Gas-Preiserhöhungsklausel: Sich am Gesetzgeber anlehnen kann riskant sein

Mit einer Vertragsklausel, die einfach eine entsprechende Regelung des Gesetzgebers übernimmt, kann man nichts falsch machen. Sollte man meinen.

Tatsächlich sehen sich Gasversorger, die sich mit dieser Strategie auf der sicheren Seite wähnten, womöglich schon bald eines Besseren belehrt: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) könnte feststellen, dass eine Klausel in Sonderverträgen, die auf die entsprechende gesetzliche Regelung für Tarifkunden verweist, am Transparenzgebot scheitert und damit unwirksam ist.

Das OLG Oldenburg hat diese Frage (Az. 12 U 49/07) kürzlich dem EuGH vorgelegt. Nach unserer Einschätzung ist gut möglich, dass der EuGH sie tatsächlich bejaht und damit die Klausel kippt.

Streit um einseitige Preiserhöhung

Die umstrittene Klausel betrifft die Frage, wann und wie der Gasversorger den Preis nachträglich anpassen darf.

In dem beim OLG Oldenburg anhängigen Fall hatten 55 Endverbraucher ihren Gaslieferanten EWE verklagt, weil sie deren Preiserhöhungen nicht bezahlen wollten. Sie bezogen ihr Gas nicht als Tarifkunden im Rahmen der Grundversorgung, sondern aufgrund eines Sondertarifs. Die dafür geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der EWE sahen vor, dass sich die Preise dann ändern, wenn sie sich auch im Grundversorgungstarif ändern, und zwar um den gleichen Betrag und zum gleichen Zeitpunkt.

Nach deutschem AGB-Recht ist daran nichts auszusetzen – so zumindest der Bundesgerichtshof (BGH): Der kam zuvor zu dem Schluss, dass die Klausel zwar gemessen an den Maßstäben, die man sonst anlege, nicht transparent genug sei. Aber in diesem Fall könne nicht von einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden die Rede sein, weil es ja die Preisänderungsregelung in den Grundversorgungsverordnungen gebe und diese auch für Sonderverträge eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne“ entfalte.

Transparenzgebot

Ob der EuGH das auch so bewertet, ist offen. Denn nach dem gemeinschaftsrechtlichen Transparenzgebot muss eine Regelung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts dessen Anlass, Voraussetzungen und Umfang konkret benennen. Der Verbraucher muss also erkennen können, wann und ob sich der Preis ändert und was er tun kann, wenn er damit nicht einverstanden ist. Ob eine Klausel, die nur auf die für die Grundversorgung geltende Regelung verweist, diesem Maßstab genügt, ist sehr die Frage.

Zu welchem Schluss der EuGH kommen wird und wie weit die Wirkungen seines Urteils reichen, kann im Moment noch niemand sagen. Sicher ist nur eins: Verträge, die beim Thema Preisanpassung ausschließlich die gesetzlichen Regelungen übernehmen (ohne weitere Kriterien zum Schutz des Kunden zu enthalten), sind riskant und aus heutiger Sicht nicht zu empfehlen. Das gilt auch für entsprechende Klauseln in Stromlieferverträgen.

Unsere Formulierung der Preisanpassungsklausel in den BBH-Musterverträgen für Haushaltskunden Strom und Gas ist dagegen von diesem Problem nicht betroffen. Sie können wir weiterhin uneingeschränkt empfehlen.

Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Dr. Jost Eder

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