Negative Offshore-Haftungsumlage: Wie kommt sie zustande und wie wickelt man sie ab?

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Die Übertragungsnetzbetreiber haben am 24.10.2014 die Höhe der Offshore-Haftungsumlage für das Kalenderjahr 2015 bekannt gegeben. Danach ist die Umlage für Stromentnahmen bis 1.000.000 kWh pro Abnahmestelle (Letztverbrauchergruppe A) erstmals negativ bei -0,051 ct/kWh. Für stromintensive Letztverbraucher bleibt es dagegen bei der Anwendung der Obergrenzen: Für die Mengen, die 1.000.000 kWh an einer Abnahmestelle überschreiten, erhöhen sich die Netzentgelte um 0,05 ct/kWh (Letztverbrauchergruppe B) bzw. 0,025 ct/kWh (Letztverbrauchergruppe C).

Kann es sein, dass die Letztverbrauchergruppe A Rückzahlungen erhält, während die Letztverbrauchergruppen B und C, die eigentlich durch die Deckelung der Umlage privilegiert werden sollen, weiterhin die gesetzlich möglichen Höchstsätze der Umlage zahlen müssen? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Erste Letztverbraucher der Gruppen B und C erwägen, ab 2015 die Zahlung der Umlage zu verweigern.

Die Offshore-Haftungsumlage soll die Übertragungsnetzbetreiber entlasten, die die Betreiber von betriebsbereiten Offshore-Windenergieanlagen entschädigen müssen, wenn die Netzanbindung nicht funktioniert. Abgewickelt wird sie ähnlich wie die KWK-Umlage, nämlich differenziert in drei Gruppen mit speziellen Deckelungen: Diejenigen, die weniger als 1.000.000 kWh verbrauchen, zahlen maximal 0,25 ct/kWh. Wer mehr verbraucht, zahlt maximal 0,05 ct/kWh, und wenn es sich um ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes handelt, zahlt es maximal 0,025 ct/kWh.

Die Übertragungsnetzbetreiber errechnen die Umlagenhöhe je Letztverbrauchergruppe aus den prognostizierten Entschädigungskosten eines Kalenderjahres und den deutschlandweit an Letztverbraucher gelieferten Strommengen. Außerdem wird das vorangegangene Kalenderjahr „spitz abgerechnet“, indem ein Saldo aus den erfolgten Entschädigungszahlungen und den Einnahmen aus der Umlage gebildet wird. Soweit sich Abweichungen ergeben, fließen diese Mehr- oder Mindereinnahmen in den Belastungsausgleich des Folgejahres ein.

Wie die Übertragungsnetzbetreiber mit der negativen Offshore-Haftungsumlage für die Letztverbrauchergruppe A verfahren wollen, ist offiziell noch unbekannt. Offenbar stellen sie sich aber vor, den Ausgleichsmechanismus gleichsam in umgekehrter Fließrichtung anzuwenden – also zunächst zwischen Übertragungsnetzbetreiber und Netzbetreiber der allgemeinen Versorgung und dann zwischen diesem und seinen Netznutzern (Lieferant, Betreiber geschlossenes Verteilernetz, Letztverbraucher selbst).

Rechnerisch nachvollziehbar

Um den Hintergrund der Berechnung zu verstehen, muss man einen Blick zurück in das Jahr 2013 werfen. In diesem Jahr überstiegen die Einnahmen aus der Umlage die Kosten um rund 467 Mio Euro. Den tatsächlich aufgetretenen Kosten von gut 294 Mio Euro standen Einnahmen in Höhe von insgesamt mehr als 762 Mio Euro gegenüber. Den Löwenanteil, nämlich gut 669 Mio Euro, zahlte die Letztverbrauchergruppe A. Die Gruppe B kam für knapp 75 Mio Euro auf, die Gruppe C für mehr als 18 Mio Euro. Im Nachhinein betrachtet hätte es daher ausgereicht, für das Kalenderjahr 2013 für die Letztverbrauchergruppe A eine Umlage von etwa 0,075 ct/kWh festzusetzen. Dies zeigt, dass die entstandenen Überschüsse im Wesentlichen durch eine zu großzügige Festlegung der Umlage für die Letztverbrauchergruppe A verursacht worden sind.

Nimmt man die geschätzten Entschädigungszahlungen für das Jahr 2015  und den Strombezug der unterschiedlichen Letztverbrauchergruppen als Basis, dann folgt daraus für das Jahr 2015, dass für die Letztverbrauchergruppen B und C die Umlage auf den Höchstbetrag von 0,05 und 0,025 ct/kWh begrenzt bleibt. Für die Letztverbrauchergruppe A kippt die Umlage dagegen ins Negative. Sie wird auf -0,051 ct/kWh festgelegt, um die Überschüsse auf dem Umlagekonto auszugleichen und dies möglichst verursachungsgerecht durch Ausschüttung an diejenigen, die im Wesentlichen zu dem Überschuss auf dem Konto beigetragen haben.

Mögliche rechtliche Kritik

Rechtlich bleiben nach summarischer Bewertung Bedenken. So scheint, dass die Umlagenhöhe 2015 den Sinn und Zweck des Gesetzes konterkariert, da die Letztverbrauchergruppen B und C im Jahr 2015 mit der Umlage belastet werden, obwohl diese durch die gesetzliche Deckelung eigentlich gegenüber der Letztverbrauchergruppe A privilegiert werden sollen. Die Frage ist, ob sich die Umlage-Deckelungen für die einzelnen Letztverbrauchergruppen gemäß § 17f Abs. 5 EnWG als reine, jeweils separat zu betrachtende Obergrenzen, ansehen lassen oder ob die abgestufte Umlagenhöhe auch ein Verteilungsprivileg zu Gunsten der Gruppen B und C beinhaltet, das in jedem Jahr ohne Rücksicht der Zahlung in Vorjahren zu beachten ist.

Zwar gibt es sachliche Gründe, zumal auch die Gruppen B und C von der negativen Umlage für die Letztverbrauchergruppe A profitieren. Denn diese betrifft die ersten 1.000.000 kWh/a, die von jedem Letztverbraucher verbraucht werden. Allerdings wären auch andere Festlegungen möglich gewesen, wie z. B. die Umlage auf 0 ct/kWh für alle Letztverbrauchergruppen herabzusetzen.

Was tun?

Die Netznutzer könnten gegebenenfalls die Verteilung der Überschussausschüttung in Zweifel ziehen und Umlagenzahlungen verweigern oder unter Vorbehalt zu leisten. Allerdings sprechen wohl die besseren Argumente dafür, die Umlage zu akzeptieren.

Aus Sicht eines Netzbetreibers der allgemeinen Versorgung ist die an den Übertragungsnetzbetreiber zu zahlende Umlage grundsätzlich ein durchlaufender Posten. Zahlungen an den Übertragungsnetzbetreiber wird man in der Regel nur dann verweigern oder unter Vorbehalt stellen, wenn eigene Netznutzer dies im Rahmen der Netzabrechnung ebenfalls tun.

Besonderheiten gibt es im geschlossenen Verteilernetz. Auch dort wird die Umlage weitergeleitet, ohne dass die Einzelheiten gesetzlich eindeutig vorgegeben sind. Teilweise kalkulieren die Betreiber die Umlage in ihre Netzentgelte ein, teilweise stellen sie die selbst abgeführte Umlage vorab in Rechnung und führen nachher eine Endabrechnung durch, teilweise errechnen sie von vornherein eine eigene Umlage. Denn zu berücksichtigen ist, dass der Betreiber des geschlossenen Verteilernetzes selbst die Umlage nur für den von außen bezogenen und nicht für den im geschlossenen Verteilernetz erzeugten Strom zahlt. Zudem ist zu beachten, dass der Betreiber des geschlossenen Verteilernetzes als Netznutzer an den vorgelagerten Netzbetreiber der allgemeinen Versorgung selbst mit Ausnahme der ersten 1.000.000 kWh nur die (bislang) niedrigere Umlage für die Letztverbrauchergruppe B oder C zahlte.

Ansprechpartner BBH: Dr. Thies Christian Hartmann/Dr. Markus  Kachel/Alexander Bartsch
Ansprechpartner BBHC: Marcel Malcher/Roland Monjau

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