Geht der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung die Luft aus? – Die Schlinge zieht sich zu!
Leiharbeit ist seit vielen Jahren ein umstrittenes Thema, und auch in den jüngsten Koalitionsverhandlungen hat die Überlassung von Arbeitnehmern eine wichtige Rolle gespielt. Einer der heißesten Punkte ist seit jeher die Frage, ob Arbeitnehmer auch dauerhaft an ein drittes Unternehmen ausgeliehen werden können. Die Schlinge um die dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung zieht sich allmählich zu – wobei an einem Seilende die Rechtsprechung und an dem anderen die Politik zerrt.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass eine gesetzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten eingeführt werden soll. Eine solche gesetzliche Höchstüberlassungsdauer gab es früher schon; sie wurde vor einigen Jahren abgeschafft. Stattdessen findet sich seit dem 1.12.2011 im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) der schlichte Satz: „Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“
Seitdem rätselte die Fachwelt, ob dieser Satz wirklich Rechtswirkungen entfaltet oder doch nur als deklaratorischer Programmsatz zu verstehen ist. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat unlängst in einem Grundsatzbeschluss klar gemacht: Der Satz ist ernst zu nehmen und die nicht vorübergehende Überlassung schlicht verboten (Beschluss vom 10.7.2013 – Az. 7 ABR 91/11).
Doch wann ist eine Überlassung vorübergehend? Eine starre Zeitgrenze ist bislang nicht erkennbar und wurde nun auch vom BAG nicht definiert. Und woran soll angeknüpft werden? Personenbezogen an die Einsatzdauer des jeweiligen Leiharbeitnehmers oder arbeitsplatzbezogen an den Zeitraum, in dem die Stelle nicht von der Stammbelegschaft besetzt wird? Das BAG musste hierüber im konkreten Fall noch nicht entscheiden und hielt sich daher bedeckt. Nicht nur die klassische Leiharbeitsbranche muss sich spätestens jetzt auf die neuen Einschränkungen einstellen, ohne zu wissen, wo die genauen Grenzen liegen. Auch konzerninterne Überlassungsmodelle, wie sie auch in der Versorgungswirtschaft durchaus auch dauerhaft praktiziert werden, müssen nun gründlich überdacht und in aller Regel neu ausgerichtet werden.
Das Ende der Gestellung im öffentlichen Dienst?
Selbst die im Öffentlichen Dienst tarifvertraglich vorgesehene und weit verbreitete Gestellung steht auf der Kippe: Bislang können Angestellte, deren Dienststelle bei ihrem bisherigen Arbeitgeber wegen Privatisierung auf einen neuen, privatrechtlichen Träger übergeht, auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz auch dann weiterarbeiten, wenn sie nicht den Arbeitgeber wechseln. Indem sie dem neuen Träger nur „leihweise“ überlassen werden, können sie ihr Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen des Öffentlichen Dienstes beim bisherigen Arbeitgeber beibehalten, der sie häufig selbst gar nicht mehr beschäftigen könnte. Beispielsweise dürfte eine Kommune, die ihr einziges Krankenhaus privatisiert hat, kaum noch eigene Verwendungsmöglichkeiten für Pflegepersonal oder Ärzte haben. Wäre die grundsätzlich dauerhafte Gestellung an den neuen Träger künftig verboten, bliebe den Betroffenen nur übrig, den Arbeitgeber zu wechseln oder aus dem Öffentlichen Dienst auszuscheiden. Die Beschränkung der Arbeitnehmerüberlassung könnte sich also für diese Arbeitnehmer nicht als Segen, sondern als Fluch erweisen.
Weitere höchstrichterliche Klärung – womöglich nur von vorübergehendem Wert
Morgen nun steht beim BAG die Revisionsverhandlung für ein weiteres Verfahren (Az. 9 AZR 51/13) an, in dem es nicht nur um die Frage geht, wo die Grenze der „vorübergehenden“ Überlassung liegt, sondern auch darum, was passiert, wenn diese Grenze überschritten ist. Einige Landesarbeitsgerichte urteilten bislang noch unterschiedlich darüber, ob dann ein Arbeitsverhältnis unmittelbar zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher fingiert wird oder nicht.
Doch selbst wenn das BAG hierzu am 10.12.13 ein Machtwort sprechen sollte, könnte dieses wohl nur „vorübergehend“ relevant sein: Denn der am 26.11.2013 ausgehandelte Koalitionsvertrag sieht unter der Teilüberschrift „Arbeitnehmerüberlassung entwickeln“ vor, die Überlassungsdauer auf maximal 18 Monate zu begrenzen, wobei die überlassenen Arbeitnehmer spätestens nach neun Monaten ausnahmslos mit Stammarbeitnehmern gleichgestellt sein sollen. Immerhin aber soll die Möglichkeit bestehen, mit Tarifverträgen abweichende Lösungen zu vereinbaren. Ob und wie dieses Vorhaben dann gesetzgeberisch umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Dann wäre nicht nur der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung vollständig die Luft abgeschnürt, sondern manche Stimmen befürchten sogar generell einen „Todesstoß“ für die Leiharbeit.
Auf jeden Fall sollte man aber einstweilen schon prüfen, ob und wie bisher praktizierte Modelle noch aufrecht erhalten werden können, oder auf andere, noch verbleibende Gestaltungsalternativen umgestellt werden muss.
Ansprechpartner: Dr. Jost Eder