Interviewreihe: Dr. Tobias Brosze, geschäftsführender Gesellschafter Palladio GmbH
Am 17.9.2024 findet die Dritte KlimAKonferenz auf dem EUREF-Campus in Berlin statt. Die aktuellen Herausforderungen und die Finanzierung der kommunalen Wärmewende sind das zentrale Thema der Veranstaltung. Mit den Entscheider:innen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden, die an der Konferenz teilnehmen, haben wir im Vorfeld Interviews geführt, die wir an dieser Stelle veröffentlichen. Die Interviewreihe beginnen wir heute mit Dr. Tobias Brosze, geschäftsführender Gesellschafter bei Palladio Kommunal.
BBH-Blog: Die kommunale Wärmewende wird manchmal als das Rückgrat der Transformation des Energiesystems bezeichnet. Mit anderen Worten: Ohne Wärmewende in den Kommunen, keine Energiewende in Deutschland. Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, vor der die Verantwortlichen stehen?
Tobias Brosze: Eine erfolgreiche Wärmewende in den kommenden, sagen wir mal, 20 Jahren ist ein volkswirtschaftlicher Kraftakt, wie wir ihn seit 70 Jahren nicht mehr gesehen haben. Sie lohnt sich aber mit Blick auf die nächsten Generationen und auch auf die dauerhafte Leistungsfähigkeit der wichtigen Infrastrukturen eines Landes. Es geht ja nicht nur um die Versorgung der privaten Haushalte, sondern auch um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Ich denke die größte Herausforderung besteht darin, die grundsätzlich in der Bevölkerung und bei Unternehmen vorhandene Bereitschaft für einen zügigen Umbau der Wärmeversorgung mit sinnvollen und bezahlbaren Angeboten zu beantworten. Wir müssen uns also auf machbare und effiziente Lösungen konzentrieren und diese dann gut erklären.
BBH-Blog: Die Kosten der Energiewende sind enorm. 721 Milliarden Euro bis 2030 bzw. 1,2 Billionen Euro bis 2035, so rechnen VKU und BDEW. Ein großer Teil davon wird für die kommunale Wärmewende benötigt – rund 400 Milliarden Euro von 2030 bis 2045 für Aus- und Umbau der Fernwärme (Geode). Ganz einfach gefragt: Woher soll das Geld kommen?
Tobias Brosze: Wichtig ist es nicht nur über Kosten, sondern über Investitionen zu sprechen. Diese amortisieren sich, wenngleich über einen langen Zeitraum, in Form einer zukunftsfähigen Wärmeversorgung für die Nutzerinnen und Nutzer und in Form einer angemessenen Rendite für die Geldgeber. Ich denke auch in Zukunft werden die Kommunen selbst über ihre Stadtwerke und gestützt durch staatliche Förderinstrumente einen Großteil dieser Investitionen tragen und durch klassische Fremdkapitalanteile ergänzen. Für einen gewissen Anteil sehe ich aber Pensions- und Rentengelder als optimale Ergänzung. Das Kapital aus der Altersvorsorge finanziert so den Teil der Wärmewende, den die Kommunen alleine nicht schaffen, und die Wärme-Assets finanzieren wiederum die Renten. Das ist volkswirtschaftlich eine Win-win-Situation.
BBH-Blog: Mit dem sogenannten Wärmeplanungsgesetz hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die Wärmewende vor Ort geplant (und durchgeführt) wird – mittels kommunaler Wärmepläne. So richtig es ist, die Gegebenheiten vor Ort ins Zentrum zu stellen, so ambitioniert sind auch die Aufgaben und Fristen (vor allem für die größeren Städte), damit möglichst bald Klarheit über die Wärmeoptionen besteht. Wie schätzen Sie die Zeitpläne ein? Wo sehen Sie Probleme und Engpässe?
Tobias Brosze: Die Zeitpläne sind gemessen an der Aufgabe äußerst ambitioniert. Dabei halte ich die hohe Verbindlichkeit für alle Bestandteile in Kombination mit dem Vollständigkeitskriterium für problematisch. In vielen Gebieten liegen die sinnvollen Lösungen für einen Großteil der Fläche auf der Hand, aber eben nicht für die gesamte Fläche. Es wäre meiner Meinung nach zielführender sinnvoller, sich erst einmal auf die wirklich offensichtlichen Lösungen, wie Fernwärmeausbau in größeren Innenstädten und Wärmepumpen in ländlichen Regionen mit viel Erneuerbaren Energien zu konzentrieren und danach Schritt für Schritt vorzugehen. So gewinnt man in diesen Gebieten an Planungssicherheit und damit werden sie für alle Seiten umsetzbar und investierbar. Die vielen losen Enden der nun festgelegten Vorgehensweise werden zu einem langsameren Fortschritt führen, als wir uns das alle wünschen. Dennoch gibt es Kommunen oder Landkreise, die äußerst mutig und ambitioniert vorangehen. Die aktuell sinnvollsten Schritte auch wirklich zu gehen, ist dabei wichtiger als das perfekte Zielbild für 2045 zu zeichnen, das sich ohnehin noch dreimal ändern wird. Solche Projekte gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern, den Stadtwerken und Kommunen sowie – wo geeignet – mit privaten Partnern aufzusetzen, muss das Ziel für die kommenden drei Jahre sein.
BBH-Blog: Bis 2045, wenn Deutschland treibhausgasneutral sein soll, vergehen noch ein paar Jahre. Ein paar gute Energiespartipps für die nächsten 21 Winter schaden sicherlich nicht. Haben Sie einen für unsere Leser:innen?
Tobias Brosze: Die letzten Winter und die gestiegenen Energiepreise haben sicherlich einiges an Bewusstsein geschärft, wodurch im Alltag Energie gespart werden kann. Ich würde mir wünschen, dass manche Verhaltensweisen nicht wieder über Bord geworfen werden, sobald die Preise sich normalisiert haben. Kleinigkeiten, die ich zusätzlich selbst berücksichtige, sind Leitungswasser zu trinken (da freuen sich auch die Stadtwerke) und die Hände immer nur kalt zu waschen.
BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Brosze, herzlichen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf die weitere Diskussion im Rahmen unserer KlimAKonferenz am 17.9.2024.
Hier finden Sie den Link zum Programm und hier geht es zur Anmeldung.