Lastmanagement – Es besteht weiterhin Handlungsbedarf

(c) BBH
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Beim Lastmanagement durch Unternehmen gäbe es eine Menge technisches Potenzial – aber das bleibt unter den bestehenden energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ungenutzt. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die  Deutsche Energie-Agentur (dena) kürzlich vorgestellt hat, nachdem die Bundesregierung sich Ende vergangenen Jahres bereits im Grünbuch das Thema auf die politische Agenda geschrieben hat (wir berichteten). Danach sind die Hauptgründe dafür, dass das Lastmanagement in Deutschland bisher in geringem Umfang zum Einsatz kommt, dass die Erlösmöglichkeiten zu gering und die Einschränkungen und Hemmnisse bei der Erschließung von flexiblen Lasten zu hoch sind und die Großverbraucher zu wenig darüber wissen.

Worum geht es?

Das Thema Demand Side Management bzw. Lastmanagement ist gegenwärtig in der Energiepolitik stark im Kommen. Darunter versteht man – grob gesagt – dass (energieintensive) Unternehmen die eigenen Produktionsabläufe und den Energieeinsatz im Interesse der Ressoucren- und Kostenoptimierung analysieren, steuern und verbessern. Den Energieverbrauch auf diese Weise zu steuern, ist nicht nur für die einzelnen Unternehmen gut, sondern spielt – gerade in Zeiten stark fluktuierender Netzlasten – auch eine wichtige Rolle für die Funktionsfähigkeit des Energiemarktes:

Um nämlich größere Ausfälle im Stromnetz zu vermeiden, muss die Spannung innerhalb eines Schwankungsbereichs bekanntlich konstant bleiben. Da Strom nicht gespeichert werden kann, muss dafür immer soviel Strom in das Netz eingespeist werden, wie verbraucht wird. Der Stromverbrauch schwankt schon erheblich, aber auch auf der Energieerzeugerseite kommt es zu Schwankungen in der Produktion. Gerade die Erneuerbaren Energien speisen fluktuierende Strommengen in das Netz ein. Da der Anteil an Erneuerbaren Energien steigen soll, wird sich dies noch verstärken und muss innerhalb des Systems aufgefangen werden.

Wie geht das? Zum einen können regelbare Kraftwerke Ungleichgewichte zwischen Einspeisungen und Entnahmen ausgleichen, die ihre Einspeisungen entsprechend dem Bedarf kurzfristig anpassen können. Ein großes Potenzial zur Stabilisierung des Netzes liegt jenseits dessen aber auch im Lastmanagement. Ist die Nachfrage höher als die Produktion, können einzelne Stromverbraucher abgeschaltet werden, um diesem Mangel an Strom im Netz zu begegnen. Liegt umgekehrt die Nachfrage unter der Produktion, kann diese durch Zuschaltung von Anlagen erhöht werden.

Das technische Potenzial zum Lastmanagement ist durchaus da: Insbesondere im Industrie- und Gewerbesektor liegen große Einzellasten vor, die ohne Störungen der Produktionsprozesse abgeschaltet werden können, und die erforderliche Mess-, Steuer-, und Regelungstechnik ist verfügbar. So weit, so gut, so bekannt.

Was hat die dena nun festgestellt?

Die dena hat das Thema Lastmanagement jüngst in einer Untersuchung näher unter die Lupe genommen. In ihrem Ergebnispapier kommt die dena dabei zum Schluss, dass bislang die wirtschaftlichen Anreize zu gering oder die juristischen Hürden zu hoch sind, um dem Lastmanagement in Deutschland einen größeren Stellenwert zu verschaffen.

In Deutschland können große Stromverbraucher ihre flexibel verfügbaren Verbrauchslasten unter bestimmten Voraussetzungen am Regelenergiemarkt veräußern. Wenn zu wenig Strom im Netz ist, kann sich ein Unternehmen als Alternative zum Abruf zusätzlicher Einspeisung aus Regelkraftwerken (positive Regelenergie) bereithalten, seinen Verbrauch zu reduzieren. Ist umgekehrt zu viel Strom im Netz, können die Netzbetreiber mit einer Reduzierung der Einspeisung aus Regelkraftwerken oder einer Erhöhung der Lasten auf Verbrauchsseite reagieren (negative Regelenergie).

Außerhalb des Regelenergiemarkts finden sich weitere Grundlagen des Lastmanagements auch in den Abs. 4, 4a und 4b des § 13 EnWG. Auf ihnen beruht die Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV). Diese Verordnung konkretisiert, wann und wie die Netzbetreiber direkt auf Verbrauchslasten zugreifen können, um Störungen oder Gefährdungen der Netzstablilität zu beseitigen. Sie trat am 1. Januar 2013 in Kraft und gilt bis zum 1. Januar 2016 (wir berichteten).

Die Verordnung – so die dena – stelle so hohe Anforderungen an abschaltbare Lasten, dass kaum Unternehmen in der Lage seien, überhaupt abschaltbare Lasten anzubieten. Nur sehr stromintensive Industrien könnten die geforderten Megawatt abschaltbare Leistung anbieten. Daher plädiert die dena dafür, die Anforderungen im Zuge der anstehenden Überprüfung so anzupassen, dass eine breitere Masse an Unternehmen vom Lastmanagement Gebrauch machen kann.

Die dena stellt in ihrem Ergebnispapier ebenfalls fest, dass das Netzentgeltsystem wenig Anreize dafür bietet, den Strombezug flexibel zu gestalten. Das Netzentgeltsystem möchte den Strombezug möglichst gleichmäßig halten, um geringe Schwankungen im Verbrauch zu haben. Da aber in Zukunft auch auf Erzeugerseite größere Schwankungen zu erwarten sind, sollten Anreize geschaffen werden, flexible Nachfrage zu kreieren und zu belohnen.

Das Potenzial für die Vermarktung flexibler Lasten zu prüfen, könnte zudem ein fester Bestandteil des betrieblichen Energiemanagements werden und sollte, so die dena, in die Energieaudits gemäß DIN EN 16247-1 in Leitfäden zum Energiemanagement, in Interpretationshilfen zur ISO 50001 oder in Energieberatungen aufgenommen werden.

Die dena sieht in ihrem Ergebnispapier daneben auch für den Regelenergiemarkt Handlungsbedarf, dessen Bedeutung durch die Energiewende noch steigen dürfte. Hier sollte der Marktzugang für alternative Anbieter erleichtert werden, damit Engpässe auf dieser Seite gar nicht erst entstehen. Die Maßnahmen in der Schweiz, Dänemark oder Frankreich können dabei möglicherweise als Vorbild dienen.

Ferner müssten Standards für die technischen Einrichtungen zur Steuerung von flexiblen Lasten entwickelt werden, ebenso Regeln für den Umgang mit bereits installierter Technik bei einem Wechsel des Vermarkters. Bisher können Aggregatoren auf fremde Bilanzkreise nur eingeschränkt zugreifen. Um die Flexibilität von Unternehmen besser vermarkten zu können, ist dies jedoch Voraussetzung. Eine Lösung bieten hier bilaterale Verträge zwischen dem Aggregator und dem Bilanzkreisverantwortlichen; hier sind jedoch das Risiko und der Aufwand bis dato recht hoch. Dass es auch anders geht, sieht man im Ausland: In Frankreich und der Schweiz müssen die Bilanzkreisverantwortlichen einem Eingriff in den Bilanzkreis durch den Aggregator nicht zustimmen. Stattdessen werden die flexiblen Lasten zentral zertifiziert und die Zahlungsströme zentral abgewickelt.

Fazit: Da geht noch einiges!

Das Ergebnispapier der dena bestätigt einmal mehr, dass das Lastmanagement künftig eine große Rolle im Rahmen der Energiewende spielen wird. Dennoch muss der Gesetzgeber handeln und die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, damit Lastmanagement sich in Deutschland weiter verbreiten kann.

Zugleich zeigt die Untersuchung aber auch, wie viel Skepsis steuernden Eingriffen in die Betriebsabläufe im Rahmen von Demand Side Management grundsätzlich entgegengebracht wird: Klar ist, dass es Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt, wenn sie Lastmanagement sinnvoll und gleichzeitig wirtschaftlich nutzen möchten. Ein solches System muss selbstverständlich in die betrieblichen Anforderungen integriert werden können und Belange des Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutzes berücksichtigen. Deutlich wird aber auch, dass es bislang nur schlechte Erlösmöglichkeiten aus dem Lastmanagement gibt. Die Erlöse müssen aber aus wirtschaftlicher Sicht die Investitions-, Betriebs-, Transaktions-, und Opportunitätskosten ebenso wie Ausfallrisiken decken. Andernfalls bleibt der Charme des Lastmanagements breiten Teilen der Industrie und des Gewerbes auch weiterhin verborgen.

Weitere Praxiserfahrungen werden hoffentlich die Pilotprojekte der dena „Demand Site Management Bayern“ und „Demand Side Management Baden-Württemberg“ liefern. Informationen zu den Hintergründen, dem Projektablauf und der Zielsetzung findet man auf den Internetseiten http://www.dsm-bayern.de/ und http://www.dsm-bw.de/.

Auch die anstehende Evaluierung der AbLaV durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) bietet die Gelegenheit, sich damit auseinander zu setzen, was sich in der Praxis des Lastmanagements bereits bewährt hat oder noch zu verbessern ist.

Alles in allem bleibt das Fazit: Da geht wohl noch einiges!

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau/Dr. Tigran Heymann

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