Netz ist nicht gleich Netz – BGH entscheidet zur KWK-Umlage

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Energieversorgungsnetz, Netz der allgemeinen Versorgung, geschlossenes Verteilernetz, Arealnetz, Objektnetz – das Energierecht kennt oder kannte viele unterschiedliche Begriffe, um elektrische Anlagen näher zu bezeichnen. Im Sprachgebrauch werden die unterschiedlichen Begriffe häufig nicht sauber getrennt oder als Synonym verwendet. Das Energierecht knüpft aber unterschiedliche Rechtsfolgen an die verschiedenen Netztypen. Der Bundesgerichthof (BGH) hat jetzt zumindest in einem Teilbereich Ordnung in die Begriffsverwirrung gebracht mit Urteil vom 16.12.2014 (Az. EnZR 81/13).

Es geht um das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG), genauer: um die Frage, welche Stellung das „Objektnetz“ nach § 110 EnWG (in der Fassung vor 2011) bei der Abwicklung der KWK-Umlage hat. Das Urteil hat auch Auswirkungen auf „geschlossene Verteilernetze“ nach § 110 EnWG in der aktuell geltenden Fassung.

Das KWKG, um dessen Novellierung aktuell politisch heftig gerungen wird, soll hocheffiziente KWK-Anlagen, Wärme- und Kältenetze sowie Wärme- und Kältespeicher fördern, indem am Ende eines komplexen Wälzungsmechanismus die Netznutzer einen Aufschlag auf ihre Netzentgelte zahlen. Diese so genannte KWK-Umlage dürfen die Netzbetreiber nach § 9 Abs. 7 Satz 1 KWKG auf ihre Netzentgelte aufschlagen. Bei schlichter Lektüre dieser Regelung mag man meinen, dass damit alle Netztypen gemeint sind – egal welcher rechtlichen Kategorie sie angehören.

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte eine Verteilnetzbetreiberin von der Betreiberin eines Objektnetzes im Sinne von § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG a.F. verlangt, für jede durch ihr Netz durchgeleitete Kilowattstunden die Umlage abzuführen. Das KWKG ist jedoch nur auf Netzbetreiber im Sinne von § 3 Abs. 9 KWKG anwendbar. Netzbetreiber sind danach die „Betreiber von Netzen aller Spannungsebenen für die allgemeine Versorgung mit Elektrizität“. Betroffen sind also nur Betreiber von Energieversorgungsnetzen der allgemeinen Versorgung, wie sie § 3 Nr. 17 EnWG näher definiert. Andere Marktteilnehmer, seien es Betreiber von Objektnetzen oder geschlossenen Verteilernetzen, aber auch Betreiber von Kundenanlagen nach § 3 Nr. 24 EnWG, werden vom KWKG nicht in die Pflicht genommen. Dieser klaren Definition des Anwendungsbereichs konnte sich auch der BGH nicht entziehen und stellte daher fest, dass ein Objektnetzbetreiber im Rahmen des Belastungsausgleichs nicht wie ein allgemeiner Netzbetreiber, sondern wie ein Letztverbraucher zu behandeln sei.

Das Berufungsgericht hatte in der Vorinstanz noch anders entschieden. Das OLG Frankfurt a.M. (Az. 11 U 48/12) war der Auffassung, dass sämtliche Strommengen im Belastungsausgleich nach § 9 KWKG zu berücksichtigen seien, auch die in Objektnetzen erzeugten und dort verbrauchten Strommengen. Andernfalls würden Objektnetze privilegiert, was gegen den im KWKG niederlegten Grundsatz der Belastungsgerechtigkeit verstoßen würde.

Objektnetzbetreiber nicht Adressat des KWKG

Der BGH sah dies zu Recht anders. Er verwies einerseits auf den klaren Wortlaut von § 3 Abs. 9 KWKG und stellte fest, dass ein Objektnetz gerade nicht der allgemeinen Versorgung mit Elektrizität dient. Auch die Systematik spreche für eine Gleichstellung des Objektnetzbetreibers mit einem Letztverbraucher. In den Belastungsausgleich gehen nur die aus einem Netz der allgemeinen Versorgung über das Objektnetz an die Letztverbraucher ausgespeisten Strommengen ein, nicht dagegen der innerhalb des Objektnetzes erzeugte und dort auch verbrauchte Strom; insoweit konnte der BGH auch auf den Willen des Gesetzgebers verweisen. Die Klägerin hatte argumentiert, dass damit Objektnetzbetreiber privilegiert würden, weil bei der Weiterbelastung der KWK-Umlage Verbrauchsmengen oberhalb von 100.000 kWh/a reduziert werden und dieser Sockelwert nicht auf die verschiedenen Letztverbraucher im Objektnetz, sondern nur einmal auf das gesamte Objektnetz verteilt würde. Dies überzeugte den BGH nicht. Selbst wenn es so wäre, belastete dies die übrigen Letztverbraucher so geringfügig, dass dies hinzunehmen sei.

Seit der KWKG-Novelle 2009 werden auch Anlagen gefördert, wenn der Strom, den sie produzieren, nicht in ein Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird. Auch diese Regelung (in § 4 Abs. 3a KWKG) veranlasste den BGH nicht, die Gleichstellung von Objektnetzen und Netzen der allgemeinen Versorgung zu fordern. Zu Recht: wie der BGH näher erläutert, steht der KWK-Zuschlag dem jeweiligen Betreiber der KWK-Anlage und nicht dem Netzbetreiber zu. Die Zuschlagszahlungen werden weiterhin auch alleine von den Netzbetreibern der allgemeinen Versorgung abgewickelt – Objektnetzbetreiber sind insoweit weiterhin nicht einbezogen.

Bedeutung für geschlossene Verteilernetze und sonstige Umlagen

Das Urteil gab dem BGH auch Anlass, über die Rechtsnatur von § 9 Abs. 7 Satz 1 KWKG zu entscheiden. Er folgt insoweit der herrschenden Meinung in der juristische Fachliteratur, wonach die Vorschrift dem jeweiligen Netzbetreiber der allgemeinen Versorgung erlaubt, die KWK-Umlage weiterzugeben, ohne dass es dazu einer besonderen Vereinbarung bedarf. Diese Klarstellung ist zu begrüßen.

Mit der EnWG-Novelle 2011 hat der Gesetzgeber eine neue Netzkategorie geschaffen: Statt Objektnetz heißt es jetzt geschlossene Verteilernetze. Die Argumentation, die der BGH im vorliegenden Urteil für Objektnetze entwickelt, ist jedoch ohne weiteres auf geschlossene Verteilernetze übertragbar. Das gilt zum einen für die Systematik des Gesetzes, aber auch für den Wortlaut des KWKG. Auch geschlossene Verteilernetze unterscheiden sich durch die in § 110 EnWG festgelegten Voraussetzungen, z.B. die sicherheitstechnische Verknüpfung von Produktionsverfahren der jeweiligen Anschlussnutzer, erheblich von allgemeinen Versorgungsnetzen.

Das Urteil wird auch über das KWKG hinaus Bedeutung haben. Der Gesetzgeber hat den Wälzungsmechanismus von § 9 KWKG in den letzten Jahren vermehrt für andere Konstellationen entdeckt, in denen es darum geht, Kosten, die bei den Übertragungsnetzbetreibern auflaufen, bundesweit weiterzuverteilen – etwa die Wälzung der §-19-StromNEV-Umlage, der Offshore-Haftungsumlage und die Umlage für die Kosten aus abschaltbaren Lasten. Sofern der Gesetzgeber nicht in den jeweiligen Spezialgesetzen bzw. Verordnungen die Einbeziehung von geschlossenen Verteilernetzen speziell regelt (was er bislang nicht getan hat), bleibt es dabei: geschlossene Verteilernetze sind wie Letztverbraucher zu behandeln. Die Umlagen, die nach § 9 KWKG weiter belastet werden, fallen deshalb nur auf den physikalisch aus dem vorgelagerten Netz der allgemeinen Versorgung bezogenen Strom an.

Ansprechpartner: Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel

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