Heiß, heißer, Bundestagswahl

Während wir uns auf die heiße Jahreszeit freuen, beginnt bald noch eine andere heiße Phase: Am 26. September ist Bundestagswahl. In wenigen Wochen werden uns wieder viele freundliche Gesichter auf Wahlplakaten entgegenlächeln und zu überzeugen versuchen, unser Kreuz in ihrem Kästchen zu machen. Nun geben für die Wahlentscheidung in der Regel ja nicht (nur) das charmante Lächeln oder der besonders gut sitzende Anzug den Ausschlag, sondern die Inhalte, die von den Kandidaten und Parteien vertreten werden. Tja, und nun wollen wir die Wortspielereien ja nicht überstrapazieren, aber auch hier spielt eine „heiße“ Frage DIE zentrale Rolle: Was tun wir gegen den Klimawandel?

Wenn Sie sich die Wahlprogramme der Parteien mal genauer anschauen, dann taucht etwa im Programm der CDU/CSU das Wort „Klima“ in verschiedenen Kombinationen 91 mal auf. Im Regierungsprogramm 2017 gab es gerade mal 21 Erwähnungen. Ähnlich sieht es in den Programmen der SPD aus: 67 im Jahr 2021 vs. 34 im Jahr 2017. Auch bei Bündnis 90/Die Grünen, bei denen die Themen Umwelt und Klima traditionell prominent belegt sind, ist eine deutliche Steigerung erkennbar. Nun wäre es ja schon interessant, tiefer in die Frage einzusteigen, welche Inhalte die Programme konkret zum Thema Klima haben, aber das würde dann doch leider den Rahmen dieses kleinen Beitrages sprengen. Und eigentlich würden wir die Einschätzung sowieso gerne Ihnen überlassen.

Dass Klimawende und Klimaschutz das heißeste Thema für die Bundestagswahl 2021 ist, wird niemanden verwundern. Wenn wir zurückblicken, war das Thema in den letzten Monaten allgegenwärtig.

Die Bundesumweltministerin Svenja Schulze brachte ein Klimaschutzgesetz auf den Weg. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im April legte die Bundesregierung einmal nach: Ergänzend kamen hinzu die Emissionsminderungspfade für die Jahre nach 2030. Und die Klimaneutralität wurde von 2050 auf 2045 vorgezogen. Ja gut, was sind schon 5 Jahre mehr oder weniger, sagen Sie? Naja, fragen Sie doch mal den Geschäftsführer eines Industrieunternehmens dazu. Die Wirtschaftsunternehmen müssen ihre Dekarbonisierungsstrategien nämlich noch mal deutlich ambitionierter fassen als bisher.

Speziell der Verkehrssektor – der ja klimamäßig noch in der Bringschuld ist – bekam im Juni vom EuGH auf die Mütze: Für die Jahre 2010 bis 2016 waren die Stickoxid-Werte im Verkehr zu hoch und die Bemühungen, diese zu reduzieren, ungenügend. Die Bundesregierung prüft nun, ob bei den Maßnahmen für den Verkehrssektor noch einmal nachgebessert werden muss. Tja, und dann gab es ja noch das Bezirksgericht in Den Haag, das den Konzern Shell im Mai zur CO2-Minderung verpflichtete.

Noch vor wenigen Jahren wären solche Gerichtsurteile kaum vorstellbar gewesen. Klimaschutz ist im Jahr 2021 nicht nur in der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angekommen, sondern auch in der Rechtsprechung.

Aber lassen Sie uns nicht bei den Zielen stehen bleiben. Wie sollen wir diese denn überhaupt erreichen? Der Hoffnungsträger für eine klimaneutrale Wirtschaft ist der Wasserstoff. Wie der Markt effektiv hochgefahren werden kann, darüber wurde und wird trefflich diskutiert, wie etwa im Rahmen unserer Jahreskonferenz. Bis zuletzt argumentierte die Branche, dass nur mit der bestehenden Gasnetzinfrastruktur die Dekarbonisierung bis Mitte des Jahrhunderts erreicht werden kann. Um ein passendes Investitionsumfeld zu schaffen, sei eine gemeinsame Regulierung von Erdgas und Wasserstoff der richtige Weg. Wo soll das Geld für einen grundlegenden Umbau unserer Versorgungsstruktur schließlich herkommen, wenn nicht über eine faire und breite Finanzierung über das Netzentgeltsystem? Der Gesetzgeber gibt nun eine andere Richtung vor: Die EnWG-Novelle, die noch in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause beschlossen wurde, sieht vorerst keine Finanzierung der Wasserstoffinfrastruktur über die Netzentgelte vor. Die Hoffnung richtet sich nun auf Europa. Eine europarechtlich konforme gemeinsamen Regulierung und Finanzierung des Wasserstoff- und Erdgasnetzes wird angestrebt.

Aber brauchen wir nicht eigentlich grünen Strom und zwar in Unmengen? Wo immer er herkommt? Und dazu möglichst ein vereinfachtes Genehmigungsrecht? Das aber trotzdem die Teilhaberechte und den Naturschutz berücksichtigt? Die Beseitigung aller Ausbauhindernisse? Die Zeichen stehen jedenfalls ganz klar auf Transformation der Wirtschaft. Und die Wirtschaft ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. Nun braucht es „nur“ noch eine Bundesregierung, die dynamisch und mutig diese Transformation für die nächsten vier Jahre gestaltet. Was wir nicht brauchen, ist eine Regierung, die sich als Reparaturbetrieb versteht. Wie gerade im Rahmen der EnWG-Novelle geschehen. Hier versucht der Gesetzgeber eine Schnellreparatur der zahlreichen Baustellen im Messstellenbetriebsgesetz. Dabei handelt es sich – um im Bild zu bleiben – eher um einen massiven Motorschaden als um eine Delle im Blech.

Ob damit alle Kritikpunkte des Messstellenbetriebsgesetzes vom Tisch sind, die das OVG NRW noch im März monierte? Das Gericht hob ja im Eilverfahren die Pflicht zum Einbau von intelligenten Messsystemen für die überwiegend von BBH vertretenen Kläger auf. Die Marktverfügbarkeitserklärung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik sei „voraussichtlich rechtswidrig“, so das Gericht. Die gesamte Branche stand Kopf – was bedeutete dies nun für den Smart-Meter-Rollout? Wird es noch ein Hauptsacheverfahren im Laufe des 2. Halbjahres geben? Das wird sich zeigen. Ärgerlich ist es allemal, wenn es erst die Rechtsprechung braucht, die auf Unzulänglichkeiten hinweisen muss. Denn das verzögert grundlegende Transformationsprozesse wie in diesem Fall die Digitalisierung der Energiewende. Und ist doch immer auch aufwändig.

Bevor wir Sie und uns nun in die Sommerferien ziehen lassen, werfen wir doch noch einen Blick auf das, was kommt. Nachgelegt haben ja verschiedene Unternehmen, die sich gegen die Freigabe der E.ON/RWE-Fusion durch die EU-Kommission zur Wehr setzen. Mit Unterstützung von BBH hatten sie im Mai 2020 gegen die Bündelung der Erzeugungskapazitäten bei RWE geklagt; im Februar dieses Jahres ging die Klage gegen die Übertragung der innogy mitsamt Vertrieb, Netz und innovativem Geschäft von RWE auf E.ON beim EuG ein. Wir dürfen gespannt sein, wie das Europäische Gericht den Fall sieht. Droht womöglich eine Rückabwicklung des Deals?

Ein mögliches Ungleichgewicht auf dem Energiemarkt könnte auch aus den geplanten Entschädigungen für die Stilllegung von Braunkohlekraftwerken entstehen. Die EU-Kommission prüft derzeit den Beihilfecharakter der Entschädigungen, die an RWE und die LEAG gehen sollen. Hier reden wir auch mal eben über mehrere Milliarden. Im 2. Halbjahr 2021 werden wir hier mehr wissen.

Wir werden auch erfahren, welche EK-Zinshöhe der Bundesnetzagentur der Erhalt der Versorgungssicherheit und der qualitative Ausbau unserer Netzinfrastruktur am Ende wert ist. Die Regulierungsbehörde hatte bereits eine deutliche Kürzung des EK-Zinses für die 4. Regulierungsperiode in Aussicht gestellt. Nur 4,59 Prozent EK-Zins sollen genügen, um Investitionen in die deutsche Versorgungsnetze attraktiv zu machen. Berechnet hat die BNetzA die EK-Zinshöhe wieder mit der in der Branche umstrittenen Methode historischer Daten. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.

Und dann erwarten wir für den 2.9.2021 auch noch die Antwort des EuGH auf die ganz grundsätzliche Frage, wie das deutsche Regulierungsrecht und die Rolle der Bundesnetzagentur in Zukunft gestaltet sein werden. Die EU-Kommission hatte kritisiert, dass die Behörde zu wenig selbständig ist. Dabei bestätigten die letzten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Sachen EK-Zins für die 3. Regulierungsperiode und in Sachen sektoraler Produktivitätsfaktor doch implizit den bereits vorhandenen Gestaltungsspielraum in ihren Beschlüssen und Festlegungen. Sollte dieser Spielraum noch breiter werden, dürfte eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit gar nicht mehr möglich sein. Was dann?

Bevor wir jetzt den Bogen weiter spannen, erholen wir uns doch erst mal ein bisschen nach einem arbeitsintensivem 1. Halbjahr. Und dann stürzen wir uns – wie die Fußballprofis – in die 2. Halbzeit. Sie und Sepp Herberger wissen ja: „Nach dem Spiel ist immer vor dem Spiel.“

Ihr fußball(zitate)begeisterter

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