Gasmarkt: Die K-Frage ist entschieden – zumindest vorläufig

Die K-Frage: Jeder stellt sie, keiner kennt die Antwort. Besonders intensiv beschäftigt die K-Frage in diesen Tagen die Gaswirtschaft. Gemeint ist nicht die Kanzlerkandidatur der CDU/CSU, sondern das Konvertierungsentgelt: Kommt es oder nicht?

Jetzt ist die Antwort da: Es kommt – wenn auch zunächst nur vorläufig für sechs Monate. Ab dem 1.4.2011 ist die NetConnect Germany (NCG) verpflichtet, von Gashändlern ein spezielles Entgelt zu erheben, das den unterschiedlichen Energiegehalt verschiedener Gassorten (H-Gas mit hohem Brennwert und L-Gas mit niedrigerem Brennwert) bei der Ein- und Ausspeisung von Gas ins Netz ausgleicht – das so genannte Konvertierungsentgelt (Bundesnetzagentur (BNetzA), Beschluss vom 24.2.2011).

Notwendig wurde dieses Entgelt zunächst dadurch, dass durch den Anschluss der Marktgebiete von Thyssengas und Open Grid Europe (OGE) zum Marktgebiet von NCG erstmalig in Deutschland ein qualitätsübergreifendes Marktgebiet entsteht. Die physikalische Trennung der Marktgebiete mit unterschiedlichen Gasqualitäten sollte jedoch durch die Zusammenlegung nicht berührt werden. Da trotzdem ein virtueller qualitätsübergreifender Transport ermöglicht werden musste, sorgte die BNetzA sich schon frühzeitig, ob sie den möglichen Auswirkungen eines solchen Unterfangens gewachsen wäre. Welche Marktverschiebungen könnte eine solche Zusammenlegung verursachen? Könnte es sein, dass plötzlich alle Händler nur noch H-Gas einkaufen und L-Gas verkaufen? Würde der sowieso schon hohe Regelenergiebedarf weiter steigen und einen Ausgleich zusätzlicher physikalischer Ungleichgewichte weiter erschweren? Wie sind die entstehenden Kosten verursachungsgerecht zu verteilen?

Getreu dem Motto „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ brachte die BNetzA – gegen die Bedenken der meisten Marktbeteiligten – das Konvertierungsentgelt ins Spiel: Ab dem Zeitpunkt der Marktzusammenlegung wird die NCG gegenüber einem Bilanzkreisverantwortlichen dann ein Konvertierungsentgelt verlangen, wenn dessen tägliche Ein- und Ausspeisungen in den unterschiedlichen Gasqualitäten nicht ausgeglichen sind. Dabei werden die täglich bilanzierten Einspeise- und Ausspeisemengen getrennt nach H-Gas und L-Gas saldiert. Das Konvertierungsentgelt fällt jeweils an, wenn die tägliche Saldierung eine Überdeckung in der einen und eine Unterdeckung in der anderen Gasqualität ergibt. Als zu konvertierende Menge gilt dabei jeweils der kleinere der qualitätsscharfen Salden.

Dadurch sollen einerseits die Kosten, die NCG durch den möglicherweise erforderlichen Ausgleich physikalischer Ungleichgewichte enstehen, abgedeckt werden. Andererseits soll das Konvertierungsentgelt missbräuchliche Arbitragegeschäfte einzelner Marktbeteiligter verhindern.

Handelshemmnis

Ob das der richtige Weg ist, um qualitätsübergreifende Marktgebiete zu schaffen, mag man durchaus bezweifeln. Denn schließlich wird das Konvertierungsentgelt den qualitätsübergreifenden Handel, der durch die Zusammenlegung erst ermöglicht werden sollte, wieder ganz erheblich einschränken. Ein einheitliches Marktgebiet, wie § 21 GasNZV es eigentlich vorschreibt, entsteht gerade nicht, wenn die Teilnehmer, die die Vorzüge des neuen Marktgebietes nutzen wollen, mit einem zusätzlichen Entgelt „bestraft“ werden. Daneben bleibt völlig unklar, wie die NCG eine saubere Trennung von Regelenergiekosten auf der einen Seite und Konvertierungskosten auf der anderen Seite bewerkstelligen will und wie Höhe sowie Angemessenheit des Engelts von der BNetzA wirksam kontrolliert werden können.

Zwar hat die NCG ganz erhebliche Informationspflichten zu erfüllen. So muss sie den Betroffenen sachgerechte Informationen, um die Abrechnung prüfen zu können, zur Verfügung stellen und die BNetzA über verschiedene Parameter, die einer Überprüfung des Konvertierungsentgelts dienen können, informieren. Ob damit aber eine nachvollziehbare Prüfung durch die BNetzA gewährleistet ist, bleibt ungewiss. Die Befürchtung ist daher groß, dass sich das Konvertierungsentgelt neben der Regelenergieumlage zu einem weiteren kaum kontrollierbaren Kostenpunkt entwickelt, der die Händler belastet und die Liquidität des Marktes verringert.

Bemerkenswert ist auch, dass die BNetzA die Höhe des Konvertierungsentgelts nicht selber festgelegt, sondern lediglich gedeckelt hat. Das Konvertierungsentgelt darf demnach die Differenz zwischen dem Entgelt für positive Ausgleichsenergie und dem Entgelt für negative Ausgleichsenergie nicht übersteigen, und die Kosten der Konvertierung sollen möglichst ergebnisneutral gedeckt werden. Die NCG hat daraufhin einen Betrag von 2 €/MWh festgesetzt, was ganz erheblich über den von den Marktbeteiligten im Konsultationsverfahren geforderten Beträgen liegt. Es muss sich nun zeigen, ob dieser Betrag den Anforderungen der BNetzA gerecht wird.

Unklar bleibt schließlich auch, ob das Konvertierungsentgelt zukünftig fortbesteht: wird das Entgelt langfristig abgeschmolzen oder eventuell bald schon wieder vollständig aufgehoben? Wird stattdessen eine Konvertierungsumlage eingeführt?

Was sicher ist: Die BNetzA wird in einem Hauptverfahren über das zukünftige Fortbestehen und die konkrete Ausgestaltung des Konvertierungsentgelts entscheiden. Bis dahin besteht das Konvertierungsentgelt nur vorläufig. Die „Initiative L-Gas in Deutschland“, der ein Großteil der deutschen L-Gas Händler angehören und deren Ziel unter anderem die Entstehung eines liquiden qualitätsübergreifenden Marktgebietes ist, wird dieses Hauptverfahren aktiv mitbegleiten.

Ansprechpartner: Dr. Olaf Däuper/Klaus-Peter Schönrock

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