Gestiegene Energiepreise: Energieversorger in der Insolvenz?

Die Energiepreise sind massiv gestiegen und haben auch in Deutschland die ersten Energieversorger in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht. Es gab zuletzt entsprechende Meldungen über Insolvenzen und gekündigte Bilanzkreisverträge. Die aktuellen Entwicklungen könnten sich auch auf Netzbetreiber auswirken, wenn Netznutzer (Lieferanten) Forderungen aus Netzentgelten unzuverlässig oder – im schlimmsten Fall – gar nicht bedienen.

Beobachtung von zahlungsauffälligen Vertragspartnern

Aufgrund der aktuellen Marktsituation sollten Vertragspartner verstärkt beobachtet werden. Bei Zahlungsauffälligkeiten, insbesondere bei Zahlungsverzug, Teilzahlungen und ganz ausbleibenden Zahlungen, sollte umgehend geprüft werden, welche vertraglichen Reaktionsmöglichkeiten es gibt. Es darf dann auch konsequent gehandelt werden.

Zu prüfen wäre etwa, ob wegen der Zahlungsprobleme nach § 11 Ziffer 2 lit. a und b LRV Strom bzw. § 12 Ziffer 1 lit. a und b LRV Gas der Vertragspartner auf monatliche Vorauszahlung umgestellt werden kann. Dies ist dann gerechtfertigt, wenn sich der Vertragspartner trotz Mahnung und Androhung des Entzuges des Netzzugangs im Zahlungsverzug befindet oder bei wiederholtem Zahlungsverzug (zweimal in zwölf Monaten).

Insolvenz eines Vertragspartners

Hat aufgrund des Insolvenzantrags ein Insolvenzgericht die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, werden üblicherweise auch Maßnahmen verfügt, um das vorhandene Vermögen zu sichern.

Typischerweise bleibt die Insolvenzschuldnerin berechtigt, mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters Verfügungen über das Vermögen vorzunehmen, das zur Insolvenzmasse gehört.

Sofern Verträge mit der Insolvenzschuldnerin bestehen, bleibt diese auch während des Eröffnungsverfahrens Adressat von Abrechnungen und der ggfs. vertraglich geschuldeten Kommunikation. Zahlungen an die Insolvenzschuldnerin dürfen schuldbefreiend im Regelfall nur noch an den vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgen.

Umgang mit betroffenen Letztverbrauchern

Kunden, die in Niederspannung bzw. Niederdruck Energie beziehen, sind ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der Bilanzkreiszuordnung, spätestens aber mit dem Entzug des Netzzugangs, dem Grund- und Ersatzversorger zuzuordnen. Dieser beliefert sie zunächst im Rahmen der Ersatzversorgung gemäß § 38 EnWG. Die Abwicklung der Zuordnung erfolgt über den GPKE-/GeLi-Gas-Prozess „Beginn der Ersatz-/Grundversorgung“. Für Haushaltskunden kann sich an die Ersatzversorgung die reguläre Grundversorgung anschließen.

Kunden, die in höheren Spannungsebenen oder Druckstufen versorgt werden, haben kein Recht auf eine Ersatzversorgung. Insoweit besteht das gesetzlich ungeregelte Problem der „Notstromversorgung/Notgasversorgung“. Dieser Kundenkreis muss sich daher unverzüglich einen neuen Lieferanten suchen. Soweit die Insolvenzschuldnerin in höheren Spannungsebenen oder Druckstufen im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen als Lieferant ausgewählt worden war, kann das auch vergaberechtliche Implikationen mit sich bringen, die bei dem notwendigen Lieferantenwechsel zu beachten sind.

Der Netzbetreiber ist nach § 3 Abs. 2 N(D)AV verpflichtet, die Kunden darüber zu informieren, dass das Recht des Lieferanten, Netzzugang zu beanspruchen, wegfällt und dass der Kunde dem Grund- und Ersatzversorger zugeordnet wird.

Auswirkungen auf Lieferanten oder Handelspartner

Unternehmen, die von einer Insolvenzschuldnerin als Vorlieferantin Energie beziehen oder an eine Insolvenzschuldnerin verkaufen, müssen sich kurzfristig strategisch auf unterschiedliche Möglichkeiten des weiteren Ablaufs vorbereiten. Sie können von der Fortführung des Geschäftsbetriebs bis hin zur kurzfristigen Abwicklung reichen.

Je nach konkreter Beschaffungs- und Vertragssituation müssen die betroffenen Unternehmen unmittelbar aktiv werden oder zumindest Vorbereitungen für den Fall treffen, dass die Insolvenzschuldnerin ausfällt.

Ansprechpartner*innen: Jan-Hendrik vom Wege/Markus Ladenburger

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