Happy Brexit-Day? – Zumindest sollte er mal heute sein

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Heute vor zwei Jahren hat bekanntlich die britische Regierung einen Brief nach Brüssel geschrieben und darin im Namen des Vereinigten Königreichs ihre Absicht erklärt, aus der Europäischen Union (EU) auszutreten. Der Brexit sollte damit nach den Verträgen der EU genau mit Ablauf des heutigen Tages, dem 29.3.2019, um Mitternacht stattfinden. Bei aller Unsicherheit die sich dies- und jenseits des Ärmelkanals wegen der daraus folgenden Konsequenzen breitgemacht hat: Wenigstens das Datum galt als sicher (wir berichteten). Sie haben es natürlich auch mitbekommen, der Brexit kommt nun doch nicht heute, sondern am 12.4.2019. Oder am 22.5.2019. Vielleicht aber auch erst in zwei Jahren oder überhaupt nie, wer weiß! Politikerinnen und Politiker in London und Brüssel verhandeln dazu im Wochentakt.

Wenn und wann auch immer er kommt: Der Brexit wird ganz spürbare Auswirkungen haben, und zwar auch auf die Energieversorung, so regional die auch zumeist organisiert ist. So hat zum Beispiel die Intercontinental Exchange (ICE) als größte Terminbörse für Optionen und Futures auf Erdöl und Erdgas in Europa ihren Sitz in London. Zurzeit läuft dieser Handel reibungslos, innerhalb der EU besteht dafür ein gemeinsamer Rechtsrahmen und der Finanzmarkt findet grenzüberschreitend unter einer vergleichbaren Aufsicht statt. Bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs ohne Austrittsauskommen – der berüchtigte Hard Brexit – wäre dies aber alles hinfällig. Das Vereinigte Königreich zählte dann plötzlich als fremder Drittstaat, die Handelsplätze verlören ihre EU-Zulassung. Mit Blick auf die EMIR-Verordnung (VO 648/2012) müssten dort aktuell börsengehandelte Warenderivate zukünftig als außerbörsliche OTC-Derivate behandelt werden. Auf die Händler kämen damit unter Umständen Clearing- und Sicherungspflichten zu, der Handel müsste eingeschränkt oder erhebliche Mehrkosten in Kauf genommen werden. Auch die Transparenzverordnung REMIT (VO 1227/2011) würde im Vereinigten Königreich nicht mehr gelten, britische Händler müssten sich in der EU neu registrieren. Überhaupt: MiFID II (RL 2014/65/EU), CRR (VO Nr. 575/2013) und Co. – alle europarechtlichen Normen wären im Vereinigten Königreich im Grunde obsolet. Rechtsicherheit? Fehlanzeige!

Das klingt nicht nur sehr problematisch, das ist es auch! Da aber das Szenario eines Hard Brexit mittlerweile durchaus möglich erscheint, ergreift die Bundesregierung nun Vorkehrungen für diesen Fall und versucht so die für die Wirtschaft sehr belastende Unsicherheit zu verringern. Der Bundestag hat mit dem Brexit-Steuerbegleitgesetz (BT-Dr. 19/7377) ein Gesetz verabschiedet, das auch für den Handel von Strom, Gas und Emissionszertifikaten von Bedeutung ist. Mit einem neuen Absatz 12 zu § 53b KWG kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) anordnen, dass die Absätze 1 bis 9 des § 53b KWG (darin wird der Marktzugang für im Europäischen Wirtschaftsraum ansässige ausländische Finanzinstitute zum deutschen Markt geregelt) auch für einen Übergangszeitraum von 21 Monaten für Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich unter gewissen Umständen weiter ganz oder teilweise entsprechend anzuwenden sind. Für diese Dauer bliebe dann im Wesentlichen für die betroffenen Geschäftsbeziehungen alles beim Alten. Wichtige Voraussetzung ist zum einen, dass das britische Unternehmen bisher seine Finanzdienstleistungen über eine Zweigniederlassung im Inland oder im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs erbracht hat, und zum anderen, dass die hiernach betriebenen Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen in einem engen Zusammenhang mit den bereits zum Zeitpunkt des Brexits bestehenden Verträgen stehen. Erst neue Kontrakte wären dann unmittelbar vom Brexit betroffen. Für sie wären dann Handelspartner in der EU zu suchen.

Also alles machbar! Sagt zumindest die Bundesregierung, wie aus der Antwort auf eine kleine Anfrage (BT-Dr. 19/8517) im Bundestag hervorgeht. Sie ist sehr optimistisch, dass sich auch ohne die bisherigen britischen Händler genug Vertragspartner in den verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten finden werden. Auch könne die Lücke, die britische Handelsplattformen im europäischen Strom- und Gashandel hinterlassen, doch zum Beispiel von der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig oder der Powernext in Paris ausgefüllt werden. Und außerdem: Britische Handelsplattformen, insbesondere im Energiesektor, würden sicher in Folge des Brexits zahlreich in die EU umziehen. Zugegebenermaßen sei die ICE beim Handel mit Emissionszertifikaten im Moment die mit Abstand umsatzstärkste Handelsplattform, doch stünden sowohl die EEX als auch die Nasdaq OMX Commodities in Oslo schon als Ersatz bereit (nur so am Rande: Norwegen ist natürlich ebenfalls nicht in der EU, sondern Teil des Europäischen Wirtschaftsraums – ein Weg, dem sich die Briten aber vehement verschließen). Eine besondere Gefahr erheblich steigender Preise vermag die Bundesregierung nach alledem also nicht erkennen.

Wenn dann also irgendwann der Tag des Brexits kommt, ob in zwei Wochen oder zwei Jahren: Die Bundesregierung ist guter Dinge, dass es weitergeht. Aber dennoch wird es natürlich kein fröhlicher Tag werden, sondern ein sehr trauriger. Sad Brexit Day, everyone!

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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