Insolvente Energielieferanten: Wie kalkuliert man das Risiko?

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Netzbetreiber bekommen es in jüngerer Zeit vermehrt mit Vertragspartnern zu tun, die insolvent sind und ihre Netzentgelte nicht mehr bezahlen. Das gab es zwar schon immer. Aber neu ist, dass es nicht nur Großkunden wie jüngst Schlecker oder Müller-Brot trifft, sondern auch Energielieferanten: Im letzten Jahr meldete mit TelDaFax ein großer Energieversorger Insolvenz an (siehe unsere Blogs vom 15.6.2011, 6.9.2011, 3.11.20118.3.2012). Jetzt kam auch für die Energie-Genossenschaft EnerGen Süd das Aus. Auch ohne Blick in die Glaskugel dürfte erkennbar sein, dass diese finanziellen Zusammenbrüche eher den Auftakt als das Ende der Turbulenzen bei Energieversorgern in Deutschland markieren. Doch was bedeutet das für die Netzentgeltkalkulation der Netzbetreiber? Gehören insolvenzbedingte Forderungsausfälle zum unternehmerischen Risiko – oder finden sie im System der Anreizregulierung ausreichend Berücksichtigung?

Dabei muss man zunächst unterscheiden: Die Insolvenz eines Energielieferanten ist nicht das Gleiche wie die eines Letztverbrauchers. Wird der Energielieferant insolvent, betrifft das den Netzbetreiber unmittelbar. Aufgrund des zwischen den Beteiligten geschlossenen Netznutzungsvertrages trägt der Netzbetreiber hinsichtlich seiner Netzentgelte das Insolvenzrisiko des Lieferanten. Die Insolvenz eines „all inclusive“ belieferten Kunden, das heißt eines Kunden, der an seinen Energieversorger einen Komplettpreis inklusive Netznutzungsentgelte abführt, tangiert den Netzbetreiber hingegen nicht. Das entsprechende Risiko trägt allein der Lieferant. Eine Schlüsselung dieser vertrieblichen Forderungsausfälle ins Netz darf aufgrund der Entflechtung von Netzbetrieb und Belieferung nicht erfolgen. Der Lieferant sollte mithin insolvenzbedingte Forderungsausfälle bei seinen Preisen einkalkulieren. Geht hingegen ein nicht „all inclusive“ belieferter Letztverbraucher in die Insolvenz, ist der Netzbetreiber wiederum unmittelbar betroffen. Wie beim Energielieferanten liegt hier ein separater Netznutzungsvertrag vor, der dem Netzbetreiber das Risiko des Netzentgeltausfalls aufbürdet.

Der Umgang der Regulierungsbehörden mit insolvenzbedingten Forderungsausfällen ist bislang unterschiedlich. Je nachdem, ob der Insolvenzgläubiger ein Gas- oder Stromnetzbetreiber ist, werden die Forderungsausfälle über das Regulierungskonto anerkannt oder nicht.

Die für Stromnetzentgelte zuständige Beschlusskammer 8 (BK8) der Bundesnetzagentur (BNetzA) berücksichtigt Abschreibungen auf Forderungen nur im Rahmen der sonstigen betrieblichen Kosten innerhalb der Ermittlung des Ausgangsniveaus für die Erlösobergrenze. Eine Abwicklung über das Regulierungskonto kommt demnach nicht in Betracht. Im Gegensatz dazu sollen im Gasbereich insolvenzbedingte Forderungsausfälle, die über die im Ausgangsniveau der Erlösobergrenze enthaltenen Wertansätze hinausgehen, über das Regulierungskonto anerkannt werden. Das postuliert jedenfalls der mit der BNetzA abgestimmte Leitfaden zu Sicherheitsleistungen und Vorauszahlungen im deutschen Gasmarkt, den die Verbände BDEW, VKU und GEODE im Juni 2011 erarbeitet haben. Diese Netzentgeltausfälle sollen jedoch nur dann anerkannt werden, wenn der Gasnetzbetreiber seiner kaufmännischen Sorgfaltspflicht nachkommt, sprich: seine vertraglichen Sicherungsmöglichkeiten ausschöpft und offene Forderungen konsequent eintreibt.

Die für Gasnetzentgelte zuständige Beschlusskammer 9 (BK9) der BNetzA hat jedoch bereits angekündigt, bis zum Ende des Jahres ihre Spruchpraxis zur Anerkennung der Netzentgeltausfälle über das Regulierungskonto aufzugeben. Die BK8 der BNetzA will an ihrer entsprechenden Spruchpraxis festhalten. Damit scheint eine einheitliche Vorgehensweise ohne Ansatz auf dem Regulierungskonto vorgezeichnet.

Gegen eine Anerkennung der Netzentgeltausfälle über das Regulierungskonto spricht freilich, dass sich diese nur schwer unter die nach § 5 Abs. 1 ARegV relevanten Differenzbeträge subsumieren lassen: diese müssen entweder auf Abweichungen der Mengenentwicklung, Abweichung der Kosten für das vorgelagerte Netz oder Abweichung der Kosten im Messwesen beruhen.

Ansprechpartner: Oliver Eifertinger/Dr. Christian Dessau

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