA angedachte Änderung ist die Übermittlung von angereicherten Stammdaten, ohne initiale Stammdaten dauerhaft vorzusehen. Dies ist derzeit nur auf Basis einer Umsetzungsfrage (Nr. 13) möglich. Der Abruf soll mit einer Frist von höchstens 30 Minuten vor Beginn der Maßnahmen vom Anschlussnetzbetreiber an den Bilanzkreisverantwortlichen des jeweils der Anlage zugeordneten Lieferanten angekündigt werden.
Durch die rechtzeitige Kommunikation soll die bisher größte Herausforderung im Redispatch 2.0, der bilanzielle Ausgleich, verbessert werden. Auch hinsichtlich der Netzbetreiberkoordination soll konkret definiert werden, in welchen Fristen die Anforderung von Abrufen eines anfordernden Netzbetreiber an nachgelagerte Netzbetreiber übermittelt werden soll (spätestens 45 Minuten im Voraus oder abweichend maximal 60 Minuten). Damit soll gewährleistet werden, dass der anweisende Netzbetreiber die Informationen frühzeitig an den Einsatzverantwortlichen weiterleitet.
Wesentlicher Inhalt der Änderungen durch die EnWG-Novelle
Mit den geplanten Änderungen des §§ 13 ff. EnWG wird letztlich die bisher praktizierte Übergangslösung legalisiert: Der Anspruch des Bilanzkreisverantwortlichen auf bilanziellen Ausgleich bei Redispatch-Maßnahmen wird (auf Verteilnetzebene) abgeschafft. An seine Stelle soll ein Anspruch auf „angemessenen Aufwendungsersatz“ bestehen. Konkret bedeutet das: Der Bilanzkreisverantwortliche führt den bilanziellen Ausgleich eigenständig durch und erhält vom Verteilernetzbetreiber dafür eine finanzielle Entschädigung. Diese Vorgehensweise soll zunächst bis 31.12.2031 gelten. Die Bundesnetzagentur soll aber bis zu einem bestimmten, noch nicht genau bekannten Stichtag bestimmen, unter welchen Voraussetzungen von der legalisierten Übergangslösung zum Zielmodell (= bilanzieller Ausgleich wie ursprünglich angedacht) gewechselt werden kann. Ab 2032 soll erneut ein flächendeckender Versuch unternommen werden, den bilanziellen Ausgleich durch den Netzbetreiber umzusetzen und zu der heute eigentlich geltenden Gesetzeslage zurückzukehren.
Ausblick
Ob und in welchem Umfang die Änderungsvorschläge der Bundesnetzagentur tatsächlich das Licht der Welt erblicken werden, ist noch offen. Denn zum Konsultationspapier sind einige kritisierende Stellungnahme eingereicht worden (Link), mit denen sich die Bundesnetzagentur nun wird beschäftigen müssen. Angesichts der aktuellen politischen Lage ist es gleichermaßen offen ist, ob die geplanten Neuregelungen im EnWG in Gesetzesform gegossen werden. Es bleibt also weiter spannend beim Redispatch 2.0 und wir werden die Entwicklung selbstverständlich weiterhin für Sie begleiten.
Ansprechpartner: Florian Wagner/Christoph Lamy/Hannes Sauter