Nachrüstungspflicht für Photovoltaikanlagen: der falsche Adressat?

Eigentlich ist es eine gute Nachricht: Photovoltaik produzierte im Jahr 2011 stolze 25 Gigawatt (GW) Strom und deckt an sonnigen Tagen bereits einen Großteil des Strombedarfs. Damit ist der Anteil der Photovoltaik an der Stromerzeugung längst systemrelevant. Das Problem dabei ist aber – von den erheblichen Anforderungen, solch volatile Erzeugung in das derzeitige System einzubinden, einmal abgese-
hen – , dass sich die Anlagen aufgrund einer enthaltenen „Sicherung“ bei einer Überfrequenz von 50,2 Hertz (Hz) gleichzeitig automatisch abschalten (sog. 50,2-Hz-Problem). Diese Systemgefährdung macht eine Nachrüstung der Wechselrichter von Bestandsanlagen dringend erforderlich.

Mit der geplanten Verordnung zur Gewährleistung der technischen Sicherheit und Systemstabilität des Energieversorgungsnetzes (Systemstabilitätsverordnung – SysStabV), über die der Bundesrat heute berät, will die Bundesregierung nun dieses Problem anpacken. Dies ist zwar grundsätzlich begrüßenswert, aber wie so oft gilt auch hier: das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

Nicht durchdacht ist insbesondere die geplante Umsetzung der Nachrüstung. Laut Verordnungsentwurf sollen nicht etwa die Betreiber der PV-Anlagen, sondern die Verteilernetzbetreiber verpflichtet werden, die erforderlichen Nachrüstungen innerhalb von drei Jahren durch beauftragte Fachkräfte auszuführen. Nur so kann laut Verordnungsentwurf verhindert werden, dass sich der Nachrüstungsprozess verzögert, da sich die Anlagenbetreiber ansonsten weigern würden, die Nachrüstung auf eigene Kosten vorzunehmen. Um eine schnelle Durchsetzung zu gewährleisten, sollen die Kosten der Netzbetreiber je zur Hälfte über die EEG-Umlage und die Netzentgelte an die Netznutzer weitergeben werden, so dass letztendlich die Stromkunden die Kosten tragen.

Offensichtlich nicht bedacht wurde, dass den Netzbetreibern mögliche Haftungsrisiken entstehen. Zwar werden die Betreiber der PV-Anlagen verpflichtet, die Nachrüstung zu ermöglichen und gegebenenfalls erforderliche Informationen zu liefern. Das Risiko, dass die von ihm beauftragten Fachkräfte etwa an der PV-Anlage Schäden verursachen, verbleibt indes beim Netzbetreiber. Dabei ist die Lösung ganz einfach: Dass die Nachrüstung zeitnah passiert und die Netznutzer die Kosten tragen, wäre ohne das Entstehen möglicher Haftungsrisiken beim Netzbetreiber gewährleistet, wenn der Anlagenbetreiber (vollstreckbar) verpflichtet wäre, zeitnah umzurüsten, und sich anschließend die Kosten vom Netzbetreiber erstatten lassen könnte.

Kritik verdient ferner die geplante Umsetzung der hälftigen Weitergabe der Kosten über die Netzentgelte. So enthält der Entwurf zwar derzeit die Möglichkeit, die Kosten als dauerhaft nicht beeinflussbar geltend zu machen, nämlich bei Vorlage einer freiwilligen Selbstverpflichtung und anschließender Festlegung der Bundesnetzagentur (BNetzA) nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV. Hiervon profitieren würden indes lediglich diejenigen Netzbetreiber, die am so genannten Regelverfahren der Anreizregulierung teilnehmen. Derartige Kosten werden allerdings zu einem Großteil bei den so genannten kleinen Netzbetreibern anfallen, die derzeit am vereinfachten Verfahren teilnehmen und bis 30.6.2012 entscheiden müssen, ob sie eine Teilnahme auch für die 2. Regulierungsperiode beantragen. Um dieses Problem zu lösen, empfiehlt der federführende Wirtschaftsausschuss in den Empfehlungen der Ausschüsse vom 1.6.2012, mit Erlass der SysStabV ebenfalls Änderungen der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) vorzunehmen, die es im Ergebnis allen Netzbetreibern ermöglichen, die Kosten für die Nachrüstung ohne Zeitversatz durch jährliche Anpassung der Erlösobergrenzen abbilden zu können.

Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesrat neben dieser Empfehlung auch die Frage der Haftung aufgreifen und der Verordnung in der derzeit vorliegenden Form nicht zustimmen wird.

Dr. Martin Altrock/ Stefan MisslingJens Vollprecht

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