Nehmen und Geben: Das dritte Entlastungspaket und der Energiemarkt

Am Wochenende haben sich die Koalitionäre auf die Eckpunkte des dritten Entlastungspakets im Umfang von 65 Mrd. Euro verständigt. Mit Blick auf die schwierige Lage am Energiemarkt sollen durch gezielte Maßnahmen Gelder generiert werden, die anderweitig zur Entlastung eingesetzt werden sollen. Die Umsetzung des zweiten Maßnahmenpakets liegt gerade einmal knapp zwei Monate zurück.

Welche Maßnahmen sind insgesamt für den Energiemarkt vorgesehen?

Der Aktionsplan des Bundes sieht verschiedene Maßnahmen vor, mit denen eine bezahlbare Energieversorgung abgesichert werden soll und die auf die Stärkung der Einkommen abzielen. Im Schwerpunkt stehen dabei grundlegende Eingriffe in das Design bzw. Preisgefüge im Strommarkt, wo über eine Erlösobergrenze für Kraftwerksbetreiber zugunsten der Verbraucher der Strompreis (für eine Basisverbrauchsmenge) gebremst und die Netzentgelte gedämpft werden sollen. Beabsichtigt ist auch, den zum Jahreswechsel eigentlich anstehenden Anstieg des CO2-Preises um 5 Euro je Tonne  um ein Jahr zu verschieben (und alle weiteren Folgeanstiege ebenfalls um jeweils ein weiteres Jahr). Rentner sollen zum Ende des Jahres als Energiepreispauschale eine Zahlung von 300 Euro erhalten; Studierende werden mit 200 Euro gestützt. Neben der noch sehr vage gehaltenen Fortentwicklung von Überlegungen zu möglichen Preisdämpfungsmodellen für den Wärmemarkt soll im Zuge einer geplanten Reform des Wohngelds (und daneben des Bürgergelds) der Energiepreisanstieg abgefedert werden. Angedacht sind im Rahmen der Wohngeldreform für den Herbst dieses Jahres ein einmaliger Wohngeldzuschuss, dauerhafte Komponenten für Klima und Heizkosten, eine Erweiterung des Kreises der Wohngeldberechtigten. Die Koalition will abseits der Privatverbraucher auch Unternehmen entlasten, u.a. durch Verlängerung des – hinsichtlich seiner hohen Hürden in der Wirtschaft viel kritisierten – Energiekostendämpfungsprogramms bis Ende 2022 sowie die Fortführung von Sonderkredit- und -bürgschaftsprogrammen und Unterstützungen von kommunalen und sozialen Wohnungsbauunternehmen. Hinzu kommt die Verlängerung des Spitzenausgleichs bei den Strom- und Energiesteuern um ein weiteres Jahr. Überdies wird als Ausgleich für die viel diskutierte Gasbeschaffungsumlage zeitgleich zu deren Einführung zum Oktober dieses Jahres und bis Ende März 2024 befristet die Umsatzsteuer auf den gesamten Gasverbrauch von 19 Prozent auf 7 Prozent reduziert.

Wo kommt das Geld für das Entlastungspaket genau her?

Das Geld soll von den Betreibern der Energieerzeugungsanlagen („Kraftwerke“) kommen, bei denen sich der Ukraine-Krieg nicht so stark auf der Kostenseite auswirkt. Dazu zählt die Bundesregierung vor allem die Erneuerbaren-Energieanlagen, Atomkraftwerke, Braunkohlekraftwerke und bis zu einem gewissen Grad auch Steinkohlekraftwerke. Weil deren Betreiberunternehmen aufgrund des hohen Marktpreises viel mehr Geld verdienen, als sie bei ihrer Investitionsentscheidung jemals vermuten konnten, werden diese Gewinne von der Regierung als „Zufallsgewinne“ eingestuft (das entspricht dem englischen Begriff „windfall profits“). Diese Zufallsgewinne sollen teilweise abgeschöpft werden. Dazu wird auf Überlegungen der Europäischen Kommission verwiesen, die ein paar Tage vorher als „Non-Paper“ bekannt wurden (von einer informellen Konsultation spricht hier naturgemäß niemand).

Die Überlegungen zur Gewinnabschöpfung sind noch nicht sehr konkret, die Grundidee ist aber, dass auf dem organisierten Spotmarkt (also z.B. der EPEX) eine Preisgrenze (price cap) für die günstigeren Technologien (inframarginal technologies) implementiert und alles, was über der Preisgrenze liegt, abgeschöpft wird. Wo genau die Preisgrenze liegt, steht nirgends, aber klar ist, dass die Kraftwerke ihre Kosten (inkl. ihrer Fixkosten wie Lohn, Versicherungen und Kapitaldienst) verdienen dürfen. Auch ein gewisser Gewinn sollte möglich sein, dann aber wird gekappt. Je später man kappt, desto geringer wird das Budget zur Umverteilung – desto größer ist aber die Chance, mit der Idee nicht vor dem Bundesverfassungsgericht zu scheitern.

Wo soll das Geld konkret hingehen?

In der aktuellen Krise gibt es viele Lecks zu stopfen mit diesem Geld. Beim Verbrauch wird darüber nachgedacht, Haushaltskunden und kleineren Unternehmen ein subventioniertes Strombudget zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus würde ein anderer Teil des Geldes verwendet werden, um die Netzentgelte zu senken (konkreter Anknüpfungspunkt sind die Redispatch-Kosten). Dieser Effekt zielt auf alle Stromverbraucher, also auch die größere Industrie. Die ansonsten für die Industrie und die energieintensiven Unternehmen vorgesehenen Unterstützungen (Spitzenausgleich und Unternehmenshilfen) sind zumindest ausweislich des Papiers unabhängig von der Zufallsgewinnabschöpfung.

Wie kommt das Geld eigentlich zu seinem Bestimmungsort?

Noch sehr unklar sind die Wege, auf denen die Geldströme vom Moment der Abschöpfung zu ihren Einsatzzwecken finden.

Solange es sich um eine einheitliche europäische Lösung handelt, ist alles fein. Sobald Deutschland aber einen eigenständigen Weg gehen möchte oder muss, ist auch das Beihilferecht wieder relevant, was – im Einklang mit dem alten EEG-System – sicherlich bedeutete, dass das Geld (nur) im Energiesystem kreisen und nicht in Staatshände geraten sollte. In jedem Falle ist aber abseits der zu beachtenden beihilferechtlichen Planken bereits jetzt abzusehen, dass die Abwicklung über ein „EEG-Umlage revers“ erhebliche praktische und rechtliche Folgefragen und -probleme nach sich zieht, auf die wir in einem gesonderten Folge-Blog eingehen.

Was ist damit nicht geregelt?

Auch wenn sich der Vorschlag radikal anhört, wäre er kein Eingriff in die Preisbildung des Marktes. Am Ende würde der Preis nämlich genauso wie heute gebildet werden, insbesondere die Käufer müssten das Gleiche zahlen und hätten keine Entlastung auf dem Energiemarkt. Der Effekt der extrem teuren Gaskraftwerke auf den Marktpreis von Strom (von dem wiederum andere Preise abhängen) würde nicht neutralisiert. Jede Verbraucherentlastung könnte nur nachträglich entstehen.

Eine solche Lösung käme allen Stakeholdern entgegen, die jeden Eingriff in die Preisbildungsmechanismen skeptisch sehen. Und man würde auch keine Auseinandersetzung mit Art. 10 der Elektrizitätsbinnenmarktverordnung provozieren, der es verbietet, eine Preisobergrenze einzuziehen. Von Gewinnabschöpfung steht dort aber nichts …

Und jetzt?

Die Ampel hat eine grobe Linie vereinbart, für die noch viel Konkretisierungsarbeit zu leisten ist. Alle Augen richten sich nun auf Brüssel, wo man Ende der Woche beratschlagt und die Kommissionspräsidentin Mitte kommender Woche die europäische Antwort geben will. Abhängig davon wird Deutschland entscheiden müssen, wie es weitergehen soll.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Dr. Christian Dessau

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