Neuer Paukenschlag aus Münster: OVG entzieht Kraftwerk Datteln erneut die planungsrechtliche Grundlage

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Gestern hat das  Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster den Bebauungsplan für Datteln 4 für rechtswidrig erklärt – schon wieder. Wie es mit dem Kraftwerk, das erst Mitte letzten Jahres ans Netz gegangen ist, nun weitergeht, bleibt völlig offen.

Jahrelanges Tauziehen

Spätestens seit dem 3.9.2009 steht der Name Datteln 4 für den Alptraum jedes Unternehmens, das Kraftwerke und Industrieanlagen plant und genehmigen lassen muss. Seinerzeit hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster zum ersten Mal den Bebauungsplan für unwirksam erklärt, der die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung des von Uniper, seinerzeit noch E.ON, in Datteln am Dortmund-Ems-Kanal geplanten Steinkohlekraftwerks (elektrische Nettoleistung ca. 1 055 MW) schaffen sollte. Das Urteil wurde darauf gestützt, dass für den am 15.1.2007 erlassenen Bebauungsplan keine ordnungsgemäße FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt, also die Eingriffe in Natur und Landschaft nicht hinreichend untersucht worden seien. Das Urteil wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 16.3.2010 bestätigt. Damit fehlte eben diese planungsrechtliche Grundlage für den von der Bezirksregierung Münster für das Kraftwerk erteilten Vorbescheid. Auf die Klage eines Umweltverbandes hob das OVG Münster diesen mit Urteil vom 12.6.2012 dann auch auf. Auch diese Entscheidung wurde wiederum vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt (wir berichteten).

Nach diesen Urteilen wurde alles versucht, das Kraftwerk nachträglich planungsrechtlich in trockene Tücher zu bekommen. Es wurde ein neuer vorhabenbezogener Bebauungsplan erlassen, auf dessen Grundlage am 19.1.2017 – also zehn Jahre nach dem Erlass des ursprünglichen Bebauungsplans – die Genehmigung für das Kraftwerk erteilt wurde.

Gestern dann der erneute Paukenschlag aus Münster: Auch dieser Bebauungsplan sei rechtswidrig. Das Gericht rügt eine fehlerhafte Standortauswahl. Der Rat der Stadt Datteln habe bei seiner Planung auf den seinerseits fehlerhaften Gebietsentwicklungsplan des Regierungsbezirks Münster, Teilabschnitt Emscher-Lippe Bezug genommen. Der für die Regionalplanung zuständige Regionalverband Ruhr hätte, so der 10. Senat des OVG Münster, mögliche Standortalternativen in seinem gesamten Zuständigkeitsbereich – und nicht nur im Bereich Teilabschnitt Emscher-Lippe – prüfen müssen. Zudem bemängelt das Gericht, dass sich die Standortauswahl nur an den Anforderungen des konkreten Steinkohlekraftwerks ausgerichtet habe und eine Standortsuche für technische Alternativen wie ein Gaskraftwerk nicht in Betracht gezogen wurde.

Weiter wie geplant?

Das OVG Münster hat eine Revision zwar ausgeschlossen, es besteht allerdings die Möglichkeit, beim Bundesverwaltungsgericht dagegen Beschwerde einzureichen. Der Betreiber Uniper betont die nach wie vor gültige Betriebserlaubnis des Kraftwerks. Allerdings zeichnet sich auch hier ab, dass sich für Uniper die Geschichte wiederholt: Gegen den Genehmigungsbescheid vom 19.1.2017 sind wiederum Klagen des BUND, der Stadt Waltrop und von vier Privatpersonen anhängig. Welche Bedeutung die Unwirksamkeit des Bebauungsplans für die Rechtmäßigkeit dieser Genehmigung hat, sei eine Rechtsfrage, über die der 8. Senat zu entscheiden haben werde, heißt es in der Pressemitteilung des OVG Münster zu dem gestrigen Urteil. Lässt das Bundesverwaltungsgericht die Revision gegen das Urteil des 10. Senats nicht zu und hebt gleichzeitig der 8. Senat die Genehmigung auf, müsste ein erneuter Anlauf im Planverfahren unternommen werden. Der Rahmen für dieses wäre durch die Vorgaben des 10. Senats nur denkbar eng gesteckt.

Für Uniper geht der Alptraum also weiter. Geplant war, das Kraftwerk bis 2038, also dem offiziellen Kohleausstiegsjahr, in Betrieb zu halten. Diese Erlaubnis hat die Bundesnetzagentur nach dem Prinzip der Altersreihung erteilt. Eine Entschädigung ist dann nicht vorgesehen. Ob es wirklich zu dieser Laufzeit kommt, muss sich nun also zeigen. Uniper selbst hat signalisiert, auch für ein vorzeitiges Ende von Datteln 4 offen zu sein – gegen eine angemessene finanzielle Kompensation. In jedem Fall ist die Lehre aus Datteln 4: Wer Anlagen plant, zahlt am Ende die Zeche für die Fehler, die bei der Bauplanung gemacht werden.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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