Kein Aprilscherz! Startschuss für Verbraucherbeschwerden in allen Branchen

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Am 1.4.2016 ist es soweit: Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) tritt in Kraft. Alle Branchen im privaten Wirtschaftsverkehr müssen sich darauf einstellen, es vermehrt mit Verbraucherbeschwerden zu tun zu bekommen. Das gilt vor allem für die Versorgungswirtschaft. War bislang die außergerichtliche Streitschlichtung nur für Strom und Gas angeordnet (vgl. §§ 111a ff. EnWG), steht Verbrauchern nunmehr auch in anderen Sparten wie z. B. Fernwärme, Wasser, Bäderbetriebe etc. das Instrument der Verbraucherbeschwerde offen.

Vielzahl an Verbraucherschlichtungsstellen

Für die Strom- und Gasbranche existiert seit 2011 und weiterhin die private Schlichtungsstelle Energie e.V. (SSE). Neben solchen privaten Schlichtungsstellen, die vom Bundesamt für Justiz anerkannt werden müssen, wird es künftig in jedem Bundesland eine ergänzende Universalschlichtungsstelle geben, die Verbrauchern flächendeckend den Zugang zur alternativen Streitschlichtung gewährleistet. Solche „Auffangschlichtungsstellen“ werden immer dann relevant, wenn private Schlichtungsstellen nicht existieren oder nicht zuständig sind. Sofern etwa die Sparten Fernwärme und Wasser nicht auch von der SSE mitbetreut werden, können je nach Konstellation unterschiedliche Stellen zuständig sein. Ein Stadtwerk mit mehreren Sparten muss sich dann darauf einstellen, mit unterschiedlichen Schlichtungsstellen zu kommunizieren.

Mehr Informationspflichten

Unternehmen müssen auf ihrer Webseite und in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) erklären, inwieweit sie bereit sind, an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen und auf die zuständige Schlichtungsstelle hinweisen. Diese Pflicht für alle tritt zum 1.2.2017 zeitverzögert in Kraft. Aber: der Bereich Strom und Gas wird eigens und ab 1.4.2016 zur Erklärung auf der Webseite gebeten.

Dass Schlichtungsverfahren nach dem VSBG freiwillig sind, entlässt Unternehmen nicht aus der Pflicht, zumindest zu erklären, ob sie an dem Verfahren teilnehmen wollen. Diese Entscheidung sollte also sorgfältig überdacht werden. Sie kann nicht nur für den Verbraucher den entscheidenden Unterschied zu anderen Unternehmen ausmachen. Wenn das Unternehmen nichts tut, kann das am Ende auch dazu führen, dass es doch teilnehmen muss – zumindest insoweit, als dass es die Kosten der Universalschlichtungsstelle trägt.

Bevor es zur Schlichtung kommen kann, muss sich der Verbraucher mit seiner Beschwerde gegen das Unternehmen immer erst direkt an das Unternehmen gewendet haben. Erst dann ist der Weg zur Schlichtungsstelle frei – es sei denn: Verjährung droht. Wenn sie Beschwerden beantworten, müssen Unternehmen wieder besondere Informationspflichten beachten und auch hier die zuständige private Verbraucherschlichtungsstelle oder Universalschlichtungsstelle benennen.

Internes Beschwerdemanagement

Energieversorger sollten im eigenen Interesse ein professionelles Beschwerdemanagement einrichten, um Verbraucherbeschwerden als solche erkennen zu können, die neuen Fristen zu beachten und dadurch Verfahren vor den Schlichtungsstellen und Kosten zu vermeiden. Mit der Einführung des VSBG können sich Unternehmen der neuen Materie außergerichtlicher Streitbeilegung nicht mehr entziehen. Wie ein Unternehmen mit unzufriedenen Kunden und ihren Beschwerden umgeht, wird ab dem 1.4.2016 ein wichtiges Merkmal der Unternehmenskultur werden, und zwar unabhängig von der jeweiligen Branche. Auch hier gilt das Motto: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“

Ansprechpartner: Prof. Christian Held/Dr. Erik Ahnis/Johannes Nohl

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