(K)ein subjektives Recht auf Klimaschutz? – EuGH weist Klimaklage ab

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Die Diskussion um schärfere Klimaschutzgesetze und niedrigere Emissionsminderungsziele der Staaten wird bekanntlich schon seit längerer Zeit nicht mehr nur politisch geführt, sondern auch vor den Gerichten ausgetragen. Die Zahl der sogenannten Klimaklagen hat in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem weiteren prominenten Verfahren entschieden.

Die sog. Klimaklage

Die sog. Klimaklage gibt es in verschiedener Gestalt. Zum einen verklagen Betroffene des Klimawandels private Unternehmen, die als Emittenten von Treibhausgasen für diesen mitverantwortlich gemacht werden, auf Schadensersatz, so wie im Fall der Klage des peruanischen Bauern und Bergführers Lliuya gegen RWE (wir berichteten).

Zum anderen wird aber vermehrt auch die Politik selbst in die Pflicht genommen, den rechtlichen Rahmen dafür zu schaffen, dass das im Abkommen von Paris festgelegte Ziel, die durch anthropogene Treibhausgasimmissionen bewirkte Klimaerwärmung auf max. 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, erreicht werden kann. Teilweise war solchen Klagen auch schon Erfolg beschieden, so in den Niederlanden der Klage des Umweltverbandes Urgenda, mit der die niederländische Regierung – auch in dritter Instanz erfolgreich – auf anspruchsvollere Klimaziele verpflichtet wurde.

Eine entsprechende Klage in Deutschland, mit der die Bundesregierung darauf verpflichtet werden sollte, die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung ihrer eigenen Klimaziele zu ergreifen, hat hingegen das Verwaltungsgericht Berlin rechtskräftig abgewiesen (wir berichteten). Begründet wurde dies damit, dass die in diesem Verfahren klagenden Familien sich nicht auf ein eigenes einklagbares Recht auf mehr Klimaschutz berufen könnten. Abschließend entschieden ist die Frage, ob es in Deutschland einen individuellen Rechtsschutz gegen eine für unzureichend befundene Klimaschutzgesetzgebung gibt, aber noch nicht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine entsprechende Verfassungsbeschwerde von „Fridays for Future“ u.a. (wir berichteten) ist noch nicht gefallen.

Der Fall des Armando Carvalho u.a. vor dem Europäischen Gerichtshof

In einem weiteren Verfahren ging es nun auch um die Klimapolitik der EU. Im Jahre 2018 wurde beim Gericht der Europäischen Union eine Klage eingereicht mit dem Ziel, die EU in Bezug auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen zu stringenteren Maßnahmen zu verpflichten als jene, die im Maßnahmenpaket von 2018 vorgesehen waren. Die Klage wurde von mehreren, meist aus Europa, aber auch aus Kenia und Fidschi stammenden, und in der Landwirtschaft bzw. dem Tourismus tätigen Familien sowie einem schwedischen Verband erhoben. Zentrale Forderung war hierbei, das beschlossene Gesetzespaket mit dem Reduktionsziel von 40 Prozent Emissionen gegenüber 1990 für nichtig zu erklären. Ferner forderten die Kläger – anstelle einer finanziellen Entschädigung für ihre geltend gemachten individuellen Einbußen – anzuordnen, dass der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament Maßnahmen erlassen, die eine Reduktion um mindestens 50 bis 60 Prozent vorschreiben.

Das EuG hat die Klage mit Beschluss vom 8.5.2019 als unzulässig abgewiesen. Die Kläger erfüllten keines der notwendigen Kriterien zur Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 Abs.4 AEUV und seien weder unmittelbar noch individuell betroffen, da sie nicht substantiiert genug vorgebracht hätten, inwiefern die angefochtenen Bestimmungen des Gesetzespakets ihre Grundrechte verletzt haben, und sie sich individuell von allen anderen natürlichen oder juristischen Personen unterschieden, die von diesen Bestimmungen betroffen sind. Die Tatsache, dass sich der Klimawandel auf eine bestimmte Person anders auswirken könne als auf eine andere, bedeute noch nicht, dass aus diesem Grund eine Befugnis zur Klage gegen eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung bestehe. Gegen diesen Beschluss legten die Kläger Rechtsmittel ein.

Dies hat der EuGH in seinem Urteil nun zurückgewiesen und hebt darin insbesondere hervor, dass allein das Vorbringen, ein Rechtsakt der Union verletze die Grundrechte, noch nicht die Klage eines Einzelnen zulässig mache. Anderenfalls entfiele der Sinn der im AEUV aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen wie die Klagebefugnis. Obwohl die in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegten Zulässigkeitsvoraussetzungen im Lichte des Grundrechts auf wirksamen gerichtlichen Schutz auszulegen sind, könne eine solche Auslegung nicht dazu führen, dass die in diesem Vertrag ausdrücklich festgelegten Bedingungen außer Kraft gesetzt werden.

Ausblick

Das Urteil des EuGH bedeutet nur vordergründig eine Niederlage für den Klimaschutz. Tatsächlich setzt es nur folgerichtig den vor europäischen wie deutschen Gerichten geltenden Grundsatz um, dass gegen staatliche Institutionen nur klagen kann, wer geltend machen kann, durch ein staatliches Handeln – oder eben auch Unterlassen – individuell und von anderen Personen unterscheidbar in eigenen Rechten betroffen zu sein. Eine solche individuelle Betroffenheit ist umso schwieriger nachzuweisen, je mehr mit dem geforderten staatlichen Handeln in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers eingegriffen wird. Ob die Gerichte mit den zunehmenden naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Wirkzusammenhängen zwischen staatlicher Klimapolitik und deren individuellen Auswirkungen im Einzelfall in Zukunft eher geneigt sein werden, eine Klagebefugnis zu bejahen, bleibt abzuwarten. Vorerst ist aber festzustellen: Der EuGH hat bis auf Weiteres das Primat für das Streiten um den richtigen Klimaschutz an den Gesetzgeber zurückgegeben.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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