Interviewreihe: Corinna Enders, Vorsitzende der Geschäftsführung der dena

Am 17.9.2024 findet die Dritte KlimAKonferenz auf dem EUREF-Campus in Berlin statt. Die aktuellen Herausforderungen und die Finanzierung der kommunalen Wärmewende sind das zentrale Thema der Veranstaltung. Mit den Entscheider:innen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden, die an der Konferenz teilnehmen, haben wir im Vorfeld Interviews geführt, die wir an dieser Stelle veröffentlichen. Die Interviewreihe setzen wir heute mit Corinna Enders fort, Vorsitzende der Geschäftsführung der dena.

BBH-Blog: Die kommunale Wärmewende wird manchmal als das Rückgrat der Transformation des Energiesystems bezeichnet. Mit anderen Worten: Ohne Wärmewende in den Kommunen, keine Energiewende in Deutschland. Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, vor der die Verantwortlichen stehen?

Corinna Enders: Wichtig ist Verständnis, Beteiligung und Kommunikation: Im Prozess müssen passende Formate und Inhalte der Kommunikation gewählt werden, um unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen und zu überzeugen, an der Wärmewende mitzuwirken. Die Kommunale Wärmewende ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, die vom Handeln aller abhängt. Hierfür braucht es Klarheit in den Aussagen und das Verstehen der Zusammenhänge, zum Beispiel wie mit der Kommunalen Wärmeplanung die Wärmewende erfolgreich vor Ort umgesetzt werden kann. Zurzeit gibt es noch viel Unglauben und Missverständnisse darüber. Wichtig ist zu verstehen, dass es einen gut durchdachten Wärmemix für die Versorgung geben muss, der regional und saisonal sicher aufgestellt ist und die lokalen Gegebenheiten berücksichtigt. Es gibt kein allgemein gültiges Konzept für alle Kommunen, es müssen vielmehr 10.700 Wärmewenden angegangen werden.

Die Transformation ist sicherlich gewaltig. Wir müssen einen großen Teil des Wärmeversorgungssystems umbauen oder neu aufbauen. Weg von der fossilen Verbrennung, hin zur klimaneutralen Wärmeversorgung auf Basis regionaler erneuerbarer Ressourcen. Wärme lässt sich kaum transportieren und muss vor Ort erzeugt werden. Wärme ist zudem kostbar, sollte nicht verschwendet werden. Daher müssen die Gebäude rasch saniert werden und Abwärmepotenziale beispielsweise aus der Industrie oder aus Abwasser mitgedacht werden. Der Umbau bedarf großer Investitionen, kostet Zeit. Erzeugungsanlagen und Infrastruktur verändern das Landschaftsbild. Gegner dieses raschen Umbaus kommunizieren lautstark, die unterstützende Mehrheit schweigt eher. Allerdings gibt es keine Alternative, da die Wärmewende seit Jahrzehnten verschlafen wurde.

BBH-Blog: Die Kosten der Energiewende sind enorm. 721 Milliarden Euro bis 2030 bzw. 1,2 Billionen Euro bis 2035, so rechnen VKU und BDEW. Ein großer Teil davon wird für die kommunale Wärmewende benötigt – rund 400 Milliarden Euro von 2030 bis 2045 für Aus- und Umbau der Fernwärme (Geode). Ganz einfach gefragt: Woher soll das Geld kommen? 

Corinna Enders: Die Finanzierung der dringend notwendigen Investitionen ist aktuell eine der drängendsten Frage. Sie können nicht im ausreichenden Maße durch die Bereitstellung öffentlicher Gelder und Fördergelder getätigt werden. Die aktuelle Haushaltslage, verschärft durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum KTF sowie die gegenwärtige Ausgestaltung der Schuldenbremse, beschränken den finanziellen Gestaltungsspielraum der Bundesregierung. Gleichzeitig fließt bislang noch zu wenig privates Kapital, um die Finanzierungslücke zu schließen. Marktliche Akteure fordern Investitionssicherheit und attraktive Bedingungen. Derzeit werden verschiedene Lösungsansätze debattiert wie z.B. Fondlösungen. Um langfristige Planungssicherheit für alle Akteure herzustellen, sind Lösungen, Kompromisse notwendig, die überparteiliche, gesamtgesellschaftliche Akzeptanz finden. Den Umbau müssen wir alle gemeinschaftlich und sozial verträglich schultern.

Jedes Jahr gibt Deutschland weit über 100 Mrd. Euro für den Import fossiler Energiequellen aus. Mit dem Erreichen von Klimaneutralität und der Steigerung der Energieproduktion in Deutschland können diese Ausgaben deutlich gesenkt und die lokale Wertschöpfung gesteigert werden.

BBH-Blog: Mit dem sogenannten Wärmeplanungsgesetz hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die Wärmewende vor Ort geplant (und durchgeführt) wird – mittels kommunaler Wärmepläne. So richtig es ist, die Gegebenheiten vor Ort ins Zentrum zu stellen, so ambitioniert sind auch die Aufgaben und Fristen (vor allem für die größeren Städte), damit möglichst bald Klarheit über die Wärmeoptionen besteht. Wie schätzen Sie die Zeitpläne ein? Wo sehen Sie Probleme und Engpässe?

Corinna Enders: In der Tat ist es wichtig, so früh wie möglich Klarheit über die Wärmeoptionen zu bekommen, erst dann können auch die Bürger*innen ihre individuellen Entscheidungen treffen. In einigen Gebieten ist das frühzeitig möglich, dann sollte die Kommune dies auch klar kommunizieren. In anderen Gebieten bedarf es erst den Planungsprozess und auch das sollte dann von den Kommunen kommuniziert werden.

Nach vorliegenden Zahlen des Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende (KWW) sind aktuell alle Großstädte in der Vorbereitung oder Durchführung der KWP oder haben diese sogar abgeschlossen. Damit erscheint die Frist bis Juni 2026 für alle Städte mit über 100.000 Einwohnern und Einwohnerinnen als realistisch. Bundesweit hat das BBSR Daten zusammengetragen und kommt zu dem Schluss, dass im Mai 2024 bereits 4.151 Gemeinden mit dem Prozess der KWP begonnen haben. Gleichzeitig waren insgesamt 119 Gemeinden bereits mit der Erstellung des ersten Wärmeplans fertig. Für den überwiegenden Teil dieser Kommunen gilt die Frist bis 2028. Insofern sind diese hier ebenfalls auf einem guten Weg.

Obwohl viele Kommunen mit der Erstellung der Wärmepläne bereits begonnen haben, läuft nicht alles reibungslos. Aus der KWW-Kommunenbefragung wissen wir, dass, unabhängig vom Stand der Wärmeplanung in der Kommune, eine gute Akteursbeteiligung die größte Herausforderung darstellt. Dafür erstellt das KWW aktuell einen eigenen Leitfaden, der im Oktober 2024 veröffentlicht wird. Darüber hinaus ist die Datenerhebung bei den Datenlieferanten zeitaufwendig. Gleichzeitig muss in den Kommunalverwaltungen Personal finanziert, eingestellt und qualifiziert werden. Dies geht einher mit dem Aufbau langfristiger Strukturen für die Aufgabe der Wärmeplanung. Es besteht somit insgesamt noch viel Unterstützungsbedarf.

Die meisten Kommunen beauftragen externe Dienstleister zur Unterstützung der Planung. Hier ist es manchen Kommunen nicht leichtgefallen, einen kompetenten Dienstleister zu finden. Die dena unterstützt an dieser Stelle, indem wir mit dem KWW-Dienstleistungsverzeichnis eine Übersicht an Planungsbüros aufgestellt haben.

BBH-Blog: Bis 2045, wenn Deutschland treibhausgasneutral sein soll, vergehen noch ein paar Jahre. Ein paar gute Energiespartipps für die nächsten 21 Winter schaden sicherlich nicht. Haben Sie einen für unsere Leser:innen?

Corinna Enders: Niederschwellige Maßnahmen sind sinnvoll: Ein hydraulischer Abgleich, der das Heizsystem harmonisiert, Kellerdeckendämmung oder die Absenkung der Temperatur in Räumen, die wenig genutzt werden. Das spart nicht nur Energie, sondern auch Geld.

Innerhalb der Kampagne „80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel“ werden von allgemeinen Verbrauchsinformation bis hin zu den fachspezifischen Inhalten der Bundesförderprogramme Informationen zielgruppengerecht aufgearbeitet und private Haushalte, Unternehmen und Kommunen angesprochen.

BBH-Blog: Sehr geehrte Frau Enders, herzlichen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf die weitere Diskussion im Rahmen unserer KlimAKonferenz am 17.9.2024.

Hier finden Sie den Link zum Programm und hier geht es zur Anmeldung.

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