Kunde kann vom Energieversorger keine Hellseherei erwarten

gut Zustimmung positiv
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Müssen Energieversorger Detektivarbeit leisten, ja sogar die geheimen Gedanken ihrer Kunden lesen können? Diese Frage hatte sich das Amtsgericht (AG) Bad Dürkheim jüngst in einem Streit zu stellen, in dem es um den Umfang der Informationspflichten eines Energieversorgungsunternehmen gegenüber seiner Kunden ging. Die Antwort des Amtsgerichts: Nein, das müssen sie nicht.

Der Kläger bezog seit dem Jahr 2000 Strom von den heimischen Stadtwerken. Mitte 2008 ließ er eine Wärmepumpe in seinem Haus installieren. Die Stadtwerke boten bereits zu diesem Zeitpunkt einen Wärmepumpen-Sondertarif an. Erst Ende 2010, als er einen entsprechenden Zähler beantragte, zeigte der Kläger bei den Stadtwerken seine Wärmepumpe an. Der Kläger wurde daraufhin auf den günstigeren Sondertarif für Wärmepumpen umgestellt.

So weit so gut, sollte man meinen. Nicht jedoch für den eifrigen Eigenheimer. Dieser rechnete sich aus, was er gespart hätte, wenn er bereits zwei Jahre früher die Wärmepumpe gemeldet hätte und umgestuft worden wäre. Da der Unterscheid beachtlich war, behauptet er nun, die Stadtwerke hätten auf Nachfrage noch vor der Installation im Sommer 2008 die Existenz eines Sondertarifes verneint, wodurch ihm bis 2010 Mehrkosten entstanden seien. Die Stadtwerke hingegen verneinten eine entsprechende Anfrage durch den Kläger.

Unabhängig von der Frage, ob der Kunde sich tatsächlich nach einem Sondertarif erkundigt  hat, hat das Gericht geprüft, ob die Stadtwerke Tarifinformationen eigeninitiativ mitteilen müssen, wenn sie zwar nicht direkt gefragt werden, aber zumindest die relevanten Umstände für eine Tarifänderung erkennen können.

Das Gericht verneinte weitergehende Aufklärungspflichten. Ausschlaggebend ist allein, ob konkrete Fragen zu Sondertarifen richtig beantwortet wurden. Andernfalls würde man den Energieversorgungsunternehmen hellseherische Fähigkeiten abverlangen – denn wie sollten sie sonst zuverlässig erkennen, welcher Kunde zu welcher Zeit möglicherweise einen anderen Tarif gebrauchen kann? Selbst Sherlock Holmes wäre da wohl überfordert.

Für alle Energieversorgungsunternehmen gilt daher im Endergebnis: Informieren muss man nur im Rahmen des Möglichen. Und möglich in diesem Fall bedeutet, die aktuellen Tarife für jedermann zugänglich, zum Beispiel auf der Homepage, zu veröffentlichen. Ist dies geschehen, muss der Kunde zweifelsfrei beweisen, dass ihm abweichende Informationen mitgeteilt bzw. Informationen vorenthalten wurden. Stadtwerksmitarbeiter können in Zukunft also getrost die karierte Mütze samt Pfeife zu Hause lassen.

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/Nils Langeloh

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