Mehr Ladeinfrastruktur in der Wohnungswirtschaft: Bundestag und Bundesrat beschließen WEG-Novelle

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Der Bundesrat hat am 9.10.2020 das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG – BT-Drs. 19/18791) gebilligt (TOP 8: Beschluss). Wenn das Gesetz wie geplant zum 1.12.2020 in Kraft tritt, steht dem erleichterten Einbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Miet- und Eigentumswohnungen also nichts mehr im Weg. Eigentlich. Denn einige Regelungen werden aller Voraussicht nach nicht nur die Gerichte beschäftigen, sondern könnten auch den Umstieg auf Elektromobilität ein weiteres Mal ausbremsen.

Der Masterplan Ladeinfrastruktur

Das WEMoG modernisiert das in die Jahre gekommene Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und das allgemeine Mietrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Das ist nicht zuletzt nötig, um den Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung umzusetzen, der vorsieht, dass bis 2030 1 Mio. Ladepunkte geschaffen werden (wir berichteten). Elektrofahrzeuge lassen sich auf deutschen Straßen nur etablieren, wenn es (auch) zu Hause oder am Arbeitsplatz Lademöglichkeiten gibt. Das bisher geltende Recht errichtete für Wohnungseigentümer und Mieter mit Blick auf Zustimmungserfordernisse (WEG) und fehlende Anspruchstatbestände (Mieter) hohe Hürden.

Ansprüche für ausbauwillige Wohnungseigentümer

Nach dem neuen WEG hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf, das gemeinschaftliche Eigentum zu verändern und Ladeinfrastruktur zu schaffen. Solche baulichen Veränderungen sind künftig mit einfacher Mehrheit möglich, die auch eingeklagt werden kann, solange die Wohnanlage nicht „grundlegend umgestaltet“ wird oder andere Wohnungseigentümer „unbillig benachteiligt“ werden.

Grundsätzlich sind die Kosten ausschließlich von denjenigen Eigentümern zu tragen, die der Errichtung von Ladeinfrastruktur zugestimmt haben. Im Gegenzug können allerdings auch nur sie an den Nutzungen der baulichen Veränderungen partizipieren. Eine abweichende Lastenverteilung nach Miteigentumsteilen kann allerdings mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile beschlossen werden oder – auch bei einfachem Mehrheitsbeschluss – sich die Kosten innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.

Harmonisierung von Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Auch ausbauwillige Mieter haben künftig einen Anspruch darauf, dass der Vermieter ihnen den Einbau von Ladeinfrastruktur auf Flächen erlaubt, die zum Mitgebrauch vermietet sind. Der Vermieter kann die Erlaubniserteilung jedoch verweigern, wenn ihm die bauliche Veränderung nicht zugemutet werden kann. Wann die Schaffung von Ladeinfrastruktur allerdings unzumutbar ist, dazu schweigt die Entwurfsbegründung: Abzuwägen sind Konsolidierungsinteresse des Vermieters einerseits und Veränderungsinteresse des Mieters andererseits. So sollen zugunsten des Vermieters das Interesse an einer eigenen Vornahme, drohende negative Folgen für seine Rechtsbeziehungen zu Dritten und ein etwaiges Rückbaurisiko zu berücksichtigen sein. Etwaige technische Hemmnisse (bspw. begrenzte Leistungskapazitäten von Hausanschlüssen oder Ortsnetzen, unzureichende elektrische Gebäudeinfrastruktur o.ä.) – wie von der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft gefordert – werden allerdings im Rahmen der Unzumutbarkeitsgründe gerade nicht genannt. Eben jene Interessenabwägung dürfte in der Praxis erhebliche Anwendungsprobleme bereiten – jedenfalls bis es eine gefestigte Rechtsprechung dazu gibt, auf die im Streitfall zurückgegriffen werden kann.

Die unbeantwortete Frage nach den Kosten

Spannend – und leider unbeantwortet – bleibt die Frage, wie die Kosten für den Einbau der Ladeinfrastruktur zwischen Mieter und Vermieter bzw. dem die Maßnahme auslösenden Mietern und anderen Mietern, die zu einem späteren Zeitpunkt partizipieren, verteilt werden sollen. Wie bereits die Entwurfsbegründung statuiert auch das nun verabschiedete Gesetz – trotz zwischenzeitlicher Kritik –,  dass die Kosten für  Anschaffung, Installation (einschließlich der Ertüchtigung der elektrischen Anlage) sowie eines späteren Rückbaus bei Auszug dem Mieter obliegen. Hier sind Streitigkeiten vorprogrammiert, insbesondere für den Fall, dass Maßnahmen wie die Installation eines Lastmanagementsystems oder die Erweiterung des Netzanschlusses oder der elektrischen Anlage notwendig werden, die ja auch der Mietsache bzw. anderen Mietern zugutekommen.

Ebenso wenig erwähnt das Gesetz den Umgang mit möglichen Folgekosten. Nicht genug, dass die Gesetzesnovelle in diesen Fragen keine Rechtssicherheit schafft, die erhebliche Kostenbelastung des Mieters dürfte auch dazu führen, dass nur wenige  Mieter von dem neugewonnen Rechtsanspruch Gebrauch machen werden und das übergeordnete Ziel des Markthochlaufs der Elektromobilität damit  weiterhin nachhaltig gebremst wird.

Ansprechpartner*innen: Dr. Christian de Wyl/Jan-Hendrik vom Wege/Dr. Christian Gemmer

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