Neues vom Einhorn: Anpassung der Novellierung im Mess- und Eichrecht

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Zu Beginn des Jahres haben wir über das „Einhorn unter den Rechtsänderungen“ berichtet – die anstehende Novellierung des Mess- und Eichgesetzes (MessEG) und der Mess- und Eichverordnung (MessEV). Kern ist die Ergänzung der MessEV um einen Ausnahmetatbestand, der die (seit langem praktizierte) Verrechnung von Messwerten im Rahmen energiewirtschaftlicher Prozesse auf rechtssichere Füße stellen soll. An dieser Stelle hat die Bundesregierung nun „nachgebessert“.

Der eingeschlagene Weg war holprig…

Der von der Bundesregierung Anfang des Jahres zur Verbändeanhörung vorgelegte Referentenentwurf sah eine Ergänzung des § 25 MessEV vor. Zur eichrechtskonformen Messwertverrechnung im Bereich der leitungsgebundenen Versorgungsleistungen mit Elektrizität und Gas erlaubte sie die Verrechnung von Messwerten, die mit einem mess- und eichrechtskonformen Messgerät gemessen wurden. Das galt, sofern sich die Rechenoperationen auf die vier Grundrechenarten (Bildung von Summen, Differenzen, Produkten oder Quotienten oder Kombinationen davon) beschränkten und eine der abschließend in einer neuen Anlage 7 zur MessEV aufgezählten Fallgruppen vorlag. Dieser Verweis auf die neue Anlage 7 beschränkte die Legalisierung der Messwertverrechnung auf 21 vordefinierte und abschließende Anwendungsfälle.

Berechtigte Kritik daran kam unter anderem von den Verbänden im Rahmen der Anhörung, da die Ausformulierung der Fallbeispiele teilweise Interpretationsspielräume offen ließ und bestimmte Anwendungsfälle gar nicht aufgegriffen wurden. Wohl auch deswegen verzögerte sich die eigentlich für Anfang Februar geplante – und nach Richtlinie (EU) 2015/1535 erforderliche – Notifizierung der Änderung der MessEV bei der Europäischen Kommission.

… und er bleibt wohl holprig

Anfang April hat die Bundesregierung einen überarbeiteten Referentenentwurf zur Änderung der MessEV in das Notifizierungsverfahren eingebracht. Zwar gibt er die abschließende Aufzählung von bestimmten Anwendungsfällen im Rahmen der Messwertverrechnung tatsächlich zugunsten einer Generalklausel auf, sieht aber stattdessen eine andere Einschränkung des Anwendungsbereichs vor.

Die Art der Berechnung und die dafür verwendeten Werte müssen nun für den vorgesehenen Verwendungszweck „geeignet“ sein. Was das in der Praxis bedeutet, bleibt offen. Die Begründung des Entwurfs nimmt Bezug auf einige der Fallgruppen, die bisher in der Anlage 7 enthalten waren. Es ist also davon auszugehen, dass die ursprünglich vorgesehenen 21 Anwendungsfälle weiterhin von der Ausnahmeregelung umfasst sind. Als ausdrücklich nicht geeignet für eine Messwertverrechnung sieht die Entwurfsbegründung dagegen Situationen an, in denen für den Letztverbrauch in Kundenanlagen aus einem Hauptzähler und einigen Unterzählern der Verbrauch einer weiteren Einheit ohne Zähler berechnet werden soll. Das umreißt allerdings nur sehr bestimmte Konstellationen, weshalb das Kriterium der Geeignetheit der Generalklausel in der Praxis in vielen Fällen zu Rechtsunsicherheit führen könnte. Auf der anderen Seite eröffnet das auch Handlungsspielräume.

Darüber hinaus wurde der Anwendungsbereich der Regelung insgesamt erweitert. Bislang waren nur Versorgungsleistungen mit Strom und Gas erwähnt, doch der neue Entwurf nennt auch „andere Energieträger“. Insbesondere der Bereich der Wärmeversorgung, aber auch industrielle Anwendungen (außerhalb der Strom- und Gasversorgung) sollten nun also umfasst sein. An den weiteren Grundvoraussetzungen (leitungsgebundene Versorgungsleistung, eichrechtskonforme Ausgangsgrößen und Beschränkung der Rechenoperationen auf die vier Grundrechenarten) hat sich nichts geändert.

Wie geht es weiter?

Nach der Notifizierung des Entwurfs bei der Europäischen Kommission Anfang April 2021 gilt zunächst eine mindestens drei Monate andauernde Stillhaltefrist, währenddessen der Entwurf nicht verabschiedet werden darf. Frühestens Anfang Juli 2021 dürfte also klar sein, ob der Referentenentwurf zur Änderung der MessEV in der nun vorliegenden Fassung tatsächlich verbindlich werden soll.

Für diesen Fall wird sich zeigen, wie die Eichbehörden der Länder das Kriterium der „Geeignetheit“ in der Praxis anwenden. Wer weiß, vielleicht fühlt sich die Arbeitsgemeinschaft Mess- und Eichwesen (AGME) als Koordinierungsorgan der Eichaufsichtsbehörden berufen, die Generalklausel zur Messwertverrechnung im Rahmen eines Informationsschreibens oder einer Verwaltungsvorschrift zu konkretisieren – beispielsweise durch eine abschließende Aufzählung von 21 Fallgruppen.

Ansprechpartner*innen: Dr. Jost Eder/Jan-Hendrik vom Wege/Dr. Michael Weise/Roman Schüttke

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